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Ukrainische Geflüchtete in DeutschlandAus Leid wird Profit

Sabina Zollner
Kommentar von Sabina Zollner

Wenn Menschen vor Krieg fliehen, sind Menschenhändler nicht weit. Innenministerin Faeser setzt nun auf mehr Polizei. Doch das reicht nicht aus.

Lwiw: Oft müssen die Flüchtlinge aus der Ukraine tagelang reisen, bevor sie sicher unterkommen Foto: Bernat Armangue/ap

S eit Geflüchtete in Deutschland am Berliner Hauptbahnhof ankommen, ist wiederholt die Warnung zu hören, dass Frauen und Kinder in die Hände von Menschenhändlern geraten. Die Verbrecher bieten den Hilfesuchenden an, sie bei sich aufzunehmen, und zwingen sie später in die Prostitution. Dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nun verstärkt auf Polizeischutz setzt, ist richtig. Doch es muss noch mehr getan werden.

Denn in diesen Menschenhändlern offenbaren sich brutale, patriarchale Strukturen des Kriegs, die nicht an der ukrainischen Grenze Halt machen. Der Krieg ermöglicht Menschenhändlern, neue Opfer zu finden. Bereits mehr als drei Millionen Menschen sind seit Kriegsbeginn auf der Flucht. Die meisten sind Frauen und Kinder. Sie kommen in ein Land, dessen Sprache sie nicht sprechen. Sie haben tagelange Reisen hinter sich, sind verzweifelt und sehnen sich nach einem sicheren Ort.

Aus dem unvorstellbaren Leid der Frauen und Kinder, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, schlagen die Menschenhändler Profit. Dass Väter und Ehemänner zurückbleiben mussten, kommt nur gelegen. Die Menschenhändler bieten ihnen oftmals kostenlose Übernachtungen an. Meist nehmen sie ihren Opfern die Reisepässe und ihre Handys weg, zwingen sie dann zur Prostitution oder Zwangsarbeit.

Diese Verbrecher machen sich die Körper der Frauen und Kinder zu eigen. Jegliche Empathie und Menschlichkeit ist ihnen fern. Deshalb muss alles getan werden, diese Verbrecher aufzuspüren und scharf zu verurteilen. Polen hat bereits reagiert und die Mindeststrafe von Menschenhändlern von drei auf zehn Jahre erhöht. Die Höchststrafe für Sexhandel mit Kindern ist von zehn auf fünfundzwanzig Jahre gestiegen. Auch Deutschland sollte härtere Strafen verhängen.

Genauso wichtig ist es, Privatpersonen, die Geflüchtete aufnehmen, schnell und sicher zu registrieren. Denn jede Maßnahme, welche die Verteilung und Unterbringung von Geflüchteten besser koordiniert, trägt dazu bei, diese unmenschlichen Verbrecher aufzuhalten.

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Sabina Zollner
Redakteurin taz.eins
Verantwortlich für die vorderen Seiten der taz. Schreibt am Liebsten Gesellschaftsreportagen und über Alltagskultur, Zeitgeschichte und Film. Masterstudium in "Kulturjournalismus" an der Universität der Künste in Berlin sowie "Liberal Arts&Sciences: Global Challenges" an der Leiden Universität in den Haag.
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12 Kommentare

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  • DIe Polizei und Politik kommen alle zu spät. Das erste Chaos wurde doch schon genutzt. Alle zu spät.

  • Sorry, die Überschrift geht gar nicht.

    Wenn es darum geht, dass jemand in die Prostitution gezwungen wird, ist das Kriminalität, ein Verbrechen.

    "Aus Leid wird Profit" ist krass verharmlosend.

    Zwischen einem Menschenhändler und jemandem, der einem Flüchtling eine überteuerte Flasche Wasser verkauft, ist ein deutlicher Unterschied.

  • Die Abschreckung durch höhere Strafen hat meistens nicht den erwünschten Erfolg. Ein Täter geht erstmals davon aus nicht erwischt zu werden.



    Es benötigt flankierende Massnahmen zum Schutz der Frauen und Kinder, wie die Registrierung der Aufnahmewilligen (mit wahren des Datenschutzrs), erhöhtes Strafmaß darf aber gern hinzukommen.

    • @Klaus Waldhans:

      Ein höhere Strafe ist erstmal für sich. Spricht sich rum, wenn Verbrecher Auswirkung spüren. Also doch, Strafe muss hoch, deutsche Prostitutionsgesetz weg, hat nur Kummer gebracht.

  • Sicherlich ein ernsthafte Problem. Dennoch bezweifle ich, daß eine einfache Erhöhung der Strafen einen meßbaren Effekt haben wird, da es sich hier eher um die Frage dreht, wie man den Menschenhandel effektiv unterbinden kann, also um ein operationelles Problem und nicht ein Prinzipielles.

    • @Grauton:

      Sehr wohl prinzipiell. Strafe hoch nummer 1. Gesetz weg Nummer 2. Menschen in Staat aufklären Nummer 3. Wir leben 2022, Frauen sind keine Ware für Männer die mal schnell wollen. Wenn Männer nicht alleine verstehen, muss man beibringen. Haben Ländern im großen Norden auch geschafft.

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Es wurde doch jahrzehntelang so getan, als gäbe es kaum Zwangsprostitution in Deutschland. Das rot-grüne Prostitutiongesetz sollte Zwangsprostitution verhindern , hat aber Menschenhandel in größerem Umfang erst möglich gemacht. Die Lehre, die andere Länder daraus gezogen haben: nur ein Prostitutionsverbot und die mögliche Bestrafung der Freier kann das verhindern. Der Menschenhandel mit nigerianischen Flüchtlingsmädchen(und deren Kindern) oder rumänischen Mädchen hat bisher niemanden interessiert. Ganz im Gegenteil, es wurde gerne auf die Lobbvertreter gehört, die Prostitution immer noch als die große Freiheit propagiert haben.

    • @03998 (Profil gelöscht):

      ich bin absolut gegen prostitution aber diese art prostitution wird im versteckten stattfinden. gesetzesänderungen helfen nicht, sie zu unterbinden- da hilft nur massive ermittlungsarbeit. die berliner polizei sehe ich da nicht ganz virne.

    • @03998 (Profil gelöscht):

      Das dachte ich mir auch. Die ganze "Sexarbeiterinnen" Bewegung kommt doch immer mit Argumenten, dass nur die legale Prostitution Menschenhandel und Vergewaltigung der Prostituierten verhindern kann, dass da nur Frauen arbeiten, die das auch wirklich wollen.



      Also entweder wir sagen, dass Menschenhandel und Frauenhass ein inherenter Bestandteil von Prostitution ist und das eine Legale Prostitution diese Mechanismen noch zementiert und es deshalb verboten und die Freier bestraft gehört oder wir sagen, dass Prostitution nicht auf Menschenhandel und Frauenhass basiert und das zwei voneinander getrennte Dinge sind. Dann müssen wir also nur den Menschenhandel bestrafen.

      Komischerweise tritt Prostitution immer in Verbindung mit Menschenhandel auf und bisher haben die Pro-Sexarbeiterinnen Bewegungen noch keinen wirklichen Plan an den Tag gelegt, wieso das so ist, wenn es nicht ein inherentes Problem der Prostitution ist.

      • @curiouscat:

        "Sexarbeiterinnen" Bewegung ist ein Schein, von welche ganz wenige die gut verdienen für kurze Zeit und Augen verschließen vor Seele. Wenn kurze Zeit um dann Seele kaputt. Andere sind Menschen die gar nicht in Prostititution sind und Marketing von Bordelle glauben wie sauber und gut und Steuern zahlen für Staat. Alles Lüge, alles naiv glauben. So viele Prostituierte in Deutschland immer jünger, gehen kaputt, nie wieder heil

  • Ich möchte dem Kommentar zustimmen. Registrierung und Kontrolle müssen in ungeahntem Maß verstärkt werden. Es sind so viele schutzbedürftige Menschen binnen kurzer Zeit, dass das eine große Aufgabe darstellt. Mir ist klar, dass dies - Registrierung, Kontrolle durch staatliche Behörden - Dinge sind, die bei linksliberal eingestellten Menschen auf Skepsis stoßen, aber hier ist ein Fall - ähnlich wie bei Steuerkontrolle aber menschlich noch viel dringlicher, da das unumgänglich ist und eine sine qua non Bedingung dafür, großes Leid hilfloser Menschen in unserem im Vergleich zu vielen anderen Orten auf diesem Planeten freien Europa zu verhindern.

  • Privatpersonen, die Geflüchtete aufnehmen, sollen sich registrieren - habe ich gemacht. Habe angegeben, Menschen ungeachtet Nationalität (es kommen ja nicht nur Ukrainer!), Alter oder Geschlecht, auch mit Haustieren aufzunehmen.

    Es kam: eine freundliche Dankesmail.