Sexuelle Ausbeutung im Krieg: Warnung vor mehr Menschenhandel

Ukrainischen Geflüchteten droht laut OSZE sexuelle Ausbeutung durch kriminelle Netzwerke. Die Organisation fordert mehr Schutz von Betroffenen.

Drei aus der Ukraine stammende Frauen von hinten zu sehen, laufen mit Rollkoffern eine Straße hinunter

Freiwillig oder nicht? Geflüchtete Frauen und Kinder haben ein hohes Risiko ausgebeutet zu werden Foto: Stefan Puchner/dpa

Der nordmazedonische Außenminister Bujar Osmani reiste am Montag nach Kyjiw. Sein Land hat in diesem Jahr den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernommen. Osmani traf den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und besuchte Borodjanka, eine besonders zerstörte Siedlung im Nordwesten der ukrainischen Hauptstadt.

Neben sicherheitspolitischen Fragen standen besonders die humanitären Herausforderungen, mit denen die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 konfrontiert ist, im Mittelpunkt des Treffens.

Bereits Anfang Dezember war das Hauptthema im OSZE-Ministerrat im polnischen Łódz die Menschenhandelkrise. Der nordmazedonische OSZE-Vorsitz hat sich das Ziel gesetzt, die Suche nach nachhaltigen Lösungen für den Menschenhandel und gefährdete Gruppen weiter aufzuwerten. Die OSZE sieht aktuell eine gesteigerte Gefahr für geflüchtete Menschen aus der Ukraine, Opfer von Menschenhandel zu werden.

Die weltweite Onlinesuche nach „ukrainischen Eskorts“ oder „ukrainischen Frauen“ sei um 200 bis 300 Prozent angestiegen“, sagt die Pressesprecherin Lillia Rotoloni der taz. „Ukrainische Pornos“ hätten Internetnutzende sogar um 600 Prozent mehr angefordert. Die genauen Prozentangaben würden je nach Land und Suchsprache etwas variieren.

„Perfekter Cocktail“ für ­Menschenhandelkrise

Dies habe die OSZE gemeinsam mit Thomson Reuters festgestellt. Die Organisationen arbeiten für den Schutz von Kriegsgeflüchteten mit der Kampagne „Be Safe“ zusammen. Sie geben Informationen und Ratschläge, um Ukrai­ne­r:in­nen dabei zu helfen, die Warnzeichen von Menschenhandel zu erkennen, Risiken zu minimieren und Hilfe zu erhalten.

Die gestiegene Nachfrage habe konkrete Auswirkungen: In Irland verzeichnet eine Sexservice-Website nach eigenen Angaben mehr Zugriffe. Es gebe eine Steigerung um 250 Prozent von Anfragen im Zusammenhang mit ukrainischen Frauen. Laut OSZE habe der Eskort-Service 2022 angeboten, auf „moralisch vertretbare“ Weise „kriegsbezogene Fantasien“ auszuleben.

„Dies sagt uns, dass es eine klare Nachfrage gibt, die einen Anreiz für Menschenhändler schafft, ukrainische Frauen und Mädchen zu rekrutieren und von ihrer Ausbeutung zu profitieren.“ Die Organisation habe Beweise für diese Rekrutierungsversuche in Social-Media-Chats gesammelt, die von Ukrai­ne­r:in­nen in Europa verwendet werden.

Sprecherin Rotoloni sieht in der aktuellen Entwicklung einen „perfekten Cocktail“ für eine Menschenhandelkrise: Millionen von gefährdeten Geflüchteten, vor allem Frauen und Kinder, eine schnell wachsende Nachfrage nach sexuellem Zugang zu ihnen und bereits aktive Menschenhändler, die Menschen anwerben, um diese Nachfrage zu erfüllen.

Blockierte OSZE

Deswegen fordert die OSZE die Regierungen auf, Mechanismen gegen den Menschenhandel zu stärken und dies schnell zu tun. Val Richey, der Sonderbeauftragte gegen Menschenhandel der OSZE, ist in Europa unterwegs, um für eine Reihe von dringenden Maßnahmen zu plädieren. Mit dieser humanitären Krise sei eine strengere Politik dringender denn je in Europa.

Der OSZE-Chefdiplomat Osmani twitterte am Montag denn auch: „Ich fordere die Russische Föderation auf, diesen Krieg zu beenden, ihre Truppen aus der Ukraine abzuziehen, sich erneut den Prinzipien der OSZE zu verpflichten und zur Diplomatie zurückzukehren.“

In diesem Sinne verliefen die Diskussionen mit den ukrainischen Institutionen in der Suche nach Wegen, den Menschen vor Ort zu helfen und Stabilität in der Region zu verbessern. Nordmazedonien übernahm den diesjährigen OSZE-Vorsitz zu Jahresbeginn von Polen. Die Organisation musste im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre unbewaffneten Militärbeobachter aus der Ostukraine abziehen.

Außerdem blockierte Russland die Fortführung ziviler OSZE-Projekte. Im November konnten diese Aktivitäten jedoch dank der Spenden von Mitgliedsländern in eingeschränkter Form wieder aufgenommen werden. Außer der Arbeit gegen Menschenhandel und mit Frauen mit Gewalterfahrungen engagiert sich die OSZE unter anderem für Minenräumung sowie kriegsbedingte Umweltrisiken. (mit dpa)

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