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Ukraine-Russland-KonfliktSchlechte Verlierer

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Russland klingt, als hätten die USA den Kalten Krieg verloren. Es hätte gerne seine Einflusszone mit Staaten eingeschränkter Soureränität zurück.

Putin hätte gerne seine Einflusszone mit Staaten eingeschränkter Souveränität zurück Foto: ap

D ie ersten Runden der Gespräche zwischen Russland und den USA über die Ukraine, Nato-Osterweiterung und den Rückzug des Bündnisses auf Positionen von 1997 haben Moskau nicht zufriedengestellt. Die Reaktion des Kreml kam stante pede. Moskau tat so, als hätte es mehr erwarten können. Daher waren die Forderungen vom Dezember in Moskau so klar formuliert worden. Sie klangen so, als hätten die USA den Kalten Krieg verloren.

Zugegeben, man hätte die unterlegene Seite in den 1990ern noch mehr schonen können. In den USA konnte sich dieser Gedanke jedoch nicht durchsetzen. Jetzt tritt Russland wieder mit Maximalforderungen auf. Vor dem Hintergrund der russischen Entwicklung kommt dies nicht überraschend. Der Kreml versucht überdies, im Windschatten Chinas zu segeln und die Auseinandersetzungen zwischen Peking und Washington für russische Interessen auszunutzen.

Außerdem fordert das Außenministerium schriftliche Antworten aus den USA. Offensichtlich sollen Fehler beim Zusammenbruch der UdSSR nicht wiederholt werden. Damals wurden keine Ergebnisse schriftlich festgehalten, weshalb der Kreml von Betrug spricht. Sie sind schlechte Verlierer und wollen zurückhaben, was sie damals verspielt hatten: Die Ergebnisse von Jalta, die Pufferzone und den Einflussbereich mit Staaten eingeschränkter Souveränität.

Was ermächtigt Russland dazu? Der Glaube an den imperialen Auftrag? Womöglich der Glaube an russische Überlegenheit? Russland droht der Ukraine mit Einmarsch, zögert jedoch noch. Erhält es nicht, was es wünscht, müsste es reagieren. Wie aber? Der russische Aufmarsch wird seit Wochen detailliert dokumentiert. Gewöhnlich überfällt Putin den Gegner überraschend.

Auch diesmal wäre eine Invasion möglich, aber sie würde auch für die Eindringlinge ziemlich blutig enden. Ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung ist bereit, sich zu bewaffnen. Das spricht Bände. Putin ginge als letzter Totengräber der Sowjetunion in die Geschichte ein. Das war anders geplant.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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10 Kommentare

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  • Die UdSSR war das letzte große Kolonialreich. Der Niedergang aller Kolonialreiche war von Kriegen begleitet, die aber letzten Endes den Lauf der Dinge nicht beeinflussen konnten.



    Im Fall von Russland kommt hinzu, dass sein wirtschaftliches Rückgrat Kohle und Gas in absehbarer Zeit nicht mehr gebraucht wird und die Idee von imperialer Größe dann schlichtweg nicht mehr finanzierbar ist. Der Weg in die Bedeutungslosigkeit ist also vorgezeichnet birgt aber noch die Gefahr einigen Unheils für das Land selbst und den Rest der Welt.

  • dann wird die "Überraschung" eben woanders inszeniert. Eher ein Scheinangriff hier, eine Landung der Marine dort, Grüne Männchen, die über Weißrussland eindringen, Agents Provocateurs auf einer Demo irgendwo in der Ukraine, russische Staatsbürger denen ein Haar gekrümmt werden sollte, als noch alle dachten die RA kommt über den Donbass. Das Problem mit Putin ist eben, dass seine Organisation intransparent, skrupellos und ihm nach 2008 u 2014 alles zuzutrauen ist. All die Ausreden der Trolle à la, Was sollte Russland mit der Ukraine wollen? Is' doch Quatsch, kostet nur Geld, viel zu teuer." führen sich bei einem Blick in die Geschichte von selbst ad Absurdum. Russland war es offensichtlich nie zu teuer Land zu erobern und es nach zwischenzeitlichem Verlust auch wieder einzufangen, so auch mit der Ukraine, den Balt. Staaten u dem Kaukasus (immer als strategisch wichtig markiert) schon nach der Revolution geschehen. Warum? Weil Sie es können, und weil Europa es zu lange gewähren ließ. Und wie es um die "Sanktionen" gg Russland nach 2014 wirklich bestellt ist lässt sich u.a. an der Unzahl ehemaliger westl Politiker, darunter Ex- Regierungschefs in Aufsichtsräten russ. Staatskonzerne ablesen. Und wozu? Irgendeine Verwendung wird sich schon finden. Naja, die ganze Ukraine wird Putin schon nicht einzunehmen versuchen, noch nicht, eher ein weiteres Stück. Oder er beschließt uns noch eine Weile zu verwirren und mürbe zu machen. Und SPD- Figuren wie Schlafmützenich, seines Zeichens alter Helferling von Schröder, werden sagen: seht ihr, is ja noch mal allet jut jejange. Aber eigentlich lässt sich kaum ein günstigerer Zeitpunkt für Putins Revange für den Untergang der SU denken: der Westen steht schwach und gespalten da; spätestens nach diesem Abzug aus Afghanistan hat Putin auch Gewissheit, wie es um die strategische Kompetenz Bidens u des US-Militärs gerade bestellt ist. So eine goldene Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder, wäre blöd für ihn, sollte er später feststellen..

  • Überraschen kann man nur, bis auch diese Karte ausgespielt ist, alles nutzt sich ab und auch wenn sich der Blick des Westens sobald nach Osten gerichtet ohne diese Brille der Naivität offenbar selbst nicht erträgt, ganz so doof sind sie im Kreml auch nicht. Dazu sollte man nicht den Fehler machen, sich für wichtiger zu nehmen oder vordergründiger als man es in dortigen Augen ist, umso mehr wenn man nicht mal Amerika heißt. Überraschungen, sofern es sie gab, galten sicher weniger dem Westen als den tatsächlich Leidtragenden. Aber soviel der Überraschung gab es gar nicht, wenn man nicht naiv war oder hinter'm Mond. Auch bei der Krim zeichnete sich Unheilvolles länger ab, es ließen sich dennoch mehr als genug lieber artig ablenken, einseifen und im Rahmen der fast zeitgleichen, bzw. einleitenden Olympischen Winterspiele versammeln in dem gemeinsamen Glauben an ein "neues" besseres Russland. Die Chronologie, jedenfalls Reihenfolge auch damals natürlich kein Zufall, man kann sogar annehmen dass beide "Events" ähnlich langer, paralleler Planung bedurften, natürlich an ganz unterschiedlicher Stelle. Aber so ließe sich heute eben keiner mehr düpieren und insofern können sie das auch einfach auslassen. Die russische Strategie hat sich dahingehend lange verschoben, sieht man auch daran, dass die Aufwände und Ernsthaftigkeit in puncto Gegenpropaganda, Desinformation und Leugnung in Richtung des Westens stetig abnahmen; bis dahin dass man zuletzt haarscharf davor war, direkt einzuräumen, so etwa beim Mord im Kleinen Tiergarten. Russland kann letztlich wenig für das Ausmaß unsere Fantasie und Überraschung folgt ja nur ihren Grenzen. So wären manche vielleicht überrascht, wenn sie nächste Woche die baltischen Hauptstädte besetzen (oder besetzen ließen): ich wäre es nicht. Für Wladimir Putin war der Kalte Krieg nie zu Ende! Und für ihn ist das Problem nicht, ihn verloren zu haben, sondern dass ihm begrenzt Zeit bleibt ihn zu "gewinnen".

  • Ich finde das so nicht fair. Russland hätte allen Grund, aus historischer Lehre Garantien von allen europäischen Mächten zu fordern. Aber tatsächlich fühlt sich Russland zu Recht & nur bedroht von den USA. Und das muss eben in einem ausgewogenen Kommentar mit auf den Tisch. Denn es ist nun einmal so, dass die USA selbst ja nie einen Zweifel daran lassen, dass sie einen Machtwechsel in Russland wünschen & sich dafür auch nach Kräften & Möglichkeiten engagieren. Wemm Wenn die NATO einen Stützpunkt auf der Krim einrochten könnte, könnte jeder russische Präsident auch den Schlüssel zum Kreml im Pentagon abgeben. Das ist nunmal so.



    Es ist unlauter, davor die Augen zu schließen & so zu tun als müsste Moskau wahlweise paranoid oder größenwahnsinnig sein, um sich bedroht zu sehen.

    • @JulianM:

      Ich stimme teilweise zu, natürlich hat RUS berechtigtes Interesse an seiner Basis auf der Krim und seinem Kosmodrom usw, aber das rechtfertigt keine Einmärsche unter falscher Flagge und keine Stellvertreterkriege und schon gar keine Invasion. Da steht eben reines Expansionsstreben dahinter.

    • @JulianM:

      Unlauter ist vor allem, die Augen vor dem russischen Hegemonialstreben zu verschließen, den russischen Agressor als Opfer darzustellen, und die Tatsachen zu verdrehen.

      • @O sancta simplicitas:

        Unlauter auch, dabei unter den Tisch fallen zu lassen, dass es historisch komischerweise immer Russland war, das vom Westen angegriffen wurde. Nun wurde bereits eine 'false flag'-Operation angekündigt. Wenig belesen, wer da nicht Lunte riecht.

        • @JulianM:

          Nur zur Klarstellung: Es war nicht "der Westen", sondern das Deutsche Reich, das im 1. Wk. - zusammen mit Österreich-Ungarn - dem russischen Zarenreich den Krieg erklärt hat. Und auch der Überfall auf die Sowjetunion ging - nach vorheriger Aufteilung der Hegemonialsphären in Ostmitteleuropa durch den Hitler-Stalin-Pakt - von Nazi-Deutschland aus, das ganz sicher nicht politisch, sondern höchstens noch geographisch, "dem Westen" zuzurechnen war. Daraus allerdings eine historische Gesetzmäßigkeit im Sinne von "wer im Konfliktfall westlich von Russland liegt, ist automatisch der Aggressor", ableiten zu wollen, ist reichlich schlicht.

          Kurzum: dass die Rechten den völkisch denkenden Renachisten und Autokraten Putin und seine Oligarchen- und Kleptokraten-Clique toll finden, leuchtet mir wegen deren Faszination für das russische Staats- und Politikmodell ein. Dass es allerdings unter taz-Lesern erstaunlich viele Putin-Verniedlicher gibt, die beide Augen vor dem verschließen, was sich seit vielen Jahren innen-, außen- und militärpolitisch in Russland abspielt, und das entweder für weniger schlimm halten als das, was "im Westen" stattfindet, oder schlicht alles für westliche Propaganda halten, bestürzt mich.

          Sorry, aber mich erinnert die Rolle, die Russland in der Ukraine-Frage spielt, nicht wenig an die Rolle Deutschlands im Gefolge des "Münchener Abkommens". Auch damals wurden Staatsgrenzen infrage gestellt. Auch damals wurde die Souveränität eines Staates (im Nazi-Jargon "Rest-Tschechei") mißachtet. Und das spätere Modell des fingierten "Überfalls auf den Sender Gleiwitz" (=false-flag-Operation) zur propagandistischen Vorbereitung und (Pseudo-)Legitimation des Überfalls auf Polen könnte sich vielleicht bald wiederholen.

          • @O sancta simplicitas:

            Sie haben natürlich recht. Ich wollte gar nicht sagen, dass das für irgendjemanden Sinn ergibt, außer vielleicht für die Rüstungsindustrie, die von jeder Art Aufrüstung und Kriegszustand profitiert. Nur, dass die USA uns derlei fingierte, schamlos verlogene "Kriegsgründe" auch schon aufgetischt haben, und auch andernorts demokratisch-sozialistische Bewegungen torpediert haben, mit fatalen Folgen.

            Auch ein evtl. Terroranschlag wäre natürlich kein akzeptabler "Grund" für eine blutige Invasion. Es gibt am Ende nur Gewinner oder nur Verlierer, nicht zuletzt die Menschlichkeit an sich. Deshalb muss dringend ernsthaft verhandelt werden und auch russischen Sicherheitsinteressen von NATO-Seite ausreichend Rechnung getragen werden, auch wenn uns Autokratien und Oligarchen- und Kleptokraten-Cliquen aus Menschenrechtsgründen mit Abscheu erfüllen.

            Abrüstung, Entspannung und gute wirtschaftliche Beziehungen sind klarerweise auch für Russland doch viel lohnender als irgendwelche Annexionen und Konfrontationkurs. Ich hoffe inständig, dass am Ende die Vernunft siegt.

        • @JulianM:

          Ja. Ich fürchte da treffen Sie den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Geheimdienst-Informationen, insbesondere aus den USA, darf keinesfalls leichtfertig vertraut werden. Die CIA ist leider imstande, eine solche Kriegs-Provokation selbst zu lancieren.