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Übersterblichkeit im HitzemonatTausende Tote im extrem heißen Juli

Das Bundesamt für Statistik zählt im Juli 12 Prozent mehr Tote als in den Vorjahren. Besonders an extrem heißen Tagen seien viele Menschen gestorben.

Bayern, Anfang August: gleißende Mittagssonne auf einer vertrockneten Weide Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wiesbaden/Berlin dpa/taz | Im Juli sind in Deutschland wohl auch aufgrund der Hitze zwölf Prozent mehr Menschen gestorben als im Mittel der Jahre 2018 bis 2021 für diesen Monat. Das geht aus einer Hochrechnung hervor, die das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden veröffentlichte. Insgesamt wurden demnach 85.285 Todesfälle gezählt. Das sind 9.130 mehr als der Durchschnittswert. Dabei seien, wie bereits im Juni, die Sterbefallzahlen vor allem in Phasen sehr heißer Temperaturen erhöht gewesen, hieß es.

So lagen sie den Angaben zufolge in den Kalenderwochen 28, 29 und 30 – also vom 11. bis 31. Juli – mit einem jeweiligen Plus von 16 Prozent, 24 Prozent und 14 Prozent deutlich über den Vergleichswerten. „Dass im Zuge von Hitzewellen die Sterbefallzahlen ansteigen, ist ein bekannter Effekt, der bereits in den Vorjahren beobachtet wurde“, erklärten die Statistiker. „In diesem Jahr sind jedoch bereits bis Ende Juli außergewöhnlich viele Wochen von diesem Effekt betroffen.“

Die bislang höchste Temperatur des Jahres wurde dem Deutschen Wetterdienst (DWD) zufolge am 20. Juli gemessen, als in Hamburg-Neuwiedenthal 40,1 Grad erreicht wurden.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Anfang Juli auf Twitter vor einer anstehenden Mega-Hitzewelle gewarnt, „die viele Todesopfer bringen“ könne. Weil er sich dabei auf eine fehlerhafte Prognose bezogen hatte, war er zum Teil heftig kritisiert worden.

Hohe Sterbezahl nicht durch Corona zu begründen

Die nun rückblickend im Juli beobachtete Übersterblichkeit kann allerdings nicht allein ohne weiteres allein der Hitzewelle zugerechnet werden. Bereits seit März lag die Totenzahl jeden Monat um 5 bis 8 Prozent über den Mittelwerten der Vorjahresmonate. Das könnte auch an der wieder höheren Totenzahl durch Corona liegen.

Der besonders große Anstieg im Juli lässt sich durch Corona allein jedoch nicht erklären. Laut Zahlen des Robert-Koch-Instituts wurden in dem Monat 2.790 Corona-Tote registriert. Das sind zwar 2.000 mehr als im Juli des Vorjahres – aber deutlich weniger als die jetzt errechneten 9.000 zusätzliche Sterbefälle.

Auch das Bundesamt für Statistik betrachtet in seiner Auswertung die Corona-Todesfälle: In der 28. Kalenderwoche (11. bis 17. Juli) hätten die gesamten Sterbefallzahlen um 2.525 Fälle (16 Prozent) über dem mittleren Wert der vier Vorjahre gelegen. Beim RKI wurden bislang aber nur 508 Corona-Todesopfer mit Sterbedatum in dieser Woche gemeldet.

Während die Coronazahlen von Anfang April bis Mitte Juni zurückgegangen seien, hätten sie seitdem wieder leicht zugelegt. „Die erhöhten Sterbefallzahlen in dieser Zeit erklären sie dennoch nur zu einem geringen Teil“, hieß es.

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3 Kommentare

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  • Es sterben erheblich mehr Menschen durch Kälte als durch Hitze. In einer umfangreichen Metastudie wurde ein knappes Zehntel aller Todesfälle suboptimalen Temperaturen (Kälte oder Hitze) zugerechnet. Im Untersuchungszeitraum (2000 - 2019) waren das über fünf Millionen Tote pro Jahr bzw. 74 Tote auf 100.000 Personen. Die meisten starben bei Kälte, weniger als ein Zehntel bei Hitze. 
(Zhao, Q. et al. (2021): Global, regional, and national burden of mortality associated with non-optimal ambient temperatures from 2000 to 2019: a three-stage modelling study. The Lancet Planet Health 5 (7): E415-E425. DOI: 10.1016/S2542-5196(21)00081-4)

    • @Holger Westermann:

      Ja. Und?

      • @Firlefonz:

        Klima die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten bestimmter Wetterlagen. Klimawandel meint die Verschiebung der Wahrscheinlichkeit - häufiger warm bedeutet zumeist seltener kalt (stark vereinfacht)