Übersetzung eines „Bild“-Interviews: Putin wird entschärft

Auf der Webseite des Kreml klingt ein übersetztes Interview der „Bild“-Zeitung mit dem russischen Präsidenten zahmer als im Original.

Putin vor einer roten Wand

Vielen Dank für das wundervolle Gespräch, Herr Präsident. Foto: dpa

BERLIN taz | Am 5. Januar führten Bild-Herausgeber Kai Diekmann und sein Stellvertreter Nikolaus Blome in Sotschi ein zweistündiges Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die dritte Präsidenten-Amtszeit – und das dritte Bild-Interview, so das Blatt. Epochal in jeder Hinsicht. Das groß angekündigte Interview erschien auf der Bild-Internetseite am 11. Januar. Noch am selben Tag wurde das Interview in russischer Übersetzung auf der Webseite des Kremls veröffentlicht. Dasselbe Interview? Wer der russischen Sprache mächtig ist, wird eines Besseren belehrt.

Bereits die Eingangsfrage „Was ist so fürchterlich schiefgelaufen im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen?“ erfährt in der russischen Fassung einen Perspektive-Wechsel und klingt so: „Was haben wir falsch gemacht?“ Das „wir“ birgt ein eindeutiges Schuldbekenntnis der Fragenden, sprich des Westens, was im Originallaut keineswegs der Fall war.

Kritische Formulierungen der Bild-Reporter, wie etwa „die von Russland unterstützten Separatisten“, „verspottet“, „geächtet“ (zur internationalen Rolle Russlands) oder „Wie schmerzt Sie das, Herr Präsident?“ werden durch das Übertragen ins Russische weichgespült. Die kritischsten Fragen und Kommentare fehlen in der russischen Übersetzung ganz, wobei der russische Text um ein Drittel länger ist, als das deutsche Original.

So sagen Diekmann und Blome in der deutschen Version: ‚Die Länder Mitteleuropas wollten aus eigenem Willen in die Nato eintreten. Sie ließen sich dabei von Sicherheitsüberlegungen leiten.‘ oder (in Bezug auf die Krim) ‚Das ist eine einseitige Veränderung der Grenzen in Europa, dessen System insbesondere auf der Respektierung der staatlichen Grenzen beruht‘, und schließlich –‘ Sie (Angela Merkel) hat sich gerade erst dafür eingesetzt, die Sanktionen gegen Russland zu verlängern.‘ In der russischen Version liest man davon nichts.

In der Syrien-Passage legt man den Interviewern dafür einen bemerkenswerten Satz in den Mund: „Hier kämpfen wir mit gemeinsamen Herausforderungen.“ Im Original sucht man nach diesem Satz vergeblich. Auf Anfrage äußert sich die Bild-Pressestelle zur Syrien-Aussage nicht, sondern verweist auf ein Interview, welches Nikolaus Blome am 14. Januar zur Übersetzungs-Problematik des Putin-Interviews der Deutschen Welle gegeben hat.

Nach deutschen Regeln geführt

„Soweit mir bekannt ist, sind die Äußerungen des Präsidenten nicht gemildert worden“, sagt Blome. Ohnehin sei für die Zeitung nur das von Belang, was den Lesern auf deren Seiten angeboten sei. Das Interview sei schließlich nach deutschen Regeln geführt worden, ausschlaggebend sei die deutsche Version gewesen, die vom russischen Präsidenten persönlich autorisiert worden sei. Alles sei sehr professionell abgelaufen. „Für uns ist alles in Ordnung.“

„Ist Russisch komplizierter als Deutsch?“, wollen die Bild-Reporter mitten im Putin-Interview wissen, als sich der Dolmetscher verhaspelt. „Die deutsche Sprache ist präziser. Dafür ist das Russische vielseitiger, farbenreicher“, antwortet Putin. Wohl wahr. In der Kremlin.ru-Fassung bedanken sich die Journalisten am Ende für das „wundervolle und sehr ausführliche Gespräch“.

„Herr Präsident, wir danken Ihnen für dieses Gespräch“, heißt es dagegen lakonisch bei Bild. Allerdings lässt sich der genaue Wortlaut der Bild-Reporter nicht überprüfen. Zu sehen und zu hören sind auf dem Video der Bild-Webseite nur die Antworten des russischen Präsidenten. Die Bild-Originalfragen sind herausgeschnitten.

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