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Überholen von Radler*innen„Wir brauchen gefühlte Sicherheit“​

Autofahrer*innen überholen Radler*innen oft viel zu knapp. Der ADFC fordert mehr geschützte Radstreifen – und den ADAC auf, Autofahrer*innen aufzuklären.

Auch dieser Abstand ist zu gering: Radfahrer in Karlsruhe Foto: dpa
Markus Kowalski
Interview von Markus Kowalski

taz am Wochenende: Radler*innen dürfen von Autos nur mit einem Sicherheitsabstand von 1,5 Metern überholt werden. Das gelte auch, wenn Fahrräder auf den Schutzstreifen fahren, heißt es in einem neuen Gutachten im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer. Überrascht Sie das?

Lara Eckstein: Nein, es war lange bekannt, dass der Überholabstand immer einzuhalten ist. Vielen Fahrer*innen von Autos und LKW ist das aber nicht bekannt. Deswegen werden Radfahrer*innen oft knapp überholt. Als Mitglieder des ADFC sind wir oft mit dem Rad unterwegs und erleben selbst, dass man Angst hat, auf der Hauptstraße zu fahren.

Was bedeutet das für Radfahrer*innen?

Tatsächlich passieren die meisten Radfahrunfälle nicht beim Überholen, sondern an Kreuzungen. Objektiv gesehen ist knappes Überholtwerden für Radfahrer*innen nicht so gefährlich wie es wahrgenommen wird. Doch wir brauchen die gefühlte Sicherheit, auf der Straße nicht eng überholt zu werden. Nur so werden sich mehr Menschen trauen, Rad zu fahren.

Was heißt das für Autofahrer*innen?

Es wäre schön, wenn die Fahrschulen angehende Autofahrer*innen stärker darauf hinweisen würden, genug Abstand einzuhalten. Wir würden es auch begrüßen, wenn der ADAC eine Kampagne machen würde, um Autofahrer*innen dafür zu sensibilisieren, mehr Abstand zu halten und Autotüren nicht unbedacht zu öffnen.

Bild: privat
Im Interview: Lara Eckstein

Lara Eckstein, 28, ist Sprecherin des ADFC Berlin.

Was kann ein Rechtsgutachten am reellen Fahrverhalten ändern?

Es ist gut, wenn Radfahrer*innen und Autofahrer*innen ihre Rechte kennen. De facto bringen solche Vorgaben nichts. Deswegen brauchen wir eine Infrastruktur, die knappes Überholen unmöglich macht. Sogenannte Schutzstreifen, die die Fahrbahn für Räder durch eine gestrichelte Linie trennen, werden oft überfahren. Stattdessen wollen wir mehr geschützte Radfahrstreifen. Diese verlaufen auf der Fahrbahn, machen aber das Überfahren durch Poller oder Blumenkübel unmöglich. Natürlich nehmen diese Streifen mehr Platz weg. Aber wenn mehr Leute auf das Fahrrad umsteigen, gibt es auch weniger Autos im Verkehr.

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10 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ich fahre Rad, Auto, Motorrad und gaaanz selten einmal einen LKW. Überwiegend aber Rad. Ich will keine Sonderrechte, Schutzstreifen, extra Wege oder dergleichen. Ich will als gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer am Verkehr teilnehmen und - wie alle anderen VerkehrsteilnehmerInnen auch - gesund bleiben und natürlich überleben.



    Dazu braucht‘s nur etwas Rücksicht aufeinander, die Einstellung, dass insbesondere das führen von Kraftfahrzeugen keine Nebensache ist (zum schminken, Kaffee trinken, telefonieren, Mails checken, etc.) und deutlich geringere Geschindigkeiten insbesondere in geschlossen Ortschaften. Und eine non-aggressive Autowerbung. Das vielleicht als Erstes!

  • Bin vor zwei Tagen erst wieder mit einem Abstand von gefühlten 10 cm überholt worden. Der Autofahrer war wohl sauer das ich bei jeder Ampelrotphase wieder weit vor ihm war.

    Ich weiß nicht, wie lange ich mich noch zurückhalten kann, denen nicht mal in die Tür zu treten. Leider vertraue ich den Gerichten gar nicht. Vermutlich wird mir dann das Radfahren verboten und muss dem Assi eine neue Tür zahlen.

  • Stimmt alles, bis auf einen wichtigen Punkt: Natürlich ist sehr knappes Überholen extrem gefährlich. Es kommt nur selten vor.

    Wir wissen buchstäblich erst seit dem Radmesser-Projekt des Tagesspiegels, wie es sich mit den Überholvorgängen verhält. Demnach ist der Abstand zwar in den meisten Fällen (56% unter 1,5m) zu eng, aber nur 1% der überholen mit unter 50cm.

    Das ist in der Tat gefährlich, weil hier irgendeine Abweichung (ein Gullideckel, ein Unaufmerksamkeit, ein Schreck) zu einem schweren Unfall führen kann. Genau deswegen sieht die Rechtsprechung einen beträchtlichen Sicherheitspuffer vor.

    Und da diese engen Überholvorgänge zwar selten, aber eben immer mal wieder passieren, ist das subjektive Unsicherheitsgefühl der Radfahrer auch objektiv gerechtfertigt.

    • @Professor Wagstaff:

      Wenn ein Radfahrer von 100 Autos überholt wird, was in der Stadt keine Seltenheit ist, wäre ein Auto zu nah und das bei jedem Radfahrer. Als „Selten“ würde ich das nicht bezeichnen.

  • Also ich hab in meinem Autofahrer Leben 2x durch Vollbremsung Radfahrern das Leben gerettet, weil die von Fuß- bzw. Radweg einfach auf die Straße 'sprangen'. Dafür hab ich beide Male den Dank per Mittelfinger erhalten. Radfahrer benehmen sich leider genau so rücksichtslos im Verkehr, wie Autofahrer - insbesondere ggü Fußgängern.



    Ich glaube wir kommen nur voran, wenn alle Teilnehmer mehr Rücksicht walten lassen - leider fordert jede Gruppe dies immer nur von den anderen ein...

    • @Berliner_in_Dresden:

      Das ist eine schöne Anekdote. Ich musste im Auto hingegen in fas 30 Jahren noch nie für einen Radler bremsen. Auf dem Rad wird mir auf jeder Fahrt mindestens einmal die Vorfahrt genommen, ich muss Ausparkern ausweichen, Fahrzeuge kommen mir entgegen und drängen mich weg. Eng überholt werde ich immer. Der kleine, aber feine Unterschied - im PKW passiert mir nix, wenn ich nen Radler umschubse. Wenn ich als Radfahrer Mist baue, dann fliege ich ziemlich Wahrscheinlich übelst auf die Gusche.



      Gegenseitige Rücksichtnahme ist gut und richtig. Aber je gefährlicher ich für andere sein kann, desto rücksichtsvoller sollte ich auch sein. Zumal die sich die körperliche Anstrengung in Grenzen hält, wenn man mal das Lenkrad 1cm nach links dreht.

    • @Berliner_in_Dresden:

      Ne, es braucht einfach getrennte Fahrspuren oder den Vorteil für den Schwächeren. Wenn ich auf dem Gehsteig fahre, diskutier ich auch nicht darüber, ob die körperliche Unversehrtheit eines Fußgängers oder meine 30 km/h vorrang haben.

  • Und Radfahrer überholen rechts und auf Bürgersteigen, fahren bei Rot über Ampeln und halten dann den Verkehr wieder auf etc etc.

  • Einen linken Fahrradspiegel verwenden! Die größte Gefahr besteht beim Überholtwerden auf Landstraßen, insbesondere wenn Autofahrer abgelenkt oder betrunken sind. Mit einem linken Spiegel kann man rechtzeitig noch in die Büsche springen! Kontakt eines Autos zum Fahrradlenker oder Überholen und sofort auf Null abbremsen, passiert eher bei niedrigen Geschwindigkeiten und könnte mit härteren Strafen, zB nachgewiesene Lenkerberührung = 15 Jahre Führerscheinverbot, verhindert werden. Im Übrigen verlängert ein Spielgel den Lenker und die Autofahrer haben Angst um ihren Lack. Blut stört sie ja nicht besonders.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Durch ständige Wiederholung wird Quatsch nicht wahrer. Das Gefährliche an Radwegen und Radspuren sind deren Ende. Dort, wo Farbe und Poller und Hastdunichtgesehen aufhören, lauert die Gefahr. Je mehr sogenannte "Sicherheitseinrichtungen" es gibt, desto schneller fahren Autos. Dabei geht es nie um die 99, die vernünftig sind, sondern immer um den einen, der dich totfährt.

    Die einzig wirklich für alle gute Lösung heißt: Mischverkehr bei flächendeckend Tempo 30. Der ADFC - vermutlich ein Ableger vom ADAC - vertritt hauptsächlich Radler, die am ersten Mai einmal um ihre Garage radeln.

    Die meisten Menschen, die in der Stadt Auto fahren, obwohl das Fahrrad billiger, schneller und umweltfreundlicher ist, tun dies nicht, weil sie es nicht kennen oder keines besitzen, sondern wegen der gefährlichen Autos.

    Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Erst wenn die Politik zu flächendeckend Tempo 30 bereit ist, wird sich die Lage wirklich verbessern. Und da können wir vermutlich warten, bis wir schwarz sind - auch von innen mit Dieselruß.