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Übergriffiger WachschutzAus Rassismus rausgeworfen

Sprecher des Braunschweiger Stadt­schü­le­r­rats ist nach eigenen Angaben von einem Wachmann diskriminiert worden. Security und Polizei widersprechen.

Sollte für Sicherheit sorgen – fragt sich für wen: Wachschutz Foto: dorapics/imago

Göttingen taz | Der Betroffene und der Jugendring Braunschweig sprechen von Rassismus: Beim Rauswurf aus seinem Büro soll Atakan Koçtürk, der Sprecher des Stadtschüler:innenrates, von einem Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes rassistisch beleidigt worden sein. Die Sicherheitsfirma und die hinzugezogene Polizei widersprechen dieser Darstellung.

Der Vorfall ereignete sich am vorvergangenen Sonntag. Nach Angaben des Jugendrings arbeitete Koçtürk in einem der Schü­le­r:in­nen­ver­tre­tung auch für die Wochenenden zur Verfügung gestellten Raum gerade an einem Antrag, als ihn der Wachmann zum Verlassen des Gebäudes aufforderte. Der Security-Mitarbeiter war offenbar nach einen Alarm im Gebäude herbeigeeilt.

Koçtürk selbst sagte der taz, der Wachmann habe ihn sofort beschuldigt, „dass ich ein Einbrecher bin“. Auf seinen Einwand, dass er als Sprecher die Interessen von rund 35.000 Schü­le­r:in­nen vertrete, was er auch beweisen könne, habe er zur Antwort erhalten: „Ein Türke kann ja gar nicht Vorsitzender des Stadtschülerrates sein.“ Der Mann habe sich auf kein Gespräch eingelassen und „sofort die Polizei gerufen“.

„Die vom Wachmann hinzugezogene Polizei schien nicht an der Aufklärung interessiert zu sein“, schreibt der Jugendring in einer Mitteilung. Anstatt Koçtürk zuzuhören, habe man ihm die Schlüssel abgenommen und aus den Räumlichkeiten verwiesen. Bei seinem späteren Versuch, die Angelegenheit auf dem Polizeirevier aufzuklären, sei er auch dort rausgeworfen worden.

Polizei keine Hilfe

Koçtürk informierte die Stadtverwaltung. Diese kündigte am vergangenen Donnerstag an, den Vorfall „schnellstmöglich lückenlos aufzuklären und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen“ und forderte die Sicherheitsfirma zu einer Stellungnahme binnen 24 Stunden auf. „Der Sprecher des Stadtschülerrats war berechtigt, auch am Wochenende das Gebäude zu betreten“, betonte ein Stadtsprecher. Allerdings sei dies der Sicherheitsfirma im Vorfeld nicht mitgeteilt worden.

In einer schriftlichen Erklärung gab das Unternehmen inzwischen an, dass der betreffende Mitarbeiter die von Koçtürk geschilderten rassistischen Äußerungen nicht gemacht habe. Die Stadtverwaltung hält den Sachverhalt allerdings für noch nicht geklärt und hat den Geschäftsführer der Firma deshalb zu einem Gespräch gebeten.

Auch die Polizei äußerte sich zu den Vorgängen: Die Beamten hätten Koçtürks Schlüssel dem Wachmann übergeben und Koçtürk selbst aus dem Gebäude begleitet, sagte ein Sprecher. „Förmlich setzte die Polizei so für die Stadt Braunschweig, vertreten durch den Sicherheitsdienst, das Hausrecht durch.“ Dabei habe Koçtürk gegenüber den Polizisten keine rassistischen „oder anders gelagerten“ Beleidigungen erwähnt.

Später sei Koçtürk mit zwei Begleitpersonen auf der Wache erschienen, um die Herausgabe seines Schlüssels zu fordern. Die Gruppe sei dabei immer lauter geworden und habe den Dienstbetrieb in erheblichem Ausmaß gestört. Weil sie das Revier nicht haben verlassen wollen, sei ihr ein Platzverweis erteilt worden.

Opfern wird häufig nicht geglaubt, wenn keine Zeugen die Angaben bestätigen können

Kai Fricke, Jugendring Braunschweig

Der Jugendring betont derweil seine Solidarität mit Koçtürk, „mit dem wir seit über einem Jahr eng zusammenarbeiten und den wir stets als zuverlässigen, aufrichtigen und engagierten Menschen wahrnehmen, der immer respektvoll und höflich mit anderen umgeht“. Der Jugendring habe „keinen Zweifel daran, dass seine Aussagen stimmen und die rassistische Beleidigung genauso stattgefunden hat“.

Jugendring-Sprecher Kai Fricke bezeichnete es als „ein häufiges Problem, dass Opfern von diskriminierenden Verhalten nicht geglaubt wird, wenn keine Zeugen die Angaben bestätigen können“. Die Täter fühlten sich oft sicher, weil sie wüssten, dass ihnen nichts nachzuweisen sei.

Häufig finde sogar eine Täter-Opfer-Umkehr statt, wenn es Betroffene wagten, sich gegen diskriminierendes Verhalten zu wehren. Es wundere den Jugendring nicht, „dass sich viele Betroffene erst gar nicht an die Behörden oder die Öffentlichkeit wenden“.

Auch der Niedersächsische Integrationsrat hat keine Zweifel, dass Koçtürks Schilderungen der Wahrheit entsprechen. Es handele sich um einen typischen Fall von Rassismus, wie er sich im Alltag zeige.

Inzwischen hat Koçtürk seinen Schlüssel zurück – und dazu einen Transponder, um Alarme zu deaktivieren, sowie ein ­Schreiben, das ihn als Mitglied des Vertretungsgremiums ausweist. Nach Angaben eines Stadtsprechers sei vorgesehen, dass auch alle anderen Ver­tre­te­r:in­nen des Rates eine solche Bestätigung bekommen.

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9 Kommentare

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  • Offenbar eine Kommunikationsstörung, im Zweifelsfall für den Beschuldigten ! Es gibt rassistische Äußerungen, es gibt aber auch Leute, die sofort die Rassismus-Karte ziehen . Hier glaube ich eher dem Schüler, die Bemerkung der Sicherheitsmanns deutet auf Unwissen und großen Stress hin. Vielleicht kann er selbst nicht glauben, was da aus ihm rausgebrochen ist .

    • @Dr.med. Heinz de Moll:

      Ja sicher, eine Kommunikationsstörung, aber eine systemisch bedingte.



      Die Anforderungen für die sensible Tätigkeit der "Sicherheitsleute" sind sehr niedrig und es gibt ja auch bei der Polizei Menschen, die, trotz hoher Anforderungen in der Ausbildung, den nötigen Standard nicht erreichen.



      Die anwesenden Polizisten sind `mal wieder den Weg des geringsten Aufwands gegangen.

  • Unabhängig davon, was zwischen den Parteien vorgefallen ist - das kann nach der Lektüre des Artikels ohnehin derzeit nicht seriös bestimmt werden.

    Aber: Die Stadt händigt scheinbar wahllos Schlüssel aus, ohne den Sicherheitsdienst zu informieren, ohne Legitimationsbescheinigung und ohne die Möglichkeit, den Alarm auszuschalten? Ernsthaft??? Wie bitteschön glaubt die Stadt, soll ein Sicherheitsdienst oder die Polizei reagieren, wenn Alarm ausgelöst und eine "fremde" Person im Gebäude angetroffen wird? Natürlich werden sie das tun, wofür sie eingestellt wurden und ihren Lohn erhalten. Was für eine Schildbürgerbrigade trägt denn in Göttingen städtische Amtsgewalt?

    • @Cerberus:

      Zustimmung auch von mir

    • @Cerberus:

      volle Zustimmung.

  • Ja ja, schauen wir doch mal genau 100 Jahre zurück.

    So fängt es nämlich an.

    Rassismus im Uniformrock.

    Und der Staat pfeift lustig vor sich hin - die Hände in den Taschen und den Blick gen Himmel.

  • "...wenn keine Zeugen die Angaben bestätigen können"



    In dubio pro reo. Das gilt auch wenn es ein Ordner oder die Polizei ist.



    Wir wissen nicht was wirklich geschah, also können wir weder urteilen, noch verurteilen, sonst wäre es ein Vorurteil!

    Es wurde einfach im Vorfeld zu viel falsch gemacht, keine Information für den Sicherheitsdienst, keine Bescheinigung für Atakan Koçtürk. Den Ärger nun hätten sich alle sparen können.

    • @Rudi Hamm:

      Dem Opfer als Zeugen glaube ich.



      Dem Täter muss ich seine vorgeschobenen Gründe nicht abnehmen und auf dieser Grundlage kann ich urteilen. Das hat mit Vorurteil nichts zu tun! Das ist tägliche Praxis in den Gerichten. 17.3. 12.07 h

    • @Rudi Hamm:

      Das gilt nur im Strafrecht.