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Überblick über Facebook PapersWas in den Leaks steht

Interne Dokumente des US-Unternehmens Facebook wurden geleakt, die sogenannten Facebook Papers. Was steckt dahinter?

Wie würde Mark Zuckerberg als Emoji aussehen? Foto: getty images

Zwar gab sich Mark Zuckerberg große Mühe damit, von Datenleaks, technischen Ausfällen, Whist­le­b­lo­wer:­in­nen und der Gefährdung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen abzulenken. Doch es scheint ihm so gar nicht zu gelingen. Denn ein internationaler Zusammenschluss von Medien bringt immer mehr Details aus dem Facebook-Imperium ans Tageslicht: die sogenannten Facebook Papers. Welche Tragweite haben diese Enthüllungen? Hier ein Überblick über die wichtigsten Fakten.

Was sind die Facebook Papers?

Anfang Oktober hatte das Wall Street Journal firmeninterne Dokumente, Studien und Chats von Facebook veröffentlicht. Die Dokumente wurden dem US-Kongress zur Verfügung gestellt, der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC sowie dem Wall Street Journal. Die Unterlagen stammen von der ehemaligen Face­book-Mitarbeiterin Frances Haugen. Die Veröffentlichung zog eine Anhörung vor dem Kongress nach sich. Haugen begründet ihre Enthüllungen damit, dass Facebook den eigenen Profit über die Sicherheit von Menschenleben stelle. Sie wolle mit den Enthüllungen erreichen, dass Facebook stärker reguliert und etwa gezwungen werde, seine Empfehlungsalgorithmen zu verändern.

Seit dieser Woche berichtet nun nicht mehr nur das Wall Street Journal aus den Dokumenten. Mittlerweile haben die Zehntausenden Seiten interner Studien, Memos und Nachrichten verschiedene Medien erreicht. Dazu zählen die New York Times und CNN, aber auch einige europäische Medien wie Le Monde und die Süddeutsche Zeitung. Alles unter dem Schlagwort „Facebook Papers“ oder auch „Facebook Files“.

Noch sind nicht alle Details veröffentlicht worden, das wird sich in den kommenden Wochen aber sicherlich ändern. Laut einem Bericht des US-Mediums Axios scheint sich auch Facebook für weitere Enthüllungen zu wappnen. Dem Artikel zufolge schrieb Nick Clegg, Facebooks Vizepräsident, man müsse sich für weitere schlechte Nachrichten wappnen, aber die Facebook-Mit­ar­bei­te­r:in­nen „sollen den Kopf erhoben halten und die Arbeit machen, für die wir hierhergekommen sind“

Um welche Enthüllungen geht es?

Mittlerweile ist die Liste der Vorwürfe so lang, dass es schwerfällt, einen Überblick zu behalten. Grundsätzlich lässt sich grob zusammenfassen: Die Facebook-Führung hat unter dem CEO Mark Zuckerberg wissentlich zu wenig gegen Hassbotschaften, Fake News und andere schädliche Inhalte auf der Plattform unternommen. Beispielsweise hat Facebook die Länder, in denen es aktiv ist, nach Priorität sortiert.

Das bedeutet, dass Länder in der höchsten Prioritätsstufe, wie die Vereinigten Staaten, bei der Bekämpfung von Hassrede und Volksverhetzung bevorzugt werden. Der Großteil aller Länder weltweit wurde in die letzte Stufe einsortiert und sie gelten somit als zu vernachlässigen.

Während Facebook die Geschehnisse in den USA sorgfältig überwacht, hat Facebook in einigen Entwicklungsländern nicht einmal die Nutzungsrichtlinien in die Landessprache übersetzt. Eine interne Studie von Facebook aus dem Januar 2020 zeigt, dass in Afghanistan die eigenen Regeln von Facebook einzig in Dari übersetzt worden sind, obwohl etwa 50 weitere Sprachen im Land gesprochen werden. Auch das Melden von Hassrede ist für viele nicht in der eigenen Sprache möglich.

Facebook wird vorgeworfen, in Ländern wie Äthiopien und Myanmar nationalistische und mörderische Kampagnen toleriert und verbreitet zu haben. Gleichzeitig soll Mark Zuckerberg sich persönlich dazu entschieden haben, sich den Wünschen der vietnamesischen Regierung zu beugen und regierungskritische Posts löschen zu lassen.

Auch wird die Rolle von Facebook vor und während Wahlen oft kritisch betrachtet. Nun verhärtet sich die Kritik, denn durch die Priorisierung soll Facebook Wahlen beispielsweise in Brasilien, Indien und den USA besonders gut schützen und sogenannte interne „War Rooms“ eröffnen, um gegen Falschmeldungen besser vorgehen können. In vielen anderen Ländern gibt es allerdings keinerlei Sondermaßnahmen. Mit den Veröffentlichungen wird deutlich, wie enorm frustriert die Mit­ar­bei­te­r:in­nen sind: Oft scheinen sie auf Probleme hingewiesen und neue Ansätze vorgeschlagen zu haben, doch fanden damit keinerlei Gehör. Viele Mit­ar­bei­te­r:in­nen verlassen daraufhin das Unternehmen.

Mit­ar­bei­te­r:in­nen wiesen die Führungsriege auch mehrfach auf schwere Versäumnisse im Umgang mit illegalen Inhalten in Entwicklungsländern hin. Facebook wisse demnach, dass Drogenkartelle über ihre Plattform Auftragskiller suche oder Menschenhändler ihre „Ware“ anbieten. Für diese Ignoranz gibt es nicht nur intern massive Kritik: Apple soll Facebook damit gedroht haben, deren App aus dem App-Store zu verbannen, weil sie gegen den auf ihrer Plattform betriebenen Menschenhandel nicht vorgehe.

Ein anderes großes Thema ist weiterhin der psychische und soziale Druck auf den Plattformen. Klar wird, dass Facebook interne Informationen zurückhielt, denen zufolge die Facebook-Tochter Instagram vor allem für Mädchen schnell zur psychischen Belastung werden kann. Auch hatte das Unternehmen bestimmten „wichtigen Persönlichkeiten“ bewusst erlaubt, gegen die Facebook-Regeln zu verstoßen. Um wen es sich handelt, ist unklar, da die Namen in den geleakten Dokumenten geschwärzt sind.

Auch gibt es genauere Details zum Thema Likezahlen auf Instagram: Facebook hatte mehrmals angekündigt, Likezahlen unter Instagram-Posts in Zukunft nicht mehr anzuzeigen, um für die Use­r:in­nen den psychischen Druck zu reduzieren. Allerdings war das, abgesehen von einigen Tests, nie umgesetzt worden. Die Facebook Papers zeigen: Die Tests hatten ergeben, dass Nutzer:innen, die die Likezahlen nicht sehen können, die App weniger benutzen. Das hatte zu weniger Werbeeinnahmen geführt.

Was sagt Facebook dazu?

Wie immer: relativ wenig. Das Unternehmen weist die Vorwürfe weit von sich und möchte auch nicht allein in die Verantwortung genommen werden. „Die Realität ist, dass soziale Medien nicht der Hauptgrund für diese Probleme sind und sie wahrscheinlich auch nicht selbst beheben können“, meint Mark Zuckerberg. Eine Plattform für Menschenhandel bietet Facebook allerdings, das lässt sich nicht von der Hand weisen. Auch wenn dieses und andere Probleme ohne Facebook weiterhin, vielleicht aber unter erschwerten Bedingungen, existieren würden. Gegenmaßnahmen kündigte Zuckerberg bisher nicht an.

Vor einigen Tagen teilte das Unternehmen mit, es sei richtig, dass die Presse Facebook zur Verantwortung ziehe, doch die Berichterstattung gebe „unser Handeln und unsere Beweggründe“ falsch wieder.

Hat Facebook einen wirtschaft­lichen Schaden durch die Enthüllungen?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Bisher ist der wirtschaftliche Profit von Facebook stabil. Trotz anhaltender Kritik steigt der Kurs der Facebook-Aktie in den letzten Tagen weiter an. Der Grund: Facebook stellte am Montag seine Quartalszahlen vor. Facebook konnte die Erwartungen von Ana­lys­t:in­nen leicht übertreffen, und eine um zwölf Prozent höhere Zahl monatlicher Use­r:in­nen vorweisen als im gleichen Quartal ein Jahr zuvor.

Auf der anderen Seite sorgt sich Facebook um seine Zukunft und zwar ganz unabhängig von den aktuellen Schlagzeilen. Denn die Nut­ze­r:in­nen­ba­sis von Facebook wird immer älter. Jugendliche und junge Erwachsene in den Industrienationen nutzen die App immer weniger – gelten aber für Facebooks Werbegeschäftsmodell als besonders relevant.

Und auch Facebooks Plattform Instagram, die Alternative für jüngere Menschen, verliert gegenüber Tiktok und Snapchat immer mehr an Boden. Mark Zuckerberg kündigte deswegen gegenüber In­ves­to­r:in­nen Maßnahmen an, um Use­r:in­nen nicht an andere Plattformen zu verlieren und die Use­r:in­nenstruktur zu verjüngen.

Und wie geht es weiter?

Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Fest steht: Es werden weitere Enthüllungen folgen. Welche Konsequenzen das für Facebook hat, ist unklar. Sowohl juristisch, als auch politisch – es bräuchte eine Institution, die dafür sorgt, dass Facebook nicht einfach weitermacht wie bisher.

Was aber nun unwiderruflich deutlich wurde: Das Unternehmen ignoriert ethische Werte komplett, um seine Marktdominanz zu sichern. Maßgeblich schuld daran ist Mark Zuckerberg selbst, denn was ausdrücklich aus den Dokumenten hervorgeht: Er ist nicht nur das Gesicht von Facebook, sondern hat ein hohes Maß an direkter Kontrolle über die Ausrichtung des Konzerns.

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4 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Solange nicht von Auftragskiller:innen und Menschenhändler:innen die Rede ist, steht zu befürchten, dass die Taz Geschlechterrollenstereotype reproduziert.

    • @Stefan Wagner:

      Ja.

      Gleichzeitig reproduziert sie damit nur bestehende Geschlechterrollen. Denn der männliche Anteil unter den von Ihnen genannten Berufen ist schon auffällig hoch. Vielleicht sollten wir es darauf ankommen lassen, dass sich die Frauen dieser beiden Branchen öffentlich darüber beschweren...

  • "Er ist nicht nur das Gesicht von Facebook, sondern hat ein hohes Maß an direkter Kontrolle über die Ausrichtung des Konzerns."

    "Facebook wisse demnach, dass Drogenkartelle über ihre Plattform Auftragskiller suche oder Menschenhändler ihre „Ware“ anbieten."

    Somit ist Facebook eine Plattform auf der Drogen und Menschenhandel stattfindet und deren Betreiber davon wissen.

    An was erinnert mich das?

    Ross William Ulbricht (Pseudonym Dread Pirate Roberts (DPR)[1]; * 27. März 1984) ist der Gründer und Erstbetreiber des von 2011 bis 2013 existierenden Online-Schwarzmarkts Silk Road.[2] Ross Ulbricht wurde 2015 zu einer zweifachen lebenslangen Haftstrafe plus 40 Jahre ohne Möglichkeit einer vorzeitigen Haftentlassung verurteilt

    Klar Facebook ist nicht Silk Road, es ist nicht explizit für Illegale Aktivitäten geschaffen worden. Ich bin zwar kein Jurist, aber da Herr Zuckerberg über den Menschenhandel bescheid wusste und nachweislich nicht ausreichend dagegen unternommen hat, kann er dafür auch verurteilt werden oder nicht?

  • So ist das eben, wenn öffentliche Infrastruktur dieser Größe und Reichweite in der Hand privater Unternehmen ist, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen, deren Regeln der Öffentlichkeit unbekannt sind und deren oberste Prioritäten Marktbeherrschung und Profit sind. Und ja, es ist quasi-öffentliche Infrastruktur, da die Konkurrenz nicht existiert, weil sie aufgekauft oder eliminiert wurde, und deswegen und wegen dem Netzwerkeffekt die übergroße Mehrheit aller "social media"-Teilnehmenden in Zuckerbergs Privatinternet unterwegs ist. Und nein, man muss nicht bei Facebook und Instagram und WhatsApp sein - jedenfalls, wer sich das erlauben kann im jeweiligen sozialen oder beruflichen Umfeld, wer die Gefahren begreift, die von diesem menschenverachtenden System ausgehen und wer die Nerven und Kenntnisse hat, den persönlichen Boykott zu vertreten und durchzuziehen.