Über Rassismus reden: Der Sprache ist zu misstrauen
„Political Correctness“ soll schuld daran sein, dass die Rechten triumphieren. Dabei galt es mal als links, Bestehendes infragezustellen.
Keine Ahnung, ob ich befugt bin, über Rassismus zu sprechen. Ich musste mich noch nie als Opfer irgendeiner Form von Diskriminierung fühlen – trotz unverkennbarer Obesität. Auch versuche ich, den Gebrauch sexistischer und xenophober Denkmuster zu vermeiden. Von daher fehlt mir jede Erfahrung. Und schweigen sei klüger und philosophischer – so sagt man. Denn ohne Sprache kein Rassismus, selbst wenn er sich mit roher Gewalt artikuliert. „Rasse“ gibt es nur als sprachliches Konzept. Jenseits von Sprache sind weder Fremde noch Feindlichkeit überhaupt denkbar. Also läuft nur, wer schweigt, nicht Gefahr, rassistisch zu reden.
Derzeit scheint es aber, als mache sich in besonderem Maße des Rassismus schuldig, wer diesen kritisiert. So gilt nicht etwa der grassierende Rassismus als Ursache dafür, dass mit Donald Trump ein bekennender Rassist und Chauvinist Präsident der USA wird. Nein, die Gegenseite soll zu penetrant eine diskriminierungsarme Sprache eingefordert haben – die als „Political Correctness“ diffamiert wird.
„Political Correctness“, dieser Ausdruck wurde schon im 18. Jahrhundert vom Supreme Court geprägt. Doch populär wurde der Begriff erst ab den 1970er Jahren. Seither habe es „nur Kampagnen gegen die sogenannte Political Correctess gegeben“, schrieb die Publizistin Moira Weigel kürzlich im Guardian. Es sei in den vergangenen 25 Jahren eine Lieblingstaktik der Rechten gewesen, mithilfe dieses Mythos einen vagen und sich stets wandelnden Feind zu beschwören. In Deutschland gilt das in noch stärkerem Maße. Hier war der Ausdruck stets nur Kampfbegriff der Reaktion, eine Diffamierung von Rücksichtnahme auf Minderheiten und Schwächere.
Daher befremdet es, zu sehen, wie er nun auch in die Rhetorik von SPD und Grünen Einzug hält. Diese Parteien hatten bis dato Wert darauf gelegt, wenn schon nicht als links, so doch wenigstens als emanzipatorisch zu gelten. Damit ist offenbar Schluss: „Wir dürfen es mit der Political Correctness nicht übertreiben“, sagte etwa der Star-Grüne Winfried Kretschmann. Polizeiliche Kriminalstatistiken verzeichnen eine Zunahme fremdenfeindlicher Gewalttaten, die Mitte-Studie eine Zunahme rassistischer Einstellungen in Deutschland.
Belege eher als Anekdoten
Doch die Belege für eine angeblich maßlose Political Correctness, die alle Leute ständig zwingt, ihren befreienden Rassismus bei sich zu behalten, verlieren sich im Anekdotischen. Meist beklagen sich männliche Professoren jenseits der 50, dass eines ihrer Seminare von Antira- oder LBGT-Aktivist_innen gestört wurde, mit denen zu diskutieren sie sich nicht getraut hätten. „Wir werden eingeschüchtert“, heißt es dann. Political Correctness kommt nur als Karikatur vor; als Zerrbild von Diskursen, die versuchen, die Mehrheitssprache zu kritisieren und die Gewalt und autoritäre Struktur der Mehrheitskultur anzugreifen. Der Streit für eine menschliche Sprache wird zum Witz, spiegelt man ihn nur in seinen exzessiven Kämpfen um einzelne Wörter oder einem Kantinenstreit in einem US-amerikanischen Elitecollege.
Es geht nicht darum, ob der Studierende, der ein original vietnamesisches Softbaguette für sein BanhMi fordert, kulinarisch im Recht ist oder ob auch durch und durch rassistische, antisemitische Literatur wie der „Merchant of Venice“ oder „Othello“ ein bedeutendes Werk ist. Es geht um das Recht, das infrage zu stellen, was einem vorgesetzt wird. Darum, die sprachlich strukturierte Welt verändern zu können. Das ist ein linkes, wenn nicht sogar das linke Projekt.
Maßlos scheint vor diesem Hintergrund nicht der wie auch immer kurios argumentierende Protest gegen ein Mensaessen, sondern dass ihm die New York Times einen großen Artikel widmet – der wiederum weltweit aufgegriffen wird: In Hunderten Artikeln belegt dieser singuläre Protest an einem kleinen Elitecollege, dass sie es mit der Political Correctness, dem Antirassismus und der Kritik an kultureller Aneignung in den USA übertreiben.
Die Debatte: Die Linke debattiert darüber, wie sich eine inklusive und gleichberechtigte Gesellschaft erreichen lässt. Es herrscht dabei große Uneinigkeit über die Strategien antirassistischer Arbeit. Wer hat welche Deutungshoheit, wer hat wie viel Macht? Und wer ist bereitzu teilen?
Die Reihe: In einer wöchentlichen Reihe beleuchtet die taz die Aspekte der Debatte. Alle Beiträge unter www.taz.de/ueberrassismusreden
„Die Sprache als Performanz aller Rede ist weder reaktionär noch progressiv“, hatte der französische Sprachphilosoph Roland Barthes vor 40 Jahren konstatiert, „sie ist ganz einfach faschistisch.“ Das ist sicher eine böse Pointe und hoffentlich eine Übertreibung: Wer das glaubt, dem bleibt nur die Wahl zwischen Faschismus und der Sprachlosigkeit der Subalternen. In seiner haltlos-romantischen Ironie macht Barthes’ Diktum das Dilemma deutlich: Der Sprache ist zu misstrauen. Noch jedes Gute lässt sich durch einen einzigen Handgriff zum Übel machen. Jeder Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit kann als Neid, jede Forderung nach Selbstbestimmung als nationalistisch, jegliche Solidarität als paternalistisch betrachtet werden.
Emanzipation durch Sprache
Jemanden der Lächerlichkeit preiszugeben war schon früher ein sehr wirksames Mittel der Zurechtweisung für ein die Norm störendes Verhalten. Der demütigende Charakter dieser Maßnahme hilft, nicht nur die sprachliche Ordnung wiederherzustellen, sondern sie zugleich zu stabilisieren. Und trotzdem: Es gibt historische Hinweise darauf, dass Versuche der Emanzipation durch Sprache Erfolg haben können – trotz heftiger Verspottung. Im 17. Jahrhundert wurden Frauen, die sich nicht nur als Fickfleisch auf dem Heiratsmarkt verstanden wissen wollten, als „Preziöse“ geschmäht. In ihren Salons forcierten sie die Ausbildung von Medien zum Ausdruck von Gefühlen und zur Darstellung von Intimität. Die Männerwelt des Hofs hat das schwer verstört. In seiner Farce „Les Précieuses Ridicules“ (1659) lässt es Molière witzig erscheinen, dass seine Figuren Cathos und Madeleine auf einem Mindestmaß an dialogischer Anbahnung beharren, statt sofort in die arrangierte Ehe einzuwilligen.
Am Schluss des Stücks weiß der Mann sich nur durch Prügel durchzusetzen. Wer schlägt, siegt – aber nur vorläufig. Den langfristigeren Einfluss auf Gesellschaft, Literatur und Auswirkungen sogar in die tiefen Strukturen der Sprache hinein aber hatten am Ende die Preziösen. Wichtiger aber als der Sieg einer Sprecherinnengruppe ist der Weg dorthin: der Versuch, Sprache durch Sprache hassfrei zu gestalten, sie brüchig zu machen. Dabei geht es weniger um Tabuisierung des einzelnen Ausdrucks als ums Prinzip: „Die PC-Norm fördert den freien Ausdruck von Ideen eher, als ihn zu behindern“, schlussfolgert etwa die ForscherInnengruppe um Jack Goncalo, Professor für Organizational Behavior an der Cornell University, New York.
Die Freiheit wächst durch Regeln des verträglichen Umgangs. Das gilt allerdings nur in heterogenen Gruppen. Wer Freiheit des Gedankens nur für sich und die will, die er für Gleichgesinnte hält, dem ist durch Political Correctness nicht zu helfen. Aber auch nicht ohne sie.
Leser*innenkommentare
Kubatsch
"Keine Ahnung, ob ich befugt bin, über Rassismus zu sprechen."
Der erste Satz zeigt schon aus welcher Richtung dieser Wind kommt.
Im ganzen Artikel greift der Autor die Argumente der "anti social justice" Verfechter auf und besitzt die Frechheit diese für seine Perspektive arbeiten zu lassen. Die Perspektive der politisch Korrekten.
Dabei benutzt er selber die rhetorischen Mittel der Sprache um "Sprache" in sein Narrativ zu quetschen.
Benno hatte wohl noch nie:
- Rastalocken an der Uni getragen und wurde aufgefordert diese abzuschneiden, weil er weiß ist
- eine Lesung von prof. Janice Fiamengo besucht und miterlebt wie die Leute, die er hier verteidigt auf Töpfe schlagen und Feueralarme betätigen um Menschen Mundtot zu machen...soviel zur Sprache
- gesehen wie Dr. Warren Farrells Vorträge verhindert wurde, weil die ach so Gesprächsbereiten 3.Welle Schafe den Gebäudeeingang körperlich blockiert haben
- über schwarze Amerikaner gehört, die große Teile der BLM Bewegung kritisieren, die als "Verräter" gebrandmarkt werden
...und und und.
Sam Harris hat die Wählerflucht zu Trump richtig erfasst ohne rassistisch oder politisch Korrekt zu sein...es geht also doch!
https://www.youtube.com/watch?v=f27qaDQ1uG8
33523 (Profil gelöscht)
Gast
“Jenseits von Sprache sind weder Fremde noch Feindlichkeit überhaupt denkbar.”
Falsch. Ein Taubstummer kann ohne Probleme ein Rassist sein. Man kann ohne mit anderen Menschen in Kontakt zu treten seinem Rassismus keinen Ausruck verleihen, man kann aber sehrwohl dennoch einer sein.
“Nein, die Gegenseite soll zu penetrant eine diskriminierungsarme Sprache eingefordert haben...”
Sprache verändert sich über die Zeit. Das ist völlig normal. Die Änderungen die durch PC herbeigeführt werden sollen entstammen aber nicht einem gesellschaftlichen Konsens wie gewöhnliche Anpassungen der Sprache. PC ist der Versuch der Gesellschaft eine Sprache überzustülpen, die einer bestimmten politischen Richtung eine Deutungshoheit über den Diskurs zugesteht. Über diese Bevormundung ärgern sich viele Menschen und das zurecht. Etwas autoritäreres als Menschen vorzusetzen welche Worte sie nutzen und was sie ausdrücken dürfen gibt es ja bald nicht.
“... der Versuch, Sprache durch Sprache hassfrei zu gestalten, sie brüchig zu machen.”
Das Menschen die PC sind einen hassfreien Umgang fördern kann ich in keinster Weise bestätigen. Wer gegen weiße, heterosexuelle Männer, auf Basis dieser Attribute, keilt der ist nicht nur rassistisch und sexistisch, der fördert auch selber Hass.
Die dahinter stehende Idee Gleichheit durch, über einen sehr langen Zeitraum, gleichmäßig verteiltes Elend zu erreichen ist ein perverses Produkt postmodernistischer Verrenkungen.
“Die Freiheit wächst durch Regeln des verträglichen Umgangs.”
Na klar und immer dran denken: Krieg ist Frieden!
“Wer Freiheit des Gedankens nur für sich und die will, die er für Gleichgesinnte hält, dem ist durch Political Correctness nicht zu helfen.”
Meinen Sie das ernst? Dadurch schließen Sie ja mal eben 90% der PC Anhänger aus. Das sind größtenteils Sozialmarxisten die zu nichts anderem fähig sind als Gruppendenken und Frontenbildung.
80576 (Profil gelöscht)
Gast
@33523 (Profil gelöscht) Dem ist nichts hinzuzufügen. Danke!
Pancho
Haben Sie überhaupt versucht, dem Artikel zu folgen?
zu 1: Auch ein Taubstummer hat Sprache. Was für ein absurder Einwurf. Keine Sprache zu besitzen, pathologisch also Aphasiker zu sein, ist eine schwere Krankheit.
zu 2: "Gesellschaftlicher Konsens" und "Abstammung" der Begriffe sind schon immer zwei komplett unterschiedliche Dinge gewesen. Dass unterschiedliche politische Richtung im Einzelfall versuchen, den Prozess zu ihren Gunsten zu manipulieren, ist eine Phänomen, welches sich nicht auf ein Lager beschränkt. Jüngstes Beispiel: Der Sturm der Empörung, als durch Einzelpersonen gewagt wurde, das Vorgehen der Kölner Polizei als das zu bezeichnen, was es offensichtlich auch war, racial profiling. Gerade aber was Berufsverbote angeht, war bspw. die Linke in der Geschichte eher Opfer als Täter.
zu 3: Sprache ist ein Instrument der Macht. Die patriarchalische Machtstruktur ist in der Sprache zementiert. Das Gejammer (einiger) weißer heterosexueller Männer, ist an Absurdität nicht zu überbieten. "Jammern auf hohem Niveau" ist da fast noch ein Euphemismus.
zu 4: Den Krieg sehen und wollen Sie. Ihnen ist also "nicht zu helfen". Dafür "Negerkuss" sagen zu dürfen, verweigern Sie vorab jeden Versuch der Einigung. Das disqualifiziert nicht den Diskurs, nur Sie.
Alles in allem: Denken hilft!
849 (Profil gelöscht)
Gast
Zu 1): Rassismus hat überhaupt nichts mit Sprache zu tun, denn Rassismus ist ein Ressentiment, also ein Gefühl. Deshalb ist es auch müßig, Wörter "ausmerzen" zu wollen, denn damit wird nur am Symptom herumgedoktert.
Zu 3): Und diese Macht glauben Sie tatsächlich durch PC-Sprache brechen zu können? Wir reden also, wie z.B. in der DDR, dauernd von irgendwas in einer bestimmten Form und dann wird es wahr?
33523 (Profil gelöscht)
Gast
Ich habe versucht den Artikel zu verstehen. Ich kann die beschriebenen Konzepte zwar erfassen aber mich anschließen kann ich dem beschriebenem Unfug nicht.
zu 1.) Das könnte man so sagen, wenn die These gewesen wäre das nur das Vorhandensein von Sprache einen Menschen dazu befähigt die Welt zu beschreiben und zu bewerten. Das ist es aber nicht was der Autor gesagt hat.
zu 2.) Das widerspricht ja meiner Aussage nicht. Ich finde es auch debil so zu tun als wäre PC etwas das nur von Links kommt. Das ist zwar momentan tendenziell wahr aber vor ~10 Jahren kam PC vor allem von Rechts und wurde von Links bekämpft. Das Werkzeug PC ist grundsätzlich jeder politischen Strömung zugänglich die Gruppendenken mit ihren politischen Idealen vereinbaren kann.
zu 3.) Das ist einfach nur Unsinn. Sprache kann auch zu diesem Zweck genutzt werden aber das ist beileibe nicht ihr einziger Zweck. Die Reduktion des Zwecks von Sprache auf Kategorisierung und Marginalisierung sind postmodernistische Konstrukte die den Grundpfeiler vieler linker Ideologien von heute darstellen.
Der Postmodernismus ist als eine Art Ersatz-Kommunismus der Marxistische Gedanken vom Ökonomischen auf das Soziale überträgt. Das war zu der Zeit der einzige Weg diese Ideologie zu retten, da Maos Großer Sprung nach Vorne und ausführliche Berichte aus der UdSSR die moralische Glaubwürdigkeit des Kommunismus nachhaltig demoliert hatten.
zu 4.) Der Spruch Krieg ist Frieden kommt aus Orwells 1984. Lesen Sie das Buch ruhig mal.
Grisch
"Emanzipation durch Sprache"
dass Journalisten die Macht der Sprache überschätzen und Geschwätz gerne für das halten was es nicht ist, nämlich Realität, dürfte sicherlich auch beruflichen Blindheiten geschuldet sein.
Dass hingegen eine sinnvolle ordentliche Ausführung und fachgerechte Montage viel wichtiger für den Erolg im Leben sind, davon weiß jeder Handwerksgeselle ein Lied zu singen - oder fast jeder.
Oder anders verdeutlicht: Was Trump bisher gesagt hat mag uns verärgert oder verängstigt oder sonst was haben. Erst wenn er seine Ankündigungen wirklich umsetzt werden Menschen wirklich leiden.
37721 (Profil gelöscht)
Gast
Sind nicht unsere Sprache und Denken und unsere Diskriminierungsapparate sondergleichen, weil sie die Welt in Subjekt-Objektbeziehungen einteilen? Mit dem „sich in Beziehung setzen“, geht immer eine Trennung zwischen Ich und Nicht-Ich einher. Das ist im Übrigen keine hochtrabende Philosophie, sondern Tatsache. Gilt es nicht das zu berücksichtigen, wenn man über Diskriminierung, Rassismus und politische Korrektheit spricht, wenn man ernstgenommen werden will? Bedeutet es doch, dass wir stets auf des Messers Schneide tanzen. Wer nicht als totalitär gelten will, muss dies zumindest berücksichtigen.
849 (Profil gelöscht)
Gast
@37721 (Profil gelöscht) Indem Sie ein Ich sind, grenzen sie sich bereits gegen alle anderen Nichtiche ab. Dass ist die Bedingung Ihrer Existenz und insofern auch nicht hinterfragbar. Warum aus dem "sich in Beziehung setzen" notwendig eine Subjekt-Objekt-Beziehung folgen soll, erschließt sich mir zudem nicht. Ich habe zu den Menschen, mit denen ich verkehre, doch hoffentlich eher ein Subjekt-Subjekt-Verhältnis. Objekte können Menschen ja im Grunde nur werden, wenn man sie nicht als solche wahrnimmt.
Justin Teim
Ich finde es übertrieben, so viel trara um Begriffe zu machen die tradiert sind.
Der Unterschied zwischen einem Mohrenkopf und einer Wiener Wurst erschliesst sich mehr nicht.
Beides Nahrungsmittel und für mich postiv besetzt.
Wer etwas negieren möchte, wird sein Ziel immer erreichen.
rero
Der Artikel benennt klar, was das Problem ist: es geht nur darum, Sprache zu verändern. Dabei wird jedoch nicht das Denken verändert. Die Illusion mag sein, wenn es für etwas keine Sprache mehr gibt, wird es als auch niemand mehr denken.
In der Realität entstehen vielmehr Formen von Euphemismus-Tretmühlen. Ein Wort wird durch ein angeblich neutrales ersetzt. Dieses bekommt jedoch schnell dieselbe negative Konnotation. Zur Illustrierung: vor einiger Zeit gab es in einer Zeitung ein Bild von demonstrierenden Rechten, die Schilder mit der Aufschrift "Roma raus" trugen. "Roma" ist politisch korrekt, hat mit Sicherheit bei den Demonstranten nicht zu weniger Vorurteilen geführt.
PC ist nur ein Ausdruck für die Lücke, die zwischen Sprache und Denken entsteht. Und sie entsteht durch Definitionsmacht. Die Machtlosen müssen den Mund halten.
Selbst der Autor überlegt, ob er überhaupt sprechen - in diesem Fall schreiben - darf. Und das soll mehr Freiheit bedeuten?
mowgli
Möglich, dass "nicht Gefahr [läuft], rassistisch zu reden", wer schweigt. Rassistisch handeln kann er aber doch. Dafür reicht es, rassistisch zu denken. Weil der Mensch aber ohne Denken nichts ist, ist es keine Lösung, Menschen (wie dem KITA-Kind, das nicht still sein willen, wenn andere schlafen sollen) ein Pflaster auf den Mund zu kleben. Wer nicht mehr reden darf, der denkt nur um so mehr. Er kann bloß nicht mehr korrigiert werden, weil keiner weiß, was er so denkt.
Nicht die Sprache ist unser Problem. Unser Problem ist unser Umgang mit Fehlern – fremden und eigenen. Wo man aus seinen Fehlern nichts mehr lernen kann, weil man sie gar nicht machen darf, wenn man nicht abgestraft werden will, ohne auch nur die Chance zur Selbstverteidigung zu kriege (dann liefe ja der Strafende Gefahr, als Fehlermacher überführt zu werden), muss alles immer schlimmer werden.
Wenn P.C. heute "nur als Karikatur vor[kommt]" und "die Gewalt und autoritäre Struktur der Mehrheitskultur" nicht "anzugreifen" vermag, dann weil sie selbst Machtmittel geworden ist. Sie kann sich nicht dagegen wehren. Das müsste schon ihre Benutzer tun. Doch Selbstkritik ist nicht mit Macht vereinbar. Nicht da, wo die P.C. zu Hause ist. Trump ist der Deckel, der mit lautem Knall vom Topf geflogen ist. Der Topf steht aber weiter auf dem Herd.
Übrigens: Wenn es wirklich NICHT "darum [geht], ob der Studierende, der ein original vietnamesisches Softbaguette [...] fordert, kulinarisch im Recht" oder "'Othello' ein bedeutendes Werk ist", sondern darum, "das infrage zu stellen, was einem vorgesetzt wird", wieso wird das dann nicht so kommuniziert? Warum muss immer gleich ein "Hammer" her, mit dem man Leute zwar nicht überzeugen kann, aber zum Schweigen bringen?
Haben vielleicht zu viele Trumps das Schweigen gelernt, das Reden aber nicht? Und haben sie vielleicht gesagt bekommen, dass Siege (auch die um jeden Preis errungenen) das aller Wichtigste im Leben sind?
Karl Kraus
@mowgli Lebst du in einem Umfeld, in dem du mit PC schikaniert wirst?
Normalo
@mowgli Eindrücklicher kann man das Problem wohl kaum auf den Punkt bringen. Danke!
Kapiert
"Jenseits von Sprache sind weder Fremde noch Feindlichkeit überhaupt denkbar."
Das ist leider völliger Unsinn. Schon in der Natur ist das Erkennen von Vertrautem und Fremdem fest angelegt. Man denke nur an Mütter, die eigenen Nachwuchs von fremden unterscheiden.
Das Problem bei politischer Korrektheit ist auch nicht, Gruppen korrekt zu benennen. Das Problem ist, wenn Informationen nicht veröffentlicht oder beiseite geschoben werden, weil sie dieser oder jener Gruppe nützen bzw. nicht nützen.
nzuli sana
Es wird von focus, Cicero und von Pegida gleichermaßen gefordert, endlich die Wahrheit sagen zu können:
dass die Flüchtlinge "Sexjihadisten" sind und "unser Land angreifen" wollen.
Genau.
gegen die "political correctness" gefordert wird die Differenzierung nebst Unschuldsvermutung aufzugeben, um Gefahr vom "Deutschen Volk" abzuwenden.
So funktioniert rechte Propaganda.
Noch Schlimmeres wollen linke Initiativen:
endlich Gleichberechtigung der Individuen, keine Leiharbeit und keine rechtlosen Zustände mehr.
Vor allem kein Denken in Nationen mehr.
nzuli sana
Ursprünglich haben Rechte Intellektuelle den Begriff der "Political Correctness" geprägt um damit den Linken vorzuwerfen, ihnen gehe es ja nur um die Fassade, Inszenierung, das korrekte Auftreten.
Nein, links war ursprünglich "alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein unterdrücktes beleidigtes Wesen ist".
links war also mit viel Tiefenwirkung, nicht allein Maskerade.
Der neue Mensch würde dann nicht mehr rassistisch sein und auch keine frauenfeindlichen oder stereotypen Sprüche mehr bringen.
Rechts ist meist eine Reaktion auf Veränderungsdruck.
Populismus ist autoritär und der Führer braucht dafür unbedingt eine Medienbühne.
Die Keimzellen der Umwälzung brauchen keine Inszenierung, denn sie sind echt.
Franco Bellettini
" Darum , die sprachlich strukturierte
Welt veränder zu können . Das
ist ein linkes , wenn nicht sogar
das ( sic .) linke Projekt .
Das eine politisch korrekte Sprache
DAS " linke " Projekt sein soll ist an
Realitätsferne kaum noch zu überbieten .
Sprache die nicht aus einer relevanten linken Praxis heraus entsteht ist nicht
zu verankern .
Werner W.
Benno Schirrmeister sagt doch ganz deutlich worum es überhaupt geht: "Diskurse, die versuchen, die Mehrheitssprache zu kritisieren und die .... Mehrheitskultur anzugreifen"
Sprich: Die Meinungen der Mehrheit erst unsagbar und dann undenkbar zu machen und so durch die massenweise Aufstellung von Geßlerhüten die Macht über diejenigen zu erringen, die anderer Meinung sind.
Die durchsichtige Taktik ist doch nur dem argumentativen Streit aus dem Wege zu gehen und mit dem Mittel der Sprache eine Abkürzung zu finden. Diese Abkürzung besteht aber im wesentlichen aus Denkverboten. Und auf Denkverbote - wie immer sie auch durchgesetzt werden - folgen gewöhnlich Berufsverbote, Knast und Lager.
Das "man" sich dagegen wehrt ist ja nur natürlich und erwartbar.
Ja, das ist unangenehm. Aber so ist diese Welt nun einmal.
Wobei natürlich auch die Rechten ihre Sprachregelungen haben, die sie für allgemeingültig erklären lassen wollen. Es ist keine Frage, daß man sich solcher Taktiken grundsätzlich erwehren sollte.
Karl Kraus
Dein "Sprich" usw. kann ich in dem von dir angeführten Zitat nicht erkennen. Dass die Mehrheit nun - mutatis mutandis - Opfer von Minderheiten wird, das ist sogar richtig lustig gedacht.
Schon mal überlegt, dass die Berufsverbote und all das Zeug von Minderheiten gar nicht durchgesetzt werden können?
Werner W.
Genau das - die Herrschaft von Minderheiten über die Mehrheit - ist doch regelmäßig das was mit der Herrschaft über die Sprache von rechts wie links regelmäßig angestrebt wird.
Und genau dagegen müssen wir alle uns wehren.
Und natürlich können Minderheiten herrschen.
Dr. McSchreck
@Werner W. es zeichnet sogar die meisten Diktaturen aus, dass eine Minderheit über die Mehrheit herrscht. Hiermit meine ich jetzt echte Diktaturen, nicht Sprachkritik o.ä.
Werner W.
Und in Diktaturen gibt es regelmäßig eine Sprachregelung. 1984 hatte als Vorlage die Sowjetunion.
Es ist doch egal ob erst die Sprachregelung und dann die Diktatur kommt oder umgekehrt. Beides läuft auf dasselbe hinaus und muß daher im Keim erstickt werden.
Lowandorder
;) - Volkers Mund -
"Durch diese kahle Hose muß er kommen!"
571 (Profil gelöscht)
Gast
"Durch diese kahle Hose muß er kommen!"
Es führt kein andrer Weg nach Küßnacht.
Anarchohörnchen
Einmal vorweg: Ich bin für PC und ich finde es gut, dass die taz sich so intensiv mit Rassismus auseinander setzt, auch wenn ich oft mit vielen Dingen nicht mitgehen kann. So auch hier:
"Keine Ahnung, ob ich befugt bin, über Rassismus zu sprechen."
Wie kann mensch denn unbefugt sein? Rassismus geht uns alle etwas an.
" Denn ohne Sprache kein Rassismus, selbst wenn er sich mit roher Gewalt artikuliert. „Rasse“ gibt es nur als sprachliches Konzept."
*Sakasmusmode on.* Achso. In Emotionen wie Hass kann sich Rassismus also nicht manifestieren. Und wenn wieder Flüchtlingsheime brennen, dann nur, weil jemand gerade das N-Wort gesagt hat. *Samasmusmode off*
"Darum, die sprachlich strukturierte Welt verändern zu können. Das ist ein linkes, wenn nicht sogar das linke Projekt."
Gute Nacht. Es gab mal Zeiten, da war es das Ziel der linken eine befreite emanzipatorische Gesellschaft zu verwirklichen. Jetzt liegt der Fokus allein auf Sprache. Aber wie kann eine diskriminierungsfreie Sprache, den für uns schuftenden Sklaven in der dritten Welt helfen?Sprache verändern ist wichtig. Es wird in letzter Zeit aber völlig überbewertet. Und das ist tatsächlich Gefährlich, weil viele Probleme und Baustellen aus dem Fokus geraten.
"Die Freiheit wächst durch Regeln des verträglichen Umgangs."
Das ist prinzipiell richtig. Es ist aber wichtig, dass diese Regeln gleichzeitig so gering wie möglich gehalten werden
Anarchohörnchen
@Anarchohörnchen Eins hatte ich noch vergessen. Das sich die Debatte in letzter Zeit so sehr um Sprache oder Konzepte wie "kulturelle Aneignung" dreht zeugt von der zunehmenden akademisierung der linken. Das geht aber leider an der Lebensrealität der meisten Menschen (auch der meisten Poc) vorbei.
hessebub
Absolut richtig. Die Fetischisierung von Sprache der postmodernen Linken war leider ein Ausdruck des Rückzugs aus dem Kampf um die Gesellschaft in den akademischen Elfenbeinturm. und der ist in den letzten Jahren zur gemütlichen Echokammer ausgebaut worden.
"I'm safe in here, Irrelevant [...]
"My voice just echoes off these walls"
wie Trent Reznor so trefflich singt.
Lowandorder
Danke - ahl Hessebub. Glatt vermißt!;) &
Da reden die Leute so un-pc - ;)
Von - "Die blinde Hesse komme."
kurz - You made my day.
(ps - "Es ist doch längst wieder so weit -
Daß die den ollen Jöhten denen heftigst -
Vorhalten - Die ihn gelesen haben!"
(nich - das ich dess hätte;)
Ja - da sind dem Meister aller Tassen scheint´s -
Die Pferde ungeschirrt durchgegangen - wa!
Oder mit H.R. - "Sagen - was man denkt & -
Vorher was gedacht haben - wäre fein."
Danke Harry - auf welcher Wolke auch immer.-;)
Yoven
"Dabei galt es mal als links, Bestehendes infragezustellen."
Exakt. Und deshalb hinterfragt man jetzt eben die Politische Korrektheit.
Für mich ist das völlig in der Tradition linken Denkens. Es geht darum die Sprachregelungen, die von der politischen Korrektheit vorgegeben werden und mit teilweise sehr skurillen Mitteln durchgesetzt werden (No-Platform-Approach, Rassismus/Sexismusvorwürfe für kleinste Nuancen, Respektlosigkeiten und sprachliche Schlampereien) kritisch zu hinterfragen.
80 Prozent
Dabei galt es mal als links, gegen die Missstände ins Feld zu ziehen und nicht an Symptomen wie der Sprache herumzudoktern. Da liegt das Problem.
hessebub
2. Othello und Merchant of Venice als "durch und durch" rassistisch und antisemitisch.Wieder die begriffgeschichtlicheUnschärfe, um nicht zu sagen Ignoranz. Zu Shakespeares Zeiten gabe es gar keinen rassischen Antisemitismus oder überhaupt einen biologischen Rassebegriff. Antijudaismus war ein rein religiös-theologisches Konzept (dessen Elemente zweifellos großen einbfluß auf den späterenb Antisemitismus hatten). Auch Rassismus in unserem heutigen Verständnis des Begriffs war im elizabethanischen England unbekannt - er entwickelte sich als Legitimationsstrategie im Laufe des euro-afrikanischen Sklavenhandels in Tandem mit aufklärerischen Ideen und wurde in den USA spätestens mit dem Postulat universaler Gleichheit aller Menschen als politischem Grundprinzip elementar zur Begründung der Sklaverei ("Schwarze als Untermenschen sind vom Gleichheitsdiskurs ausgeschlossen). Über das "durch und durch," also die Unterstellung Rassismus und Antisemitismus sind dier Kernideologien dieser Stücke brauchen wir dann nicht mehr zu reden, oder? Diese Aussagen haben das Reflexionsniveau eines Kreationisten, der über die Evolutionstheorie herzieht.
Herr Schirrmeister schreibt: "Die Freiheit wächst durch Regeln des verträglichen Umgangs. Das gilt allerdings nur in heterogenen Gruppen. Wer Freiheit des Gedankens nur für sich und die will, die er für Gleichgesinnte hält, dem ist durch Political Correctness nicht zu helfen." Das Problem scheint mir, das viele Verfechter der PC inzwischen in ihrer eigenen homogensierten Filterblase sitzen und zu einer differenzierten Sprachkritik und damit einem genuinen Diskurs, in dem man sich gegenseitig bei aller Heterogenität zuhört nicht mehr in der Lage sind. Insofern eine richtige aussage, die auch ins eigene Poesiealbum geschrieben gehört.
lions
"Zu Shakespeares Zeiten gabe es gar keinen rassischen Antisemitismus oder überhaupt einen biologischen Rassebegriff."
Googeln Sie mal nach: Limpieza de sangre bezüglich Reconquista ! Das wurde noch vor Shakespeare begründet.
hessebub
Nur wikipedia, aber:
"Insofern gilt es heute in der Forschung als eine VORSTUFE des Rassismus und als frühe Parallele zu den Nürnberger Rassegesetzen von 1935.[34] Eine direkte Kontinuitätslinie in dem Sinne, dass sich die Nationalsozialisten an dem spanischen Konzept der limpieza de sangre orientiert oder sich darauf berufen hätten, besteht, wie der deutsch-kolumbianische Historiker Max Sebastián Hering Torres argumentiert, aber nicht.[35] Dagegen ist darauf hingewiesen worden, dass vormoderne Vorstellungen von ritueller Reinheit und Infamie eine große Rolle spielten und auch Christen und deren Nachfahren betreffen konnten, die von der Inquisition verurteilt worden waren."
Und hier noch eine Lesart Othellos als anti-rassistisch: https://www.bl.uk/shakespeare/articles/racism-misogyny-and-motiveless-malignity-in-othello
Der Punkt ist, man kann über vieles diskutieren, aber in manchen (!) PC-Kreisen, gerasde den social media geprägten, herrscht leider inzwischen eine diskursverweigernde Apodiktik und eine differnzierungsunfähige oder -unwillige binäre gut-böse Logik, gerne gepaart mit einer einer Gekränktheitshaltung, die andere Sichtweisen a priori delegitimiert. Strukturell der Haltung vieler Neurechten recht ähnlich. nicht, dass mich das verwundert, "Idiotie" ist ja kein rechtes Monopol und neben einem intelligenten, anschlussfähigen und humanitären Marxismus gabe es ja auch and den Unis immer dogmatisch-intolerante und totalitäre K-Gruppen.
Dr. McSchreck
eine der ernüchternsten Erkenntisse meines Lebens war tatsächlich, dass es auf der linken Seite des politischen Spektrums genauso viele Dummköpfe gibt wie auf der Rechten, die nur nachplappern, was sie nicht verstehen und ihre Meinung nur haben, weil sie Teil der Gruppe sein wollen. Gerade unter den "Veranstaltungssprengern" sind auch viele, die einfach genießen Macht auszuüben.
Der Gedanke, dass Linke immer die Guten sind, ist leider nicht richtig.
Lowandorder
Dazu mal einen aus der Kiste -
Wir damals in den Ardennen!;)
Prof. Ernst Wolf Mbg/Lahn - Vorlesung BGB AT -
Sommersemester 1968 wurde völlig zu recht gesprengt.
Alle weisen heute gern den Stempel -
Im Studienbuch vor - "Nicht anerkannt" !;))
Bei der anschließenden Hörsaalversammlung:
"Hört mal - ihr seid doch alle so 5./6.Semester!
Son Teil müßtet ihr doch locker hinkriegen!"
Upps! Neben mir - einer derer entert den Sitz -
"Die Uni gehört uns.!" Rauschender Beifall.
Dieselben holten später den Repetitor Alpmann Schmidt
An die Uni - Weil sie Schiß vorm Examen hatten.
Mir war das Geld dafür zu schade. &
Solches in verschiedenen Varianten - ala long!
kurz - Gerne genommen bei gelegentlichen Treffen!;))
Yes. Not amused.
hessebub
Der Text von Herrn Schirrmeister ist ein trauriges Beispiel dafür zu was "politische Korrektheit" in manchen Kreisen inzwischen verkommen ist: einem zur sprachlichen Differenzierung und Kontextualisierung scheinbar unfähigen semantischen Fundamentalismus.
Beispiel 1: die scheinbar ernstgemeinte Behauptung die Aussage "politically correct" in Chisholm v. Georgia, dem Supreme Court Urteil von 1793 habe begriffgeschichtlich irgendeine Verbindung mit dem aktuellen Konzept der political correctness. "not politically correct" bezieht sich hier auf einen Diskurs über die Natur der föderalen Ordnung der USA. Es reicht hier also ein kontextfrei gegoogelter Begriff, um eine gänzlich unreflektierte Aussage zu triggern: "PC als Begriff gab es schon im 18. Jahrundert." Gratuliere, Spitzenjournalismus!
Fortsetzung folgt
Normalo
Ob ich das Ziel einer Kampagne nun "Political Correctness", "menschliche Sprache" oder - richtig rigide - "PC-Norm" nenne, sie bleibt das gleiche: Ein bewusster Angriff auf jene Sprachgewohnheiten Anderer, die man für (zur eigenen ideologischen Welt) unpassend hält. Und das ist KEINE Erfindung der Reaktion. Der Autor bestätigt selbst mit seinem Plädoyer für gesellschaftliche Veränderung durch Sprache die Tendenz zu politisch motivierten Eingriffe in den Sprachgebrauch. Denen wohnt es inne, dass sie nicht nur gewünschte Formulierungen produzieren sondern auch die unerwünschten ächten und die Verwender herabwürdigen: Wer "Neger" sagt, ist ein Rassist - suggerieren die, die meinen, eine bessere Bezeichnung gefunden zu haben. Insofern ist der ganze erste Teil des Artikels leider selbst nur eine auf sprachlichen Feinheiten abhebende Verklärung der Realität.
Daneben aber hat die aktive Durchsetzung von diskriminierungsfreier Sprache noch einen viel größeren Haken: Sie ist logisch gar nicht machbar ohne eine Perpetuierung des Unterschiedsdenkens. Wer ausdrücklich und bewusst auf nicht-diskriminierende Bezeichnungen für bestimmte Menschen oder Vorgänge achtet, kann gar nicht umhin, zunächst einmal die Unterschiede, auf denen die Diskriminierung basiert, in den Vordergrund seiner Betrachtung zu stellen - UND das potenzielle Objekt politisch unkorrekter Bezeichnungen primär in eine Opferrolle zu schieben. Auch das ist diskriminierend.
Und daher kommt auch der Vorwurf der Übertreibung: Wer ohne diskriminierende Hintergedanken durchs Leben geht, aber ständig von irgendwem darauf aufmerksam gemacht wird, dass er nur ja nicht Dieses und Jenes zu Jenem und Welchem sagen darf, der sieht irgendwann nicht mehr den Gegenüber, sondern nur noch die Anhäufung der Sensibilitäten, die er bei ihm verletzen könnte. Das entmenschlicht, engt die Interaktion ein und schafft letztlich Ressentiments nicht nur gegen die Zwänge an sich sondern auch gegen deren intendierte Schutzobjekte.
rero
@Normalo Sie haben recht. Wenn Farbenblindheit unerwünscht ist, werden genau die rassistischen Schablonen tradiert, die ja eigentlich abgeschafft werden sollen.
Dr. McSchreck
Meist beklagen sich männliche Professoren jenseits der 50, dass eines ihrer Seminare von Antira- oder LBGT-Aktivist_innen gestört wurde, mit denen zu diskutieren sie sich nicht getraut hätten....das ist mir dann doch zu einfach. Wie diskutiert man denn mit Leuten, die nur Brüllen oder in Trillerpfeifen blasen? Es hat wohl weniger mit Trauen als mit Verweigerung jeder Diskussion zu tun. Wir sind die Guten, wir wissen, was richtig ist und daher müssen wir auch nichts diskutieren.
DAS ist die "übertriebene" Politische Korrektheit, die kritisiert wird.
Wer sich der Diskussion stellt, der kann kaum kritisiert werden. Kritisiert wird, wer glaubt, von vornherein Recht zu haben und als kleine Minderheit die Regeln bestimmen zu dürfen, ohne Möglichkeit der Diskussion.
Liberal
Der männliche (womöglich weiße) über 50 - das, was für Pegida-Spaziergänger der Flüchtling ist: Das Erklärungsmodell allen Übels.
" Meist beklagen sich männliche Professoren jenseits der 50,"
...oder Janice Fiamengo von der University of Ottawa
"dass eines ihrer Seminare von Antira- oder LBGT-Aktivist_innen gestört wurde dass eines ihrer Seminare von Antira- oder LBGT-Aktivist_innen gestört wurde"
...mit Feueralarm, dem Versuch, andere am Besuch der Veranstaltungen zu hindern...
"mit denen zu diskutieren sie sich nicht getraut hätten."
...mit denen es zu diskutieren nicht möglich gewesen wäre, weil es nicht auf der Agenda der Akti*vist_Innen_*_Innen steht, sondern weil es zum erklärten Handlungskonzept dieser*_Innen* gehört, notfalls die kompletten Karrieren ihrer Widersacher zu zerstören.
lulu schlawiner
@Liberal wie scharfsinnig
Georg Dallmann
Der Autor VERKENNT in seinem Plädoyer für die political correctness etwas wesentliches:
Die Debatte richtet sich - jedenfalls mehrheitlich - gerade NICHT gegen die - korrekte - , d.h. wohlverstandene political correctness.
Stein des Anstoßes - und dies zu Recht (!) - ist die seit längerem gängige Praxis in Politik, und Medien, bestimmte SACHVERHALTE und WAHRHEITEN schlicht gar nicht mehr zu benennen, anzusprechen und zu thematisieren, WEIL (!) es sich um Menschen mit Migrationshintergrund handelt.
ECHTE (!!) PROBLEME und FEHLENTWICKLUNGEN werden schlicht TOTGESCHWIEGEN, nur WEIL (!) es sich um Migranten handelt, von denen sie ausgehen oder in deren Reihen sie - nun mal - bevorzugt auftreten (gleich worum es sich im Einzelfall handelt).
Es geht hier nicht in erster Linie um "sprachliche" Korrektheit, sondern es geht um WAHRHEIT und INFORMATIONSUNTERDRÜCKUNG. Das ist nicht dasselbe, sondern ein PROBLEM das sich gewaschen hat.
Dabei handelt es sich um nichts Geringeres als ZENSUR, und damit um einen widerrechtlichen Eingriff in die Werteordnung des GG.
Hinzu kommt: WER - wie nicht nur aber vor allem - die LINKEN und GRÜNEN jede Kritik an ihren Positionen, jede abweichende Meinung zu Fehlverhalten von Flüchtlingen pauschal als RECHTSPOPULISMUS (oder schlimmeres) diffamiert und denunziert, kämpft in Wahrheit gegen die Meinungsfreiheit ebenso wie gegen das Gebot offener und ungeschminkter Information der Öffentlichkeit.
Mit "political correctness" oder "Sprachhygiene" hat das rein gar nichts zu tun, sehr viel aber mit Meinungs- und Informationsunterdrückung. Das ist ein GEWALTIGER Unterschied. Insofern, ist die LINKE in der Bringschuld, was einen offenen und fairen Diskurs über - auch unangenehme - Themen in einer offenen Gesellschaft anbelangt.
sart
Lieber Herr Capslock,
echte Probleme und Fehlentwicklungen werden thematisiert und nicht totgeschwiegen, wie sie behaupten. Dies geschieht allerdings tatsächlich zurückhaltend. Aber nicht, weil es sich um Migranten handelt, sondern weil niemand gerne den rechten Hetzern Futter liefert. Einer vernünftigen Diskussion steht nicht primär die zurückhaltende Berichterstattung im Weg, sondern die rechten Hetzer, die nicht an einer Diskussion interessiert sind, die Fakten, die ihnen nicht passen, als Lügen bezeichnen und alles, was ihnen in den Kram passt, aufbauscht.
Bezüglich dem Vorwurf der Zensur wäre ich etwas zurückhaltender, wenn ich wie Sie keine Ahnung hätte. Bei Zensur handelt es sich um eine repressive staatliche Maßnahme. Eine selbstgewählte zurückhaltende Berichterstattung der Medien ist somit keine Zensur und auch nicht grundgesetzwidrig.
In der Bringschuld ist bezüglich des offenen Diskurses zudem nicht die Linke, sondern die Rechte, die gerne mit dem Vorwurf der Lügenpresse kommt, selbst aber lügt ohne Ende. Beispielsweise bei der Behauptung, unangenehme Themen würden totgeschwiegen werden. Oder bei der Behauptung, hierbei würde es sich um Zensur handeln.
Kubatsch
"...echte Probleme und Fehlentwicklungen werden thematisiert und nicht totgeschwiegen, wie sie behaupten. Dies geschieht allerdings tatsächlich zurückhaltend. Aber nicht, weil es sich um Migranten handelt, sondern weil niemand gerne den rechten Hetzern Futter liefert."
Genau diese Zurückhaltung gibt Rechten Futter und ist überhaupt das falscheste was man machen kann.
Die fehlende mediale Aufmerksamkeit (direkt) nach Köln war nicht taktische Zurückhaltung sondern polit/soziale Inkompetenz.
"Einer vernünftigen Diskussion steht nicht primär die zurückhaltende Berichterstattung im Weg, sondern die rechten Hetzer, die nicht an einer Diskussion interessiert sind..."
Rechte wollen nicht reden also sind sie schuld?
Rechte tun nur was Rechte können: sie sind dumm wie Brot! Und Dumme wird es immer geben.
SCHULD, aber, sind die alten Parteien, die unfähig sind der AFD die Stirn zu bieten und durch quälende Passivität in Wort und Tat mehr Schaden anrichten als sie denken.
Lowandorder
@sart ;))
Ruhig Blut
@sart Das haben Sie schön ausgedrückt.
lulu schlawiner
@Georg Dallmann vortrefflicher kann man es nicht sagen. Danke TAZ für die Veröffentlichung des Kommentars.