US-Politik im UN-Sicherheitsrat: Trumps gefährliches Kalkül
Der US-Präsident unternimmt alles, um das internationale Atomabkommen mit Iran zu sabotieren. Vor allem die Europäer sollten dagegenhalten.

D ie seit Gründung der UNO größte Abstimmungsniederlage der USA im Sicherheitsrat war lange absehbar und wurde von der Trump-Administration ganz offensichtlich bewusst in Kauf genommen. Jetzt ist nach Auffassung der Strategen in Washington der Weg frei, dem Nuklearabkommen mit Iran, an dem die Vertragsstaaten Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland weiterhin festhalten, den Garaus zu machen.
Und das noch rechtzeitig vor den US-Präsidentschaftswahlen Anfang November, deren nach allen derzeitigen Umfragen voraussichtlicher Sieger Joe Biden den 2018 vollzogenen Austritt der USA aus dem Abkommen wieder rückgängig machen will.
Doch dieses Kalkül Trumps würde nur aufgehen, wenn Iran über die bisherigen kalkulierten Verstöße hinaus, mit denen Teheran seit Anfang 2019 auf die verschärften Sanktionen der USA und das Duckmäusertum der EU gegenüber diesen Sanktionen reagiert hat, ebenfalls ganz aus dem Abkommen aussteigen würde. Genau dazu will Trump die Führung in Teheran jetzt durch erneut verhängte und verschärfte Sanktionen provozieren.
Diese Konfliktstrategie birgt ein hohes, auch militärisches Eskalationsrisiko. Denn möglicherweise erliegt Trump der gefährlichen Illusion, ein Krieg mit Iran Ende Oktober könne die tief gespaltene US-Bevölkerung noch hinter ihm vereinen und ihm doch noch den Wahlsieg sichern. Die EU sollte daher alle diplomatischen Möglichkeiten nutzen, Teheran von einem Ausstieg aus dem Abkommen oder von anderen Eskalationsschritten abzuhalten.
Ein zeitlich begrenztes und auf besonders gefährliche Offensivwaffen beschränktes Embargo gegen Iran, das auch in Berlin, Paris und London befürwortet wird, ist dabei keineswegs falsch. Es würde in erster Linie Teherans Hauptlieferanten Russland und China betreffen.
Eine entsprechende Einigung im Sicherheitsrat wäre – wenn überhaupt – allerdings nur vorstellbar in einem Paket mit einem Waffenembargo gegen Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und alle anderen Staaten im Nahen Osten und Nordafrika, die ihre Waffen hauptsächlich aus den USA, Deutschland und anderen EU-Staaten erhalten und gegen Iran aufrüsten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen