US-Linker über Sturm aufs Kapitol: „Seit Frühling vor einem Putsch gewarnt“
Gegen die Gewalt von Faschisten am Kapitol hätten Gewerkschaften und Linke mobilisieren müssen, findet der US-Bürgerrechtler Bill Fletcher.
taz: Herr Fletcher, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie die Bilder vom Kapitol gesehen haben?
Bill Fletcher: Ich war nicht überrascht. Ich war einer jener wenigen Linken, die seit dem Frühling vor einem Putsch gewarnt haben. Aber erst Ende August, Anfang September haben die Leute angefangen, sich Sorgen zu machen. Es fühlte sich wie ein Feueralarm an. Viele Linke realisierten plötzlich, was eine wiedergewählte Trump-Regierung anrichten könnte. Aber selbst danach gab es noch eine Abneigung, das Nötige zu tun.
Was hätte denn Ihres Erachtens geschehen müssen?
Als klar war, dass die Faschisten am Mittwoch nach Washington kamen, wäre eine Massenmobilisierung nötig gewesen.
geboren 1954, hat in schwarzen Bürgerrechtsorganisationen, Gewerkschaften und in dem Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO und im TransAfrica Forum gearbeitet, sowie am Institute for Policy Studies gelehrt. Er hat mehrere Bücher über soziale Gerechtigkeit und Rassismus veröffentlicht. Und er arbeitet als Kommentator für linke Medien. Fletcher lebt in Washington.
Hätten linke Gegendemonstranten den Sturm auf das Kapitol verhindern können?
Das wissen wir nicht. Aber wenn Gewerkschaften und Bürgerrechtsgruppen zum Gegenprotest nach Washington mobilisiert hätten, wäre das Ziel gewesen, in der Überzahl zu sein. Wir haben oft gesehen, dass wir dann die Faschisten vertreiben können.
Haben Sie dafür Beispiele?
Nehmen Sie den KuKluxKlan. In den 90er Jahren lebte ich in Boston. Als der KuKluxKlan eine Demonstration ankündigte, zu der rund 100 Teilnehmer kamen, haben wir eine Gegendemonstration mit 1.000 Teilnehmern organisiert. Wir haben sie aus der Stadt vertrieben.
Der Sturm auf das Kapitol war aber deutlich größer.
Wir können auch Tausende mobilisieren.
Möglicherweise wäre es zu Gewalt gekommen.
Wer weiß. Aber was wir am Mittwoch gesehen haben, war Gewalt.
Wieso hat es am Mittwoch keinen Aufruf von Gewerkschaftern, Bürgerrechtlern und anderen Linken gegeben?
So etwas muss im Vorfeld geschehen. Am Mittwoch hatten die Faschisten eine Erlaubnis zu marschieren. Und die Stadtregierung von Washington hatte die Stadtbewohner aufgefordert, zu Hause zu bleiben.
Unter Trump war die Linke in den USA sehr aktiv. Wieso konnte sie gegenüber den Kongressstürmern nicht kollektiv reagieren?
Eines der Probleme der Linken in den USA ist, dass sie mangelhaft organisiert ist. Wir haben keine nennenswerte linke Partei. Nur ein paar kleine Organisationen, wie die Democratic Socialists of America. Sehr viele Linke sind gar nicht oder in sozialen Bewegungen engagiert. Dann haben wir Progressive, die nach strukturellen Veränderungen im Kapitalismus suchen. Uns hat die kohärente Strategie gefehlt. Unglücklicherweise haben viele Linke lange auch nicht die substanziellen Unterschiede zwischen neoliberalen Zentristen und rechten Populisten erkannt.
Erklären Sie doch mal den Unterschied.
Die Demokratische Partei hat sich die neoliberale Ökonomie in den späten 80er und frühen 90er Jahren zu Eigen gemacht. Bei den Republikanern ist dasselbe bereits in den späten 70er Jahren geschehen. In den sogenannten sozialen Fragen, wie Wahlrecht und individuelle Rechte sind viele Demokraten liberal. Aber ökonomisch sind sie neoliberale Fundamentalisten. Bill und Hillary Clinton sind klassische Beispiele. Auf der anderen Seite haben wir rechte Populisten wie Donald Trump. Sie sind rhetorisch oft gegen die neoliberale Ökonomie. Aber in der Praxis machen sie sie sich zu eigen. Sie reden davon, das System zu restrukturieren, aber sie wollen vor allem die weiße und die männliche Vorherrschaft verstärken. Anders als diese rechten Populisten bedrohen die Zentristen den demokratischen Kapitalismus nicht unmittelbar.
Wie kommt es, dass viele US-amerikanische Linke das Putsch-Risiko nicht gesehen haben?
Es ist eine Form des amerikanischen Exzeptionalismus, der auch linke und progressive Kreise erfasst hat. Viele glauben an die Widerstandsfähigkeit der US-Institutionen. Sie meinen, dass das System es korrigieren kann. Die realen Gefahren, die von der rechten populistischen Bewegung und von den Faschisten ausgehen, spielen sie herunter..
Als junger Mann standen Sie den Black Panthers nahe.
Ich war ein Sympathisant.
Was wäre am Mittwoch passiert, wenn eine Gruppe wie die Black Panthers den Kongress gestürmt hätten?
Wenn Linke massiv versucht hätten, das zu tun, was die Faschisten getan haben, dann würde es das Tian'anmen-Massaker wie ein Picknick aussehen lassen. Die Leute wären verhaftet und sie wären getötet worden. Am Mittwoch schien die Polizei seltsam unvorbereitet. Obwohl es tagelange Vorankündigungen gab. Und viele Polizisten haben die Putschisten sehr nett behandelt. Manche haben sogar Selfies mit ihnen gemacht.
Das polizeiliche Versagen ist auch deswegen erstaunlich, weil Washington so eine hohe Polizeidichte und jede Menge Erfahrungen mit Massenveranstaltungen hat.
Was wir gesehen haben, war Sympathie aus den Reihen der Polizei für die Faschisten. Ich habe an den Costa-Gavras-Film „Z“ gedacht, in dem es um die Vorbereitung des Putsches in Griechenland geht. Und die Durchdringung der griechischen Polizei mit Faschisten.
Nennen Sie alle Kongress-Stürmer Faschisten?
Ich benutze das Wort nicht leichthin. Der größere Teil jener, die Trump unterstützen, sind rechte Populisten. Die Faschisten sind eine Untergruppe. Am Mittwoch waren sie bewaffnet und darauf vorbereitet, Trump als autokratischen Führer zu installieren.
Und wie nennen Sie das, was die Kongress-Stürmer getan haben? Terrorismus? Verrat? Putschversuch?
Es war ein Putschversuch. Es war Terrorismus. Und es war Verrat. Aber wir müssen verstehen, dass die Gewalt, die wir am Mittwoch gesehen haben, nicht in einem Vakuum stattfindet. Diese Leute haben kein sonderbares Gebräu getrunken oder Methamphetamin geraucht. Sie haben ein Weltbild, in dem den Weißen die Kontrolle über die USA genommen wird und die USA vom Rest der Welt herumgeschubst werden. Und in dem Männer ihre Macht verlieren. Sie wollen eine weiße Republik. Und sie glauben, dass die Zeit reif dafür ist.
Es gibt Leute in den USA, die sagen, dass der Sturm auf den Kongress positive Konsequenzen hat, weil er die Republikanische Partei gespalten hat und weil Biden als Präsident bestätigt worden ist.
Der Mittwoch hat die Position der Obstruktionisten der Republikanischen Partei im Kongress verkompliziert. Aber wir müssen auch sehen, dass die Faschisten nicht verschwunden sind und dass auch die Opportunisten in der Republikanischen Partei, die mit dem Feuer gespielt haben, nicht verschwunden sind. Was jetzt passiert, hat sich seit 1968 entwickelt.
Wieso 1968?
Damals hat Richard Nixon als Antwort auf die George-Wallace- Kampagne die Southern Strategy konstruiert. Es war eine Weiße-Leute-Strategie. Ziel war es, weiße Wähler von der Demokratischen Partei wegzulocken. Seither identifiziert sich die Republikanische Partei selbst als Nicht-Schwarze-Partei und beschreibt die Demokraten als die Partei der Minderheiten und als die Partei, die Dinge an Leute vergibt, die sie nicht verdienen. Um ihren Kern zu stärken, haben die Republikaner die Liberalen aus ihrer Partei verdrängt und sie zu einer harten rechten Partei gemacht. Die Republikaner sind die einzige Partei in der fortgeschrittenen kapitalistischen Welt, die Wähler-Unterdrückung zu einem zentralen Bestandteil ihrer Machtstrategie gemacht hat.
Welche die Konsequenzen hat der Mittwoch?
Eine ist, dass strafrechtliche Verfolgung gegen jeden Beteiligten – inklusive Trump, wegen Aufrufen zu Aufruhr – und Ermittlungen über die Polizei nötig sind. Eine andere, dass es in der Republikanischen Partei Spaltungen gibt. Es könnte eine dreifache Spaltung werden, bei der es einerseits die Trumpster, andererseits jene, die zurück zur Normalität wollen und dann die Zentristen vom Lincoln-Project und Leute geben wird, die davon angewidert sind, wohin die Partei gegangen ist. Das muss nicht unbedingt zu getrennten Parteien führen, aber zu einer De-Facto-Spaltung im Inneren der Partei.
Der künftige demokratische Präsident hat am Mittwoch mehrere Stunden vor Trump zur Öffentlichkeit gesprochen. Joe Biden hat den Sturm auf das Kapitol verurteilt. Aber er klang nicht unbedingt kämpferisch.
Biden glaubt immer noch, dass seine Rolle es ist, uns alle zusammen zu bringen. Gut war, dass er die Putschisten als Aufständische und nicht als Demonstranten bezeichnet hat. Das war wichtig.
Sehen Sie eine Chance, dass der 25. Verfassungszusatz und ein neues Impeachment-Verfahren gegen Trump angewandt werden?
Es gibt noch zu viele Unklarheiten, um das vorherzusagen. Zum Beispiel hat Vizepräsident Pence am Mittwoch angefangen, Entscheidungen zu fällen, die normalerweise ein Präsident fällt. Wir wissen nicht, ob das ein Mini-Coup im Inneren des Kabinetts war, der Trump bereits im Wesentlichen entmachtet hat.
Welche Rolle haben nach Mittwoch die Gewerkschaften, die Bürgerrechtsgruppen, die Zivilgesellschaft?
Sie müssen Druck auf die Biden-Regierung ausüben, damit sie die Faschisten zur Rechenschaft zieht und damit sie jene aus dem Kongress entfernt, die geholfen haben, die Gewalt anzustiften.
Wird es Streiks, Demonstrationen, Petitionen an der Basis geben?
Wir müssen jede Taktik anwenden, die nötig ist, um die Biden-Regierung dazu zu bringen, das Nötige zu tun. Der Mittwoch muss ein Weckruf sein. In Opposition gegen die Rechten müssen wir die neue Mehrheit stärken, müssen wir die Leute stärken, die für Biden gestimmt haben, und müssen wir jene stärken, die in Georgia zwei demokratische Senatoren gewählt haben. Wir müssen um die Macht kämpfen. Dazu reichen defensive Aktionen nicht. Wir brauchen permanente Organisationen. Zwischen jetzt und den Zwischenwahlen in zwei Jahren müssen wir in den Bundesstaaten stärkere Blocks bilden, um das Gleichgewicht der Macht zu verschieben. Denn so lange die Rechten – inklusive die zentristische Rechte – so viel legislative Macht in den Bundesstaaten haben, stecken wir fest.
Leser*innenkommentare
164 (Profil gelöscht)
Gast
Naja - die haben versucht die Bestätigung des gewählten Präsidenten durch das Parlament zu verhindern. Und nur weil ein Putschversuch nicht erfolgreich war (wahrscheinlich sogar von vorne herein zum Scheitern verurteilt), so bleibt es doch ein Putschversuch...
164 (Profil gelöscht)
Gast
@164 (Profil gelöscht) ... wollte ich @DRMCSCHRECK entgegnen...
Dr. McSchreck
@164 (Profil gelöscht) das überzeugt mich nicht wirklich. Einen Putschversuch gab es in der Türkei, wo Teile des Militärs rebelliert haben. Hier war doch - wie Sie richtig in Klammern schreiben - nie eine Möglichkeit gegeben, dass es in den USA einen Umsturz geben würde, wo sogar große Teile der Republikaner nicht mehr Trumps Behauptung teilten, er sei der legitime Präsident. Genau darüber waren die Leute ja so empört - aber sie hatten weder Rückhalt bei Teilen der Politik noch beim Militär oder der Justiz. Hat irgendwer geglaubt am Abend, dass er am nächsten Morgen aufwacht und in den USA wurde der Machtwechsel verhindert.
Ich bin der Meinung, die ganz früh schon andere geäußert haben. Straßenschlachten gegen linke Gegendemonstranten wären weit schlimmer gewesen für die Zukunft der USA. Mit diesen Leuten wird man leicht fertig, sie sind isoliert bzw ich schätze die Gefahr ungefähr so ein, als würden in Deutschland Reichsbürger den Reichstag stürmen....das wäre auch nur ein kurzer Spuk.
164 (Profil gelöscht)
Gast
@Dr. McSchreck Klar - kann man so sehen. Allerdings ist doch auch klar: das war Trumps (vorerst) letzter Versuch an der Macht zu bleiben. Das darf man finde ich schon annehmen nach allem was er und seine Spießgesellen die letzten Wochen so abgezogen haben. Von Prozessen bis hin zu dem "perfect phonecall" mit dem Gouverneur von Georgia. Und hätte es geklappt, wäre er Präsident anstelle des legitim gewählten geblieben. Das wäre dann doch wohl ein erfolgreicher Staatsstreich/Putsch/Coup gewesen, oder? Da zählt die Intention.
Dr. McSchreck
@164 (Profil gelöscht) Nun, Prozesse sind ja ein legitimes Mittel. Und was den Rest betrifft war ja früh abzusehen, dass Trump hier nicht einmal die eigene Partei hinter sich hat. Ganz viele derjenigen, die er aufforderte, die Wahlergebnisse für ungültig zu erklären, waren ja Republikaner und auch Pence ist ihm ja nicht gefolgt.
Aber lassen wir es gut sein, man kann dazu sicher 2 Meinungen haben.
Joachim Petrick
Faschisten sind nach Zusammenbruch autoritativer Gesellschaftssysteme klerikal, säkularer Farben nach 1. Weltkrieg 1918 Gesinnungskriminelle, die gegen Gesetze, Verfassungen, gewaltbereit freischwebend „Kultur“ der Straflosigkeit auf Biegen Brechen Rechten Andersdenkender im Inneren, Äußeren zurückerlangen wollen.
Grundsee dessen, was wir am 6. Januar 2021 beim Sturm aufs Kapitol Washington D. C. erlebt haben, reicht zurück in US Präsidentschaft Stephen Grover Cleveland (*1837 † 1908) 1884 als der Henry Morton Stanley (Journalist, Afrikaforscher) zivil technischer Berater freien Handels, nach außen ohne koloniale Ambitionen, freien Handel als Mission freier Welt verpflichtet, wie die USA diesen bis heute kommunizieren, 20 Jahre nach Sklaverei Ende 1865 in USA durch US Präsidenten Abraham Lincoln (1809-1865) nach Berlin entsandte, Sklaverei in kolonialem Gewande, neben Reichskanzler Bismarck, Plazet zu geben für Bemühen belgischen König Leopold II im Kongo freien Handel nach dessen kolonialem Gusto, anders als britischer Gesandter, weil der Belgien außerstande sah, geordnetes Kolonialregime im Kongo zu etablieren, das unter privat königlicher GmbH Flagge bis 1908 verbrecherisch segelte
Reichskanzler Bismarck lud Vertreter USA, Osmanischen Reiches, Österreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Portugal, Russland, Spanien, Schweden-Norwegen (bis 1905 Personalunion) zu Kongokonferenz nach Berlin ein.
Auch wenn Linke Fundis global mit Parlamentarismus fremdeln, sollte sich US Linke solange Demokraten Kongress Mehrheit haben, schleunigst für Aktivierung Voting Rights Acts Präsident Lyndon B. Johnson 1965 zur gesetzlichen Kontrolle von Wahlen in Bundestaaten einsetzen, der ausgerechnet in Obama Ära 2010 durch republikanische Mehrheit im Kongress ausgesetzt wurde, weil Gesetzmäßigkeit der Wahlen in Bundesstaaten angeblich vollendet sei. Danach trat krasses Gegenteil ein (s. Bernie Sanders Buch „Unsere Revolution“ 2016. S 102)
Dr. McSchreck
??? Putsch? Die Leute haben doch nicht versucht, die Macht zu ergreifen oder das Militär aufgefordert, die Wahl Bidens zu verhindern. Man sollte bei manchen Worten doch etwas vorsichtiger sein.
Hampelstielz
@Dr. McSchreck Was war denn sonst das Ziel? Kaffeeklatsch im Kapitol?
V. Ohneland
@Dr. McSchreck "Die Leute" im Einzelnen nicht. Was aber ist mit ihrem Einpeitscher Trump? Befehlshaber über die National Guard in Washington, D.C.? Unterstützung der Polizeikräfte des Kapitols durch diese Bundeskräfte kam nur mit erheblicher Verzögerung.
Auch das Zurückhalten oder Nicht-Mobilisieren von Kräften gegen einen Mob durch eine (noch) amtierende Regierung ist ein Faktor in einem solchen Fall.
In der Gesamtschau war es ein Putschversuch durch Trump, wenn auch ein dilettantischer. Und "die Leute" waren ein Teil davon. Das kommt davon, wenn Schafe meinen, sie wären Teil des Rudels, weil sie einem Wolf hintertraben.
Betty Bos
@V. Ohneland Ich bin keine Expertin für Putsche, aber ich würde sagen, bei einem echten Putschversuch tut und organisiert man für die Durchführung des Putsches sinnvolle Dinge, statt die Gelegenheit und Zeit damit zu verbringen, Selfies und sonstige Fotos in diversen Posen zu schießen.
V. Ohneland
@Betty Bos Mittlerweile sind Informationen aufgetaucht, dass einige der Eindringlinge offenbar Mike Pence gesucht haben und ihn zwingen wollten, Trump zum Präsidenten auszurufen.
Ich weiß nicht, wieviel Putsch soll es denn noch sein? Wie unbedarft und uninformiert darf man als Mitläufer*in sein, um hinterher noch ernsthaft behaupten zu können, man habe ja nichts davon gewusst oder gewollt?
V. Ohneland
@V. Ohneland Eine meiner Meinung nach gute Bewertung der Frage "Putschversuch oder nicht" steht bei Politico. Sie ist von Fiona Hill verfasst, der Sicherheitsexpertin, die im Impeachment-Verfahren ausgesagt hat:
www.politico.com/n...-fiona-hill-457549
jox
>> Der künftige demokratische Präsident hat am Mittwoch mehrere Stunden vor Trump zur Öffentlichkeit gesprochen. Joe Biden hat den Sturm auf das Kapitol verurteilt. Aber er klang nicht unbedingt kämpferisch.
> Biden glaubt immer noch, dass seine Rolle es ist, uns alle zusammen zu bringen.
Ich denke, Biden steht da vor einem scheinbaren Paradox: Er muss gegen die extreme Polarisierung angehen, die Trump immer gefördert hat, und gleichzeitig gegen die faschistischen Tendenzen in den USA angehen.
Ich denke beides ist richtig und beides ist notwendig. Die Polarisierung hat Trump immer gezielt gefördert, weil sie ihm nutzte, und sie nutzt auch den Faschisten. Andererseits sind aber nicht alle Anhänger der Republikaner Faschisten.
Es wäre schon viel gewonnen, wenn Biden es schafft, die Trump-Sekte aufzuweichen.
Was die aktuelle Situation in den USA angeht, ich halte es sowieso für sinnvoll, mal einen Blick darauf zu werfen, wie das in Ländern im Osten und Süden gesehen wird. Hier ein eindrucksvoller Kommentar von Indi Samarajiva, Sri Lanka:
indica.medium.com/...dvice-3aee776e8575
Ein Resümee, das man aus Samarajivas Artikeln ziehen kann, ist dass wir mit unserer Handhabung der Corona-Pandemie nicht soviel besser da stehen.
gyakusou
Nein danke, ich brauche keine Straßenschlachten zwischen Rechten und Linken und dutzende Tote.
Das ist Sache der Sicherheitsbehörden, und in die Richtung muss sich jetzt Kritik und Konsequenzen richten.
Michi W...
@gyakusou Gebe Ihnen absolut recht. Am Ende hätten einschlägige Medien die Linken mit den Rechten in einen Topf geworfen und es hätte geheißen, beide wären ja gleich schlimm. Es kann nicht die Aufgabe der Zivilbevölkerung sein staatliche Einrichtungen zu schützen.
Ajuga
@Michi W... Ja, eben. Wichtiger ist:
"Sie müssen Druck auf die Biden-Regierung ausüben, damit sie die Faschisten zur Rechenschaft zieht und damit sie jene aus dem Kongress entfernt, die geholfen haben, die Gewalt anzustiften."
Und das können sie jetzt ja völlig unbeschwert.
Einen wichtigen Aspekt übersieht Fletcher nämlich völlig: der "Sturm aufs Kapitol" war der perfekte Sturm für SARS-CoV-2. 3 der AngreiferInnen sind an "medizinischen Notfällen" gestorben, davon mindestens einer an einem plötzlichen und offenbar unerwarteten (sonst wäre er wohl kaum hunderte Kilometer zu so einer Aktion gefahren) Herzinfarkt. Kann gut sein, dass sich das Virus da ignorante long hauler geholt hat, jedenfalls dürfte es eine stattliche Menge Neuinfektionen unter den Rechten gegeben haben.
In so ein Rudel Bekloppte schickt man keine Leute, die man noch brauchen kann. Und gebraucht werden jetzt wirklich alle Linken in USA. Es gibt viel zu tun. Dass Biden aus eigenem Antrieb und in sehr unmissverständlichen Worten auf die fehlende Polizeigewalt im krassen Gegensatz zu BLM verwiesen hat, ist schon mal ein gutes Zeichen. Bei Auseinandersetzungen zwischen Trump-Anhängern und -Gegnern wäre das vermutlich nicht passiert, da würde es jetzt ein wahres Trommelfeuer aus Hufeisen geben. Stattdessen lehnt sich der aalglatte Biden für seine Verhältnisse extrem weit aus dem Fenster, bezieht eine Position, die alles andere als "zentristisch" ist, und sagt sinngemäß "natürlich gibt es institutionalisierten Rassismus bei unserer Polizei, jeder Mensch mit Augen im Kopf weiß das". Die deutsche Regierung würde lieber mit der AfD ins Bett gehen, als so eine Aussage zu bringen...
Es ist wie Silvester in Connewitz: wenn die Rechtsaußens sich vor der versammelten Öffentlichkeit zum Vollpfosten machen, sollte man sie gar nicht dabei stören, das wäre ja unhöflich. Und es ist nicht Aufgabe der Linken, der bürgerlichen Mitte ihren Saftladen aufzuräumen.
V. Ohneland
@Ajuga Wen hätte ein Aufmarsch der Linken denn auch beeindrucken sollen? Die Chaostreiber*innen auf ihren Kanälen und Portalen hätten sich einen großen Gegenprotest wie alles andere eh zurechtgelogen. Und wie hier schon mehrere meinten: Auf diese Konfrontationen kann man hier wirklich verzichten. Und wenn man für die grundsätzliche Gültigkeit von Wahlen auf die Straße gehen müsste, wäre es richtig finster in den USA. Ganz so weit scheint es noch nicht zu sein.
Besser ist es jetzt, dass das Beispiel Georgias Schule macht: Ja, Wahlen können etwas verändern! Das ist es ja auch, wovor die Republikaner solche Angst haben: Dass endlich mal alle wählen gehen, die sonst meinen, sie ginge das Ganze nichts an, ihre Stimme zähle ja eh nichts und das lohne sich auch nicht. Dafür muss auch die Demokratische Partei sich ändern, aber in der Mobilisierung und dem Kampf um das gleiche Wahlrecht für alle liegt derzeit ihre Zukunft.