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UN-Vertretung über RassismusDeutschland muss dagegenhalten

In der Bildung, in der Justiz, bei Straßennamen: Nichtweiße treffen hierzulande oft auf Rassismus. Das Grundgesetz sollte endlich umgesetzt werden.

Brandanschlag auf ein Flüchtlings-Containerheim in Berlin-Buch im August 2016 Foto: imago/Christian Mang

Berlin taz | Auch heute werden in Deutschland nichtweiße Menschen noch regelmäßig rassistisch beleidigt und diskriminiert, und das auf vielen unterschiedlichen Wegen. Das hat eine UN-Delegation nun bestätigt und schwere Vorwürfe erhoben. Denn diese Diskriminierung geschehe in vielen gesellschaftlichen Kernbereichen wie Bildung, Justiz und Polizei, Wohnung und Arbeitsmarkt. Schwarze Menschen werden hier ausgeschlossen, und institutionelle Hürden beförderten das oft sogar noch.

Vom 20. bis 27. Februar gastierte auf Einladung der Bundesregierung eine UN-Vertretung in Deutschland, deren offizieller Name etwas sperrig klingt: „Arbeitsgruppe von Sachverständigen der Vereinten Nationen zu Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland“. Fünf Mitglieder, unter ihnen auch der philippinische Vorsitzende Ricardo Sunga III, trafen Akteure aus Politik, Gesellschaft, Justiz und Medien. Sie wollten wissen: Wie ist denn nun die Situation von schwarzen Menschen in Deutschland? Die Stationen führten die Gruppe nach Berlin, Dessau, Frankfurt, Wiesbaden, Köln und Hamburg – und dabei blieb die Erkenntnis, dass Deutschland mehr tun muss.

„Das Grundgesetz wird nicht umgesetzt“, sagte etwa Sung, als er am Montag die vorläufigen Ergebnisse in einer einstündigen Pressekonferenz in Berlin vorstellte. Kritikpunkte nannte er viele, endgültig aufführen will die UN-Delegation diese aber erst im September in einem umfassenden Bericht. Vorläufig gilt, so Sung, dass Deutschland sein Nationalnarrativ ändern müsse. „Die Kolonialvergangenheit, vor allem das Verbrechen an den Herero und Nama, muss besser aufgearbeitet werden. Es gab keine Reparationen und keine Gespräche mit den Minderheiten.“

Überhaupt fehle eine gesellschaftliche Debatte, und die Geschichte der Schwarzen werde nicht ausreichend berücksichtigt. Auch könne er nicht verstehen, wieso in Deutschland Kolonialherren mit Straßenschildern geehrt würden. Wenig überraschend steht in Sungs vorläufigem Bericht auch, dass Menschen mit vermeintlich afrikanischer Abstammung alltäglich Polizeibrutalität und Racial Profiling erfahren.

„Das muss aufgeklärt werden“

Überproportional oft habe rassistische Diskriminierung hier einen institutionellen Hintergrund. Lehrer rieten Menschen mit Migrationshintergrund etwa eher zur Hauptschule, bei Polizei oder Justiz fehlten nichtweiße Bedienstete. Sung sieht hier massiven Nachholbedarf, genau wie im Fall Oury Jalloh. Bei der Visite in Dessau ging es vor allem um den Fall des Asylbewerbers, der am 7. Januar 2005 in einer Polizeizelle verbrannt war (die taz berichtete).

Pressevertreter waren bei dem Besuch nicht eingeladen, Ralf Moritz, Sprecher der Polizeidirektion Ost, informierte: „Es wurden viele detaillierte Fragen gestellt.“ Vor allem, weil noch immer offen ist, was genau hinter dem Brand steckte. Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ geht davon aus, dass Oury Jalloh ermordet wurde. Ein Abschlussbericht steht noch aus, die Dessauer Staatsanwaltschaft ließ am Mittwoch lediglich mitteilen, dass der Öffentlichkeit zu gegebener Zeit Ergebnisse präsentieren würden. Sunga sagte dazu: „Das muss aufgeklärt werden, wir wollen, dass sich eine unabhängige Ermittlungskommission darum kümmert.“

Hintergrund des UN-Besuchs ist die Resolution 68/237 vom 23. Dezember 2013, mit der die Vereinten Nationen die Internationale Dekade für Menschen afrikanischer Abstammung für den Zeitraum 2015 bis 2024 ausgerufen haben, sie firmiert unter dem Motto: „Menschen afrikanischer Abstammung: Anerkennung, Gerechtigkeit und Entwicklung“. Die Länder sollen sich stärker gegen rassistische Diskriminierung engagieren, sowohl in Gesetzgebung als auch in der alltäglichen Praxis und der gesellschaftliche Beitrag von Menschen afrikanischer Abstammung soll gewürdigt werden.

Die von der UN ausgerufene Dekade könnte im Idealfall zu einem Perspektivwechsel führen, der, wie der UN-Bericht belegt, längst überfällig ist. Ob zehn Jahre ausreichen, um eine jahrhundertealte Geschichte der Diskriminierung auszugleichen, scheint jedoch fraglich.

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23 Kommentare

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  • Da werden deutsche Zustände in Sachen Rassismus angemahnt, aber die Delegation solle etwas von Deutschland lernen können? Fällt Ihnen selbst der Widerspruch auf oder...?

    Ein braver Deutscher findet sicher immer Ausreden oder Beschönigungen für Verhältnisse in Deutschland, nicht wahr? ;) Das wenige People of Color die Universität besuchen und einen akademischen Job kriegen? Einige Einwander_innen mit Abschlüssen beruflich einfache Tätigkeiten ausüben (müssen)? Wer hilft in deutschen Haushalten? Wer arbeitet als Putzkraft? ... alles "nicht unbedingt rassistisch"?

    • @Uranus:

      voriger Kommmentar richtete sich an Hans-Georg Breuer

  • Ja, es braucht eine stärkere Bewegung gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung.

    viele Kontakte und Vertrauensbildung.

  • Derlei Diskussion würde ich stets in einen größeren Kontext stellen:

    Was sagt der Bericht über andere europäische Staaten aus?

    Wie ist vor diesem Hintergrund die Geflüchtetenpolitik der letzten MOnate allgemein einzuschätzen.

    Was kann gegen Diskriminierung zwischen diversen ethinischen Herkünften getan werden... usw.

     

    Pädagogisch (und ohne die werten Mitbürger geht das alles leider nicht) halte ich derlei Diskussionen für "idealisiert".

    Gehen Sie in eine Turnhalle mit 100 repräsentativ ausgewählten Passdeutschen und starten Sie mit der Zeile:

    Na, da sitzen mir mal wieder 100 Diskriminierende und geschichtliche Verneiner, Rassisten gar, gegenüber. UNd jetzt lassen Sie uns mal darüber reden wie das besser geht.

     

    Sie werden scheitern, .... und das sollten und können wir uns in Wahrnehmung der Not auf dieser Welt nicht mehr leisten.

    • @Tom Farmer:

      ...sie wissen aber schon, dass schon der vorläufige bericht der experten ganze 10 seiten lang ist? http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=21233&LangID=E

      ...es ist natürlich wichtig a) aus gegebenem anlass gerade eine "turnhalle" für ein solches "event" zu wählen, b) 100 "umfrage-deutsche" statt verantwortliche aus politik und behörden auszuwählen und c) die feststellungen der kommission möglichst populistisch zu verkürzen, damit sich die verantwortlichen schön als "opfer" ihrer eigenen handlungen gegen andere herausputzen können...

      fakten und einordnungen beim namen zu nennen, ist durchaus mit pädagogik zu vereinbaren - es sei denn naürlich, man will herrschaftdenken fördern und legitimieren...die empfindlichkeiten der (insbesondere weißen-kolonialen-imperialen) tätervölker im angesicht von diskriminierung und rassismus ist wirklich herzerweichend (v.a. wenn man sie mit den erfahrungen und toden derselben vergleicht!)...

      die un hat deutschland gegenüber so oder so keine machtposition - niemand hat vorgeschlagen blauhelme nach deutschland zu entsenden, aber reaktionen wie ihre sagen viel über die innere "bereitschaft" vieler deutsche*r zu konstruktiver und kritischer auseinandersetzung mit dem zentralen "traditionsthema"...

  • Von der ehemaligen Antraf, die nun rassistischen Ressentiments folgt, bis hin zur Abwertung Delegierter aufgrund der 'Abstammung' aus einem als nicht 'sehr demokratisch' wahrgenommenen Staat ist alles zu finden. Othering, Verurteilungen einer aufgrund äußerlicher, unveränderlicher Merkmale als geschlossenen bzw. pauschalen Gruppe wahrgenommenen Menschenmenge sind hier jedoch das geringste, wenn auch auffälligste Problem. Die weisse Position, die tägliche Ressentiments leugnet, Racial Profiling vielleicht sogar als notwendige Praxis anerkennt, institutionellen Rassismus verschweigt und ausblendet, ist hier omnipräsent. Die Brisanz der Aussagen der Delegierten wird direkt mit 'Migrationsbewegungen' in Verbindung gebracht, triefend absoluter Ignoranz gegenüber dieser nicht erst seit gestern existierenden Strukturen, wird dabei der Inhalt und somit die eigene rassistische geprägte Identität verleumdet. Die Sprachlosigkeit der Forums-Verantwortlichen hinsichtlich solcher Ignoranz und Unaufgeklärtheit ist ebenso auffällig.

     

    Der als nicht-weiss gelesene Mensch verabschiedete seine Ansprüche auf Gleichberechtigung bzw. Gleichbehandlung am 19./20.12.2016 schlussendlich. Vom skeptischen Blick, über den spontan vermehrt auftretenden Strassenwechsel von Frauen ab eintretender Dämmerung, der ständigen Überwachung durch weisse Männergruppen im Beisein von Frauen, bis hin zur öffentlich ausgesprochenen Annahme des Nicht-deutschseins mit einhergehender begrifflicher Abwertung oder körperlicher Herabsetzung ist alles dabei. Die institutionelle Herabsetzung, Ausgrenzung und Diskriminisierung war auch vorher schon kaum zu überbieten...eigener rassistisch motivierter Hegemonialanspruch auch vorher kaum bis gar nicht reflektiert, und von daher weder für erst kürzlich Zugewanderte (die natürlich alle die gleichen Problematiken bearbeiten und aus gleichen sozialen-politischen und psychosozialen Kontexten stammen!) noch für Langzeiterfahrene überraschend.

  • denk ich an DEutschland in der Nacht dan bin ich um den SChlaf gebracht

  • Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

  • "Lehrer rieten Menschen mit Migrationshintergrund etwa eher zur Hauptschule, bei Polizei oder Justiz fehlten nichtweiße Bedienstete."

     

    Naja bei ca 2% der Bevölkerung die unter Nicht-Weiß fallen kein Wunder. Es gibt schlicht zuwenig dieser Leute als das sie auffallen.

  • Black or white, unite, unite !

  • Ich weiss nicht, ob das stete Reiten auf "Abstammung" bei Migranten zielführend ist.

    IMHO führt es dazu, das auch die, "die schon länger hier leben", ihre Wurzeln finden, ihre Abstammung positiv konotieren und entsprechend gesellschaftliche Umformungen einfordern.

    Dann werden migrantische Abstammungen ganz sicher auf ihre "bleibende" Notwendigkeit hinterfragt.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Frank Erlangen:

      Wenn Sie's schon sagen...

      Ist zwar nicht ganz meine Meinung, aber dennoch. Letztens habe ich eine BBC-Radiosendung gehört (http://www.bbc.co.uk/programmes/p0054594), wo am Beispiel von USA dargelegt wurde, wie das verstärkte Fördern von Minderheitenstatus die Integration erschwert. Vielleicht ist was dran.

       

      Wobei hierzulande werden immer noch v.a. bildungspolitische Hürden so gehalten, dass die Migranten of keine Chance haben.

       

      4-jährige Grundschule? Geht's noch.

      5% der Grundschullehrer haben überhaupt einen Migrationshintergrund und wir wissen wie breit er hier definiert wird.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Übrigens heist die Gruppe "UN Decade for People of African Descent"

         

        Wen unter uns betrifft das nicht? Sind wir das nicht alle? Nur unterschiedlich im Zeitraum der Auswanderung von Afrika? #scnr

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Es ist ja auch nur eine Form von Identitätspolitik. Wer antirassitisch tätig sein will, muss eben auch auf positive Diskriminierung verzichten. Ansonsten schlägts zwangsläufig nach der anderen Seite aus.

         

        Die "Identitäre Bewegung" ist ja nur das Spiegelbild eine xbeliebigen Migrantenvereins in Deutschland.

        Aber das begreifen unsere sjw's nicht.

    • @Frank Erlangen:

      ...wohl dem, der keine "migrantische abstammung" im hier vorliegenden bericht hat...der kann mal so richtig farblos' klugsch***en...

      ...und was für eine "bleibende notwendigkeit" bitte?...in welcher generation denn bitte?...und zu welchem preis, wenn hier menschen in polizeizellen angekettet und abgefackelt werden?...

      ...von welcher "relation" reden wir denn dann bitteschön?...von ihrer?...

  • Mich würde interessieren, aus welchen Nationen die übrigen Berichterstatter stammen.

    Die Philippinen jedenfalls zeichnen sich nun nicht übermäßig durch demokratische Strukturen aus.

    Aber vielleicht hat diese UN-Vertretung auf ihrem Deutschlandbesuch etwas über Demokratie gelernt. Dann hätte ihr Besuch bei uns wenigstens etwas Sinnstiftendes gehabt.

    Nebenbei: auch mir fällt auf, dass in vielen deutschen Restaurants Schwarze nur in der Küche oder an der Spüle zu finden sind, nicht im vorderen Bereich eines Restaurants. Das mag viele Gründe haben, müssen nicht alle unbedingt rassistisch sein.

  • ich werde als Pfälzer auch ständig diskriminiert, wird Zeit das da endlich mal einer Gesetze dagegen macht. Weil so ein Gesetz das ändert natürlich alles .Ahhhhhhh ich schreie gerade.

    • @Voilodion:

      Es könnte aber auch daran liegen, dass sie in Ihrem ganz speziellen Fall einfach nicht ernstgenommen werden. Berechtigt?

  • "Das deutsche Grundgesetz sollte endlich umgesetzt werden."

     

    So bemängelte auch die UNO (Vereinte Nationen), dass der Weg von einfachen Menschen zum Bundesverfassungsgericht sehr schwer ist. Außerdem haben die uns, also genauer der Bundesregierung in einem Brief dringend empfohlen, die Kompetenzen des Instituts für Menschenrechte auf die Bearbeitung von Anfragen aus der Bevölkerung auszuweiten.