UN-Sondertribunal zum Hariri-Mord: Als sei nichts gewesen

Das Urteil zum Mord am libanesischen Ex-Regierungschef Hariri wird für die Täter und Strippenzieher dahinter folgenlos bleiben – leider.

Autos brennen an der Stelle des Attenttats in Beirut.

Der Anschlag auf Rafik Hariri im Februar 2005 Foto: Archivbild/AP

Es hat fast etwas Ironisches: Die monströse Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut hat aller Welt vor Augen geführt, dass das haarsträubende System von Straflosigkeit, das im Libanon wie in so vielen korruptionsgeplagten Staaten herrscht, ein Ende haben muss. Um ähnliche Katastrophen in Zukunft zu vermeiden, müssen die Verantwortlichen ermittelt, vor Gericht gestellt und der geltenden Rechtslage gemäß bestraft werden.

Doch just am Dienstag, als die Toten gerade erst begraben und die Trümmer noch nicht einmal beseitigt waren, kam ein seit Jahren erwartetes Urteil, das ebenjene Straflosigkeit nicht wirklich beendet, sondern fast noch anfeuert: Zwar wurde einer von vier Angeklagten in dem Prozess um den Mord an dem ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri vor einem UN-Sondertribunal in den Niederlanden schuldig gesprochen. Doch ebenso wie die anderen Angeklagten war er nicht anwesend. Alle vier sind seit Jahren flüchtig.

Folgen wird das Urteil für ihn damit ebenso wenig haben wie für die mutmaßlichen Strippenzieher, die viele in den Reihen der Hisbollah und des mit ihr verbündeten syrischen Regimes sehen. Die Hisbollah erklärte schon am Freitag, bevor das Urteil überhaupt verlesen war, dass sie es nicht anerkennen werde. „Für uns wird es so sein, als wäre es niemals gefällt worden“, brachte Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah es ganz richtig auf den Punkt.

Zwar haben die Ermittlungen Licht ins Dunkel gebracht, wie der Mord geplant und ausgeführt wurde. Am System der Straflosigkeit aber hat das aufwendige und kostspielige UN-Sondertribunal kaum gekratzt. Im Zweifelsfall wird das Urteil in Zukunft niemanden davon abhalten, PolitikerInnen zu ermorden, um politische Ziele durchzusetzen.

Man kann nur hoffen, dass Libanons Protestbewegung den Druck aufrechterhält und tatsächlich einen grundlegenden Wandel einleitet, der auch die Unabhängigkeit des libanesischen Justizsystems sichert. Im Falle der Hafenkatastrophe glaubt derzeit kaum jemand daran, dass sie vollends aufgeklärt wird. Das Hariri-Tribunal ermutigt leider nicht dazu, auch in diesem Fall nach einer internationalen Untersuchung zu rufen.

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ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann

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