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UN-Menschenrechtsbericht zu ÄthiopienErst Tigray, dann das ganze Land

Die Experten des UN-Menschenrechtsrats werfen Äthiopien und Eritrea „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Tigray vor. Es drohten weitere Greuel.

Von eritreischen Soldaten mit Messern und kochendem Wasser traktiert: Mädchen in Adwa, Tigray Foto: Edgar Gutièrrez/Zuma Press/imago

Berlin taz | „Vergewaltigung durch mehrere Täter, oder durch einen Täter vaginal, anal und oral, oft vor Kindern in ihrer Obhut oder Familienangehörigen“, schildert der neue UN-Bericht über Verbrechen in Äthiopiens Bürgerkriegsregion Tigray das Vorgehen äthiopischer und eritreischer Soldaten. „Mindestens ein Opfer wurde auf den Leichen ihrer toten Angehörigen vergewaltigt, unmittelbar nach deren Tötung durch Äthiopiens Armee.“

Der Abschlussbericht der unabhängigen Äthiopien-Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates liest sich wie ein Horrorkatalog. Die Schilderung der Vergewaltigungen von Frauen folgt auf eine Analyse von Massentötungen an jungen Männern. Die Täter hätten oftmals die ethnische Gruppe der Tigrayer als Ganzes als Zielscheibe benannt: „Dieses Muster umfasste Beschreibungen von Tigrayern als ‚Krebsgeschwür‘, den Ausdruck des Wunsches nach Tötung von Männern und Kindern oder nach Zerstörung der reproduktiven Kapazitäten von Frauen.“

Der Krieg in Tigray begann im November 2020 mit einem Aufstand der dort herrschenden Regionalpartei TPLF (Tigray-Volksbefreiungsfront) gegen Äthiopiens Zentralregierung und endete im November 2022 mit einem Friedensvertrag, in dessen Folge die TPLF wieder in Tigray regieren darf, sich aber entwaffnen muss. Er gilt als blutigster Konflikt der Welt in den vergangenen Jahren, mit 600.000 Toten nach Schätzung der Afrikanischen Union.

Noch kein internationaler Untersuchungsbericht ist dem vielfach von tigrayischer Seite geäußerten Vorwurf eines Völkermordes so nahe gekommen wie der Bericht der International Commission of Human Rights of Experts on Ethiopia (ICHREE), die der UN-Menschenrechtsrat im Dezember 2021 ins Leben rief und die mit ihrem Zwischenbericht im September 2022 schon einmal den Zorn der äthiopischen Behörden auf sich gezogen hatte.

Den Völkermordvorwurf machen sich die UN-Experten nicht zu eigen, sie werfen aber den Armeen Äthiopiens und Eritreas sowie verbündeten Amhara-Milizen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Tigray vor, wo ein „ausgedehnter und systematischer Angriff auf die Zivilbevölkerung“ anzunehmen sei. Tigray-Rebellen und ihre Verbündeten hätten ihrerseits in den Regionen Amhara und Afar „Kriegsverbrechen“ begangen.

„Der Konflikt ist nicht vorbei“

Dies ist nicht nur Vergangenheitsbewältigung. „Der Konflikt in Tigray ist nicht vorbei“, warnt die UN-Kommission. Äthiopiens Armee sei abgezogen, aber „eritreische Truppen und Amhara-Milizen verüben andauernde Übergriffe“. Auch die Versorgungslage bleibe katastrophal.

Die UN-Experten verweisen auch auf ein hohes Risiko neuer Greueltaten im ganzen Land im Zusammenhang mit dem Aufflammen weiterer Konflikte etwa in der Amhara-Region, wo seit August das Kriegsrecht gilt. In ganz Äthiopien herrsche eine „Politik der Straflosigkeit und der Toleranz für schwere Menschenrechtsverletzungen“, die Justiz sei „politisiert“ und das Misstrauen der Bevölkerung in den Staat „verbreitet“.

Die scharfe UN-Kritik an Äthiopiens Regierung dürfte zu einer Konfrontation bei der bevorstehenden Jahrestagung des UN-Menschenrechtsrats in Genf führen. Vor einem Jahr scheiterte Äthiopiens Regierung noch mit ihrem Bestreben, das Mandat der ICHREE zu beenden – es wurde im Oktober 2022 um ein Jahr verlängert.

Mittlerweile aber ist die internationale Aufmerksamkeit für Äthiopien gering. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die den UN-Bericht als Bestätigung ihrer eigenen Untersuchungen wertet, warnt bereits vor Versuchen, das Mandat der UN-Experten im Oktober nicht weiter zu verlängern.

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2 Kommentare

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  • Wie furchtbar!



    Danke für die Information.



    Werbekampagnen in Deutschland für Eritrea gehören aufgrund dieser Tatsachen verboten.



    Es wurde wiederholt darauf hingewiesen, EuropäerInnen sollen sich aus Gründen der kolonialen Vergangenheit aus afrikanischen Ländern heraushalten.



    Ist das, angesichts der Umstände, tatsächlich sinnvoll?



    Derartiges Unrecht sollte nicht toleriert werden.



    Es gibt nicht nur Unrecht im Ukrainekrieg.



    Wir müssen die Scheuklappen ablegen und dort unser Möglichstes tun, wo es nötig ist.



    Es wäre wünschenswert, wenn in Genf erste Schritte zur Verbesserung der Situation erfolgen, zumindest eine Verlängerung des Mandats der UN Experten.

  • Wenn der Artikel schon mit so einem schrecklichen Foto bebildert werden muss, sollte die Unterzeile wenigstens korrekt sein.

    Das Mädchen wurde nicht "traktiert", das ist ein lächerlich schwacher Begriff für das, was ihr angetan wurde, sie wurde gefoltert.