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UN-Klimakonferenz in BakuDer Kampf um das Pariser Klimaabkommen beginnt

In Baku eröffnet Aserbaidschans Umweltminister die COP und fordert Einigkeit. Die Weltwetterorganisation warnt, die 1,5-Grad-Grenze sei in Gefahr.

Eine der wenigen Visionen auf der COP: eine VR-Ausstellung im ukrainischen Pavillon in Baku Foto: Murad Sezer/reuters

Berlin taz | Mit vielen Mahnungen und Appellen hat am Montag die UN-Klimakonferenz in Baku begonnen. „Wir sind auf dem Weg in den Ruin“, sagte der Präsident der Konferenz Muchtar Babajew bei der Eröffnungszeremonie. Die Konferenz sei ein „Moment der Wahrheit“ für das Pariser Klimaabkommen, in dem sich die Länder der Welt darauf geeinigt haben, die Erderhitzung möglichst bei 1,5 Grad zu stoppen, auf jeden Fall aber deutlich unter 2 Grad zu halten.

Die Konferenz werde das Bekenntnis der Regierungen zum System der internationalen Klimaverhandlungen testen. „Ich mahne Sie alle, erneut zu beweisen, dass wir zusammen handeln und Ergebnisse liefern können“, sagte Babajew. Er ist Umweltminister von Aserbaidschan, das dieses Jahr Gastgeber der Verhandlungen ist und sie leitet. Das Land ist stark von Öl- und Gasexporten abhängig, 2023 machten sie 35 Prozent der aserbaidschanischen Wirtschaftsleistung aus.

Der Leiter des UN-Klima­sekretariats, Simon Stiell, sagte bei der Eröffnung, die Klimakrise betreffe je­de*n auf der Welt auf die eine oder andere Weise, sei es wegen hoher Energiepreise, Dürren oder Rekordstürme. „Ich bin so frustriert wie alle anderen auch, dass eine Klimakonferenz allein nicht für die vollständige Transformation sorgen kann, die jedes Land braucht. Aber die Regierungen müssen sich auf einen Ausweg aus diesem Durcheinander einigen.“ Deswegen müssten alle gemeinsam ein neues Ziel für die Klimafinanzierung festlegen.

Mit Klimafinanzierung werden die Gelder bezeichnet, die von den Industrieländern an die Entwicklungsländer fließen. Die ärmeren Staaten sollen es sich dadurch leisten können, Anpassungen an die Erderhitzung und Klimaschutzmaßnahmen zu bezahlen. Das aktuelle Ziel von 100 Milliarden US-Dollar jährlich läuft 2025 aus, für die Zeit danach braucht es ein neues Ziel.

Die reichsten sind gefragt

Klimafinanzierung sei keine wohltätige Gabe, sagte Stiell. „Wenn es sich zwei Drittel der Länder nicht leisten können, Emissionen zu reduzieren, wird es alle Staaten viel Geld kosten. Wenn Länder ihre Lieferketten nicht robuster machen können, wird die Weltwirtschaft ein­knicken. Kein Land ist immun.“ Deswegen sei ein ehrgeiziges Klimafinanzierungsziel im Eigeninteresse aller, auch der größten und reichsten Staaten.

Gestritten wird bei der Klimafinanzierung vor allem darum, wer genau diese Zahlungen leisten soll. Bisher sind es die Länder, die 1992 bei der Unterzeichnung der UN-Klimarahmenkonvention als Industrieländer galten. Länder wie Saudi-Arabien, Südkorea und China, die heute viel CO2 ausstoßen und höhere Pro-Kopf-Einkommen haben als einige Industrieländer, sind nicht dabei. Bundes­außenministerin Annalena Baer­bock (Grüne) sagte deshalb, sie wolle „die globale Klimafinanzierung vom Kopf auf die Füße stellen“.

Es seien alle Länder gefragt, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, nicht nur traditionelle Industrieländer. Ein chinesischer Unterhändler hatte schon bei Vorgesprächen angekündigt, dass China nicht vorhabe, die Verantwortung der reichen Staaten zu übernehmen oder irgendeine Zahl zu schönen, während China alles tue, um die Welt zu retten. China ist der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen, investiert aber auch weit mehr als alle anderen Staaten in den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Am Rande der Klimakonferenz gab die Weltwetterorganisation WMO bekannt, dass ihren Modellierungen zufolge die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens „in großer Gefahr“ sei. In einem Bericht stellte die WMO fest, dass 2024 sehr wahrscheinlich das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werde. Das Jahrzehnt 2015 bis 2024 sei das heißeste seit Messungsbeginn. Die WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo sagte, die gemessenen Rekord-Niederschläge und -Überschwemmungen, die Intensivierung der Tropenzyklone, die Hitze, Trockenheit und katastrophalen Brände seien „leider unsere neue Realität und ein Vorgeschmack auf die Zukunft“. Zu einem ähnlichen Ergebnis war vergangene Woche bereits das europäische Erdüberwachungsprogramm Copernicus gelangt.

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13 Kommentare

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  • Eine wirkliche Weltklimakonferenz, eine, an der alle Industriestaaten zumindest mit gutem Willen und der Bereitschaft für Veränderungen teilnehmen, wär eine tolle Sache, die Hoffnung macht. Aber das wird wohl eine Utopie bleiben.

    So wie jetzt in Baku ist es ein überflüssiger, teurer und das Klima zusätzlich belastender Zirkus, der nichts bewirkt.

  • Der Kampf ist längst verloren. Es ist nur noch Schattenboxen. Machen wir uns doch nichts vor....

  • ich muss mich leider Jalella anschließen; was wird noch über 1,5° gesprochen? Die ersten Kipppunkte sind erreicht und wir müssen darüber sprechen was machen wir damit. Finanzieren wir Somalia weil der Pazifik das Land frisst, nachdem die Küstenlinie als Baumaterial nach Arabien verkauft wurde? Oder Brasilien zur Aufforstung von Waldstrichen zum Schutz der Monokulturen?



    Niemand ist unschuldig an der Veränderung des Weltklimas. Nur einige Nationen, wie wir, mehr als andere.



    Das gravierende Problem das ich für uns sehe ist die Bevölkerung die nicht einsehen will Geld an andere zu bezahlen. Wie soll der heimische Bauer genötigt werden seine hochgezüchteten Feldfrüchte auf klimaverträglichere Sorten zu ändern? - oder gar mit Wasser zu haushalten?



    Das selbst empfundene Leid ist immer größer als das eines anderen Menschen den man nicht kennt. Daher ist ein vollgelaufener Keller und zerstörte Barbiepuppensammlung viel schlimmer als wenn ein paar 1ooo km entfernt tausend Menschen sterben. Das ist menschlich.



    Nur dieses subjektive Empfinden führt zu Verweigerung gegenüber denen die wirkliche Not leiden. Und wehe demjenigen der von "unserem Kuchen" auch nur Krümel über den Ozean bringen will

  • Zunächst mal finde ich es spannend, dass es anscheined normal geworden ist, die COP in fossilen Schurkenstaaten abzuhalten. Was genau ist da der Plan?

    Dann wird hier von der Einhaltung des 1,5° Ziels geredet. Was soll das? Wir haben dieses Ziel längst erreicht: wir haben bereits 1,5° Erderwärmung. Wir sollten darüber reden, wie wir mit den kommenden 3-4° umgehen. Denn das ist das realistischere Szenario.

    Mit einem Rechtspopulisten Trump in den USA und einem Rechtspopulisten Merz in Deutschland brauchen wir über Ausstieg aus den fossilen Energieen nicht zu diskutieren.

    Wir haben unsere politische Bildung in unserem Land ja nicht mal so weit auf die Kette bekommen, dass die Menschen wenigstens mal aufhören, CDU zu wählen. Da fängt es doch schon an. Bevor wir real agieren können, müssen wir die Menschen erstmal dazu bringen, das zu wollen. Und solange wir Milliarden dafür ausgeben, ihnen einzureden, dass ein 3t SUV ihr Lebensglück ist, brauchen wir nicht weiter über Klimaschutz zu reden.

    Der Fisch stinkt vom Kopf her. Der Kopf der Menschen ist das Problem, da müssen wir was machen.

    • @Jalella:

      Menschen fahren hunderte von Kilometern weit, um in einem Katastrophengebiet völlig Unbekannten kostenlos zu helfen. Sie stehen einander in Notlagen bei und wachsen dadurch zusammen. In Großbritannien haben die Leute während des Zweiten Weltkriegs auf Grünflächen Gemüse angebaut. Im Guardian, einem Bollwerk des Liberalismus, steht eine Brandrede gegen die Tech-Bros. Zum zweiten Mal in zwei Wochen.



      Ich habe uns noch nicht aufgegeben. Wenn es hart auf hart kommt, werden wir einander retten.



      Das ist die menschliche Natur.

      • @Patricia Winter:

        Nein Patricia, das glaube ich nicht. Schon jetzt -wie schon immer seit Bestehen der Menschheit- achten wir zuallererst auf unser eigenes Wohlergehen, individuell und auch als Gemeinschaft. Es mag Ausnahmen geben, wenige, doch in Zeiten größter Not sieht jede*r, dass er/sie überlebt und verschwendet keinen Gedanken an andere. Das sieht man etwa in äußersten Stressituationen eines Kriegsgefangenenlagers: für das letzte Stück Brot tötet man zur Not. Bei Schiffskatastrophen werden im Wasser Treibende weggeschlagen - das Boot ist voll. So ähnlich, wenn auch auf anderer Ebene verhalten wir uns doch gegenüber den Flüchtenden: wir lassen sie im Mittelmneer ertrinken oder an Metallzäunen verrecken. Das ist die "Menschlichkeit", das sind die "Europäischen Werte" - nicht die sicherlich auch geübte Nächstenliebe, die gibt's nur im Ausnahmefall.

      • @Patricia Winter:

        ich denke leider wie Jalella, aber hoffe auf deine Prognose

  • Das ist ja eine super Idee! Wer hat denn das Klima bis jetzt mit CO2 angereichert, das waren doch die Industrieländer, ausbaden dürfen das jetzt Länder die nie das Klima in den Umfang verschmutzt haben wie wir, also wollen sie diese Länder jetzt im Stich lassen? Sie halten wohl nicht viel von Verantwortung, und wir sollten den asozialen Beispiel anderer Länder nicht folgen! Zumal wir sonst demnächst mit Klimaflüchtlinge zu tun haben werden, und die Ausmaße die das noch annehmen wird, davon scheinen sie absolut keine Ahnung zu haben! Nur extra für sie:

    Laut dem Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC), so der UNHCR, haben 2023 rund 26,4 Millionen Menschen ihre Heimat aufgrund von Katastrophen und klimabedingten Ereignissen wie Dauerregen, langanhaltenden Dürren, Hitzewellen und Stürmen sowohl kurz- als auch langfristig verlassen müssen.

    Die Weltbank schätzt, dass bis zum Jahr 2050 bis zu 143 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden könnten.

    Haben sie überhaupt soviel Vorstellungsvermögen um zu verstehen was das in letzter Konsequenz bedeutet, für uns alle?

  • Wen interessiert diese Clownshow der Lobbyisten überhaupt noch? Auf dieser COP wird nix von Relevanz beschlossen, genauso wie bei den letzten. Dafür sorgen die Veranstalter und fossile Lobby schon.

  • Solange sich China, Südkorea und Russland nicht an der Klimafinanzierung beteiligen sollte sich die Bundesregierung von dieser Maßnahme zurückzuziehen.



    Dass sowohl China als auch Südkora bei COP nach wie vor ls Entwicklungslnder klassifiziert werden ist ein Hohn.

  • 28 COPs haben zu keiner Trendwende geführt, warum sollte das der 29 ten gelingen. Die Transformationsgeschwindigkeit, die zu Beginn der COPs noch realistisch erschien, ist nun so hoch geworden, dass ich noch von keinem Verantwortlichen realistische Vorschläge gehört habe, wie das gehen soll. Das Problem mit den Treibhausgasen ist Kumulativ - scheint irgenwie keiner zu verstehen. Es bedeutet wir müssen die TGH Emissionen innerhalb der nächsten 5 Jahre radikal senken. Am Beispiel der Mobilität: Es genügt nicht mehr eAutos zu verkaufen, sondern wichtig ist, dass viel weniger Verbrenner viel weniger Kilometer fahren - hat irgendjemand eine Idee dazu? genauso zB bei den Heizungen: Tatsächlich müssten wir Kohle, Öl und Gasheizungen möglichst rasch durch Heizungen ersetzen, die keine THG mehr ausstossen. Denn wie oben gesagt, das Problem ist kumulativ. Jemand eine Idee dazu? Die Faktenlage ist klar, passt aber nicht zu unserem Wirtschaftssystem und zu unseren Lebensentwürfen und wird deshalb permanent erfolgreich verdrängt. Solange bis einen dann die Realität mittels Hochwasser, Dürre, Sturm o.ä. einholt und es für viele Menschen zu spät ist zu erkennen, dass sie getäuscht wurden

    • @ThomLa:

      Kapitalismus und Industriegesellschaft sind inkompatibel mit der Klimakatastrophe. Beides könnte durch eine geldlose Bedarfsdeckungsgesellschaft ersetzt werden, die dafür sorgt, dass die Ärmsten auf ein lebenswertes Niveau gehoben werden, indem alle anderen etwas abgeben.



      Zwei Probleme.



      Das System würde im freien Fall entstehen und kontinuierlich angepasst werden müssen. Aber: "Weiter so" ist schlimmer und wird zum Kollaps führen. Das sollten alle endlich erfahren.



      Superreiche, die seit langem für einem drastischen Systemwechsel preppen (warum wohl?), werden alles tun, um ihre Privilegien zu wahren. Wie viel Desinformation verbreiten sie in Social Media? Die gilt es zu kontern mit der Wahrheit. Viele Superreiche sind Staatschefs oder haben deren Ohr und Macht.



      Maßnahmen, die jetzt noch etwas bewirken können, wie Generalstreik, können nur von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung getragen werden. Die Menschen haben alle Angst vor den falschen Dingen. Angst macht zornig. Was wir statt dessen brauchen, ist die Hoffnung, dass eine bessere Welt greifbar nahe ist. Und das ist sie. Wenn wir lieben, statt zu hassen. Die meisten kennen das Gefühl. Ist doch besser, oder?

      • @Patricia Winter:

        Ich denke die allermeisten Menschen empfinden ein System, das sich über eine "Bedarfsdeckungsgesellschaft" definiert, nicht als bessere Welt.

        Darüber hinaus nützt es Ihnen nichts wenn Sie nur in D eine Mehrheit dafür gewinnen können. Sie brauchen diese in allen nennenswerten Industriestaaten, wenn Sie nicht im Shithole a la Nordkorea landen wollen.