Türkisches Eingreifen in Libyen: Scheitert Haftars Krieg?
Das militärische Eingreifen der Türkei stärkt die Regierung in Tripolis. Haftars Rebellen verlieren Städte und nun sind ihre Nachschubwege bedroht.
Die mit der international anerkannten Einheitsregierung in Tripolis verbündeten Milizen konnten am Wochenende nach Sabratha und Surman weitere strategisch wichtige Orte einnehmen, die zuvor unter Kontrolle der Libyschen Nationalarmee (LNA) von Haftar standen.
Haftars Antwort ist die verstärkte Bombardierung der Stadtteile Salahedin und Ben Ashour in Tripolis.
Bewohner von Tripolis hatten eigentlich zuletzt mit einer verstärkten Offensive der LNA auf die zwei Millionen Einwohner zählende Metropole gerechnet. Denn zuvor war ein Angriff der regierungstreuen Einheiten auf die Luftwaffenbasis al-Watia in der Nähe von Sabratha gescheitert.
Das riesige Areal war zu Gaddafis Zeiten strategisch günstig für die Überwachung der tunesischen Grenze und der westlibyschen Mittelmeerküste angelegt worden.
Noch am Abend des gescheiterten Watia-Angriffs marschierte Haftars LNA in die Orte Dschmell, Regdalin und al-Asra ein. Das rief die türkischen Militärs auf den Plan – und das Blatt wendete sich.
Seit Ende März beteiligen sich erstmals die türkischen Fregatten vor der libyschen Küste und die von der Türkei gelieferten Drohnen an den Kämpfen, türkische Luftabwehrpanzer schossen mehrere von Haftars Drohnen ab, die dieser aus den Arabischen Emiraten erhalten hatte.
Es droht die Schlacht um Tarhouna
Nach der Eroberung von Sabratha und weiteren Orten durch die regierungstreuen Milizen konzentrieren sich die Kämpfe nun auf die südlich von Tripolis gelegene Stadt Tarhouna.
Sollte die 13.000-Einwohner-Stadt Tarhouna an die regierungstreuen Milizen aus Misrata und Tripolis fallen, dürfte Haftars Offensive auf Tripolis ein Jahr nach ihrem Start ein jähes Ende finden. Denn sämtliche Nachschubwege aus dem Osten Libyens an die LNA-Einheiten im Westen des Landes laufen durch die Hochebene südlich der libyschen Hauptstadt.
Neben Tarhouna liegt dort auch die Stadt Beni Walid. Unter Gaddafi florierte dort die Landwirtschaft. Nach der Revolution von 2011 wurden fast alle Amtsträger aus Tarhouna und Beni Walid von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, und so sind sie heute Haftar-Anhänger.
Seit dem Vormarsch der regierungstreuen Kämpfer aus Misrata suchen Repräsentanten aus Beni Walid den Dialog mit ihren Gegnern. Am Samstag trafen sich erstmals seit Beginn der Haftar-Offensive vor einem Jahr Delegationen aus Misrata und Beni Walid.
Waffenembargo ständig gebrochen
Doch den Krieg zu beenden liegt, so befürchten viele Libyer, nicht mehr in libyscher Hand. Dazu sind die ausländischen Verbündeten beider Seiten zu tief involviert. Die internationalen Verstöße gegen das seit 2011 geltende Waffenembargo haben seit der Berliner Libyen-Konferenz vom Januar sogar noch zugenommen.
Nach Einschätzung der UN-Expertengruppe zur Überprüfung der Einhaltung des Libyen-Waffenembargos haben vor allem die beiden türkischen Kriegsschiffe und das Luftabwehrsystem Korkut die militärische Balance zugunsten der Einheitsregierung geändert.
Die Korkut-Panzer wurden mit Containerschiffen nach Tripolis und Misrata gebracht. Die Arabischen Emirate rüsten derweil Haftars Truppen mit gecharterten Transportflugzeugen auf.
Am Freitag beobachteten die Experten der auf den Mittelmeerraum spezialisierten Flugüberwachungsplattform ItalMilRadar den Anflug von drei türkischen Tank- und Radarflugzeugen. Nach Informationen dieser italienischen Experten waren auch mehrere F-16-Kampflugzeuge Richtung Libyen unterwegs.
„Das könnte eine Übung für einen groß angelegten Kampfeinsatz in Libyen gewesen sein oder die Begleitung eines Waffentransports“, so einer der Analysten zur taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs