Türkischer Präsident im ARD-Interview: „Das Volk will die Todesstrafe“
Bei der Diskussion um die Wiedereinführung der Todesstrafe beruft sich Erdogan auf den Willen der Bevölkerung. Der EU wirft er Wortbruch vor.
Schon gleich nach dem Umsturzversuch am 15. und 16. Juli hatte Erdogan angekündigt, der Wiedereinführung der Todesstrafe zuzustimmen, sollte das Parlament eine solche Verfassungsänderung beschließen. Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin meinte vergangenen Donnerstag, er hielte die Hinrichtung der Putschisten für „eine faire Strafe“.
Zu möglichen negativen Folgen für die Türkei in ihrem Verhältnis zur EU sagte Erdogan: „Nur in Europa gibt es keine Todesstrafe. Ansonsten gibt es sie fast überall.“ EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte Erdogan zuvor erneut gewarnt, die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union würden sofort gestoppt, falls die Türkei die Todesstrafe wieder einführe.
Erdogan warf der EU vor, sie habe in der Flüchtlingspolitik ihr Wort gebrochen und Vereinbarungen gegenüber der Türkei nicht eingehalten. „Die europäischen Regierenden sind nicht aufrichtig“, sagte der islamisch-konservative Politiker in dem ARD-Interview. So habe die EU der Türkei drei Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen zugesagt. Bisher seien jedoch nur symbolische Summen eingetroffen. Konkret sprach er von ein bis zwei Millionen Euro.
Flüchtlingspakt mit der EU
Im Zentrum des EU-Flüchtlingspaktes mit der Türkei steht ein Tauschhandel. Die EU schickt Flüchtlinge und andere Migranten, die seit dem 20. März illegal in Griechenland eingereist sind, zurück in die Türkei. Für jeden zurückgeschickten syrischen Flüchtling darf seit dem 4. April ein anderer Syrer aus der Türkei legal und direkt in die EU einreisen.
Erdogan sagte: „Wir stehen zu unserem Versprechen. Aber haben die Europäer ihr Versprechen gehalten?“ Erneut forderte er die versprochene Visa-Freiheit für Türken, die in die EU reisen wollen. Dies sei bisher nicht geschehen.
Die Visumpflicht für türkische Staatsbürger sollte ursprünglich ab Juli aufgehoben werden. Dieser Termin hat sich aber verschoben, weil die Türkei noch nicht alle 72 Bedingungen erfüllt hat, darunter die Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetze.
Festnahmewelle erfasst auch Journalisten
Unterdessen erfasste die Festnahmewelle in der Türkei auch Journalisten. Die Staatsanwaltschaft ordnete die Festnahme von 42 Journalisten an, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, die Ermittlungen richteten sich gegen Medien aus dem Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen. Die Regierung macht Gülen für den Putschversuch verantwortlich.
Zur Dauer des seit Donnerstag geltenden Ausnahmezustandes sagte Erdogan in der ARD: „Wir müssen sehen, wie sich die Situation entwickelt.“ Wenn sich die Lage normalisiere, könne es bei drei Monaten bleiben.
Ministerpräsident Binali Yildirim kündigte an, seine AKP werde gemeinsam mit anderen Parteien an begrenzten Verfassungsänderungen arbeiten, zu denen er sich nicht konkret äußerte. Ein Treffen auf Einladung Erdogans mit den Chefs der Oppositionsparteien CHP und MHP am Montag habe gezeigt, dass die notwendigen Gemeinsamkeiten dafür vorhanden seien. Auch die pro-kurdische HDP – die nicht zu dem Treffen eingeladen war – könne sich beteiligen. Ziel sei weiterhin, eine ganz neue Verfassung gemeinsam mit den anderen Parteien zu entwerfen.
Seit dem Putschversuch sind nach offiziellen Angaben mehr als 13 000 Verdächtige festgenommen worden, knapp 6000 davon sitzen in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu wurden mehr als 45 000 Staatsbedienstete suspendiert. Die Maßnahmen haben international Kritik ausgelöst.
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