Trumps Plan für Gaza: „Aufregung und Verwirrung“ in Israels Regierung
Die Frist des US-Präsidenten für die Hamas setzt auch Israel unter Druck: Wie soll eine erneute Militäraktion in Gaza aussehen? Und was passiert dann mit den Geiseln?
![Ein israelischer Panzer steht an der Grenze einer völlig zerstörten Stadt Ein israelischer Panzer steht an der Grenze einer völlig zerstörten Stadt](https://taz.de/picture/7527264/14/37652514-1.jpeg)
Doch in der israelischen Regierung herrscht seither laut dem Nachrichtenportal Axios „Aufregung und Verwirrung“. Am Montag lobte Netanjahu den Plan, der de facto eine ethnische Säuberung des Gazastreifens bedeutet, vor dem israelischen Parlament und sprach von „einer neuen und revolutionären Vision für den Tag nach der Hamas“. Die rechts-religiösen Siedler in der Regierung feierten erwartbar den Vorstoß, doch auch die israelische Mitte begrüßte die Idee.
Trump aber preschte dann weiter vor und formulierte zum zweiten Mal binnen einer Woche eine härtere Position als die Hardliner der israelischen Regierung. Nachdem die Hamas am Montag gewarnt hatte, die Freilassung weiterer Geiseln auszusetzen, drohte Trump der radikal-islamistischen Palästinensergruppe prompt mit einem Ende der Waffenruhe, wenn am Samstag nicht alle 76 Geiseln freikämen.
Wie durchdacht Trumps Vorgehen mit Blick auf Gaza ist, ist zweifelhaft. Denn bei aller Begeisterung in Israel: Er bringt das Land in eine schwierige Situation. Dass die Hamas einknickt ist unwahrscheinlich: Sie hat am 7. Oktober 2023 eines der zerstörerischsten Kapitel im israelisch-palästinensischen Konflikt eingeläutet und feierte sich dennoch in den Trümmern als Sieger. Zudem ist die Gruppe mutmaßlich gar nicht befähigt, alle Geiseln bis Samstag freizulassen, weil sie sich auch in der Hand anderer militanter Gruppen befinden sollen. Und schließlich müsste Trump Netanjahu dazu bringen, die Grundbedingung der Hamas für die Rückgabe aller Geiseln zu akzeptieren: ein Ende des Krieges.
Freilassung von neun lebenden Geiseln steht auf dem Spiel
Sollte die Gruppe nicht einlenken, kann Trump kaum noch von seiner Position abrücken, ohne sein Poltern als leere Drohung zu entlarven. Die israelische Führung hat nach einem Treffen des Sicherheitskabinetts am Dienstag zurückhaltender gewarnt: Der Krieg werde fortgesetzt, wenn am Samstag keine Geiseln freikämen. Eine Zahl wurde nicht genannt.
Womöglich aus gutem Grund: Mit einem Ende der Waffenruhe steht nicht nur die Freilassung von weiteren neun lebenden Geiseln in der ersten Phase auf dem Spiel. Trumps Vorschlag könnte das Land erneut in einen Krieg verstricken, der sich auch nach Einschätzung der israelischen Militärführung nicht militärisch gewinnen lässt. Zahlreiche Gebiete in Gaza hat Israel in den letzten 15 Monaten mehrfach eingenommen. Die Hamas existiert weiter.
Es sei denn, man nimmt Trump und Netanjahu beim Wort: Dann stünde den zwei Millionen Bewohnern des Gazastreifens womöglich wieder die Vertreibung an die Südgrenze des Küstenstreifens bevor. Und Washington könnte Ägypten solange unter Druck setzen, bis es seine Grenze öffnet. Das klingt absurd, doch die Drohungen Trumps verschieben die Grenzen des Vorstellbaren. Dass der Plan gegen Völkerrecht und die Genfer Konventionen verstößt, dürfte weder Trump noch Netanjahu stören. Letzterer sagte jüngst: „Wir werden diesen Job erledigen.“
Ob der Nachbarstaat Ägypten unter diesem Druck einknicken würde, ist schwer zu sagen: Zum einen hat das Land die Grenze zum Gazastreifen schwer befestigt. Zum anderen hatte Kairo schon im vergangenen Frühjahr vorsorglich ein Auffanglager in der Wüste errichtet. Falls Washington, wie es angedroht hat, Zahlungen einstellt, könnten das zumindest teilweise andere Geldgeber wie die Vereinigten Arabischen Emirate auffangen. In jedem Fall wäre aber das seit 1978 mit Israel bestehende Friedensabkommen, ein Grundstein der regionalen Stabilität, gefährdet.
Freie Hand für Netanjahu – doch was nun?
Auch Jordanien, das ebenfalls mit Israel Frieden geschlossen hat und finanziell abhängiger von Washington ist, kann sich innenpolitisch kaum erlauben, Trumps Forderungen nachzukommen: Bereits heute sind etwa die Hälfte der Jordanier Palästinenser.
Für Trump dürften manche dieser Überlegungen zweitrangig sein: Seine Aussagen zeugen vielmehr davon, dass er sich mit der Geschichte der Region und der möglichen Folgen für US-Verbündete kaum befasst hat.
Für Netanjahu bedeutet das einerseits freie Hand beim weiteren Vorgehen. Andererseits aber auch, dass der Verbündete in Washington seine Vorschläge nicht unbedingt zu Ende gedacht hat. Selbst das israelische Sicherheitskabinett soll rätseln: Was meint Trump? Und was nun?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wirtschafts- und Steuerpolitik der AfD
Mehr Geld für Superreiche
Dorothee Bär bei „Hart aber Fair“
Erste Unionspolitikerin sägt leise am Klimaziel
Berufsverbot für Klimaaktivistin
Zulassung zum Referendariat wird untersagt
AfD erbt 6 Millionen Euro
Reiche Rechtsextreme
Liberaleres Abtreibungsrecht
Keine Reform von Paragraf 218
Grünen-Kritik an Habecks Migrationsplan
„Vorauseilendes Anbiedern an Friedrich Merz“