Trumps Geschäfte: Der oberste Plutokrat
Seit 2016 recherchiere ich Geschäften und Kontakten von US-Präsident Donald Trump hinterher. Jetzt brauche ich eine neue Obsession.
B ald ist es vorbei. Spätestens am 20. Januar 2021 werde ich mir eine neue Obsession suchen müssen. Es wird sich schon was finden, unsere Epoche bietet einiges an verwirrenden Entwicklungen und beängstigenden Bedrohungen. Doch aller Wahrscheinlichkeit nach wird meine Existenz am Tropf der täglichen Nachrichten nicht so sehr auf eine Person fixiert sein, wie dies in den letzten vier Jahren der Fall war, sondern eher thematisch fokussiert. Höchste Zeit also, die Ära Trump Revue passieren zu lassen.
Als Mensch war Donald Trump von Anfang an völlig uninteressant, als Chiffre und Sinnbild hingegen von faszinierender Bedeutung. Meine Obsession begann an einem extrem kalten Januartag 2016. Als Wahrnehmung eines medialen Zirkus. Inmitten der Manege, alle Scheinwerfer auf ihn gerichtet und jede seiner Aussagen von Trommelwirbel untermalt, stand der Clown, der seine bösartige Verachtung über alles ergoss, was seiner egozentrischen Weltsicht nicht ins Konzept passte.
Schon früh war offensichtlich, dass dieser Digitalhofnarr eine hypnotisierende Wirkung auf die Medienwelt hatte. Schon wenige Wochen später hatte er die angeblich stärkste Riege von Kandidaten und einer Kandidatin aller Zeiten als Vertreter eines maroden Systems hinter sich gelassen und wurde zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei gekrönt. So endete der erste Akt dieser Tragikomödie und ich stand völlig in ihrem Bann.
Das Frühjahr verbrachte ich als Gastprofessor an dem renommierten Dartmouth College in New Hampshire. Es verfügt über eine außergewöhnliche Bibliothek, zudem kann man so gut wie jede existierende Publikation von einer der anderen Ivy-League-Universitäten bestellen. Ich nutzte die Gelegenheit und begann über diesen Mann zu recherchieren, der mir bis dahin nur als Bild geläufig war. Es dauerte nicht lange und ich hatte erstaunlich viel zusammengetragen über die wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtungen, die sein korruptes Wirken ausgemacht haben. Besonders auffällig: die engen, jahrzehntelangen Verbindungen zu russischen Oligarchen und Mafiosi, die ihr Geld mit seiner Hilfe wuschen; da besaß er noch Casinos in Atlantic City und schon Gespür für große Auftritte.
Seine halbseidenen, pseudolegalen Geschäfte waren kein großes Geheimnis, mit ein wenig Aufwand und etwas Zeit konnte man genug über ihn herausfinden, um zu wissen, dass er „bad news“ war. Aber offenbar nicht „schlechte Presse“, denn die Medien stürzten sich auf ihn und skandalisierten seine Sprüche, ohne sein bisheriges Verhalten als Geschäftsmann ausreichend zu thematisieren. So wurde er geradezu zur Karikatur des hässlichen alten weißen Mannes, aber nicht zum Symbol der plutokratischen Durchherrschung der Gesellschaft. Offensichtlich steht derart viel Information zur Verfügung, dass wir das Wesentliche zugunsten des Aktuellen aus den Augen verlieren.
Wäre er nicht zum Präsidenten gewählt worden, ich hätte mein Interesse wieder verloren. Stattdessen verbrachte ich täglich mehrere Stunden im Netz, recherchierte weiter und schrieb schließlich einen Roman über „Schiefer Turm“ und dessen schmutzige Hände („Doppelte Spur“). Der Mann im Weißen Haus beging derweil einen Tabubruch nach dem anderen, zwischendurch sorgte er aber für eine Steuerreform, die den Konzernen und den Ultrareichen ins Portfolio spielte. Er zerbrach so viel Porzellan, dass er manchen als Abrissbirne der Demokratie erschien.
Das täuschte. Trump war vielmehr der vorläufige Endpunkt einer Konzentration von Geld und Macht, die man gemeinhin Plutokratie nennt, salopp übersetzt: die „Herrschaft der Börse“. Wie die Journalistin Jane Meyer in ihrem großartigen Buch „Dark Money: The Hidden History of the Billionaires Behind the Rise of the Radical Right“ (leider noch nicht ins Deutsche übersetzt) anhand der Gebrüder Koch beschreibt, führen Milliardäre in den USA seit Längerem einen Krieg gegen jede demokratische Kontrolle der Wirtschaft, gegen ökologische Regulierung, gegen soziale Maßnahmen. Und sie sind enorm erfolgreich, in der Politik, in der Bildung, in der Mondlandschaft der Medien. Manche dieser Ultrareichen haben Trump schon früh unterstützt, die meisten anderen legten sich für ihn ins goldene Gewicht, nachdem er die Kandidatur gewonnen hatte. Und die russischen Oligarchen, die halfen auch, wie eh und je.
Für sich das Beste rausholen
Insofern irrte die konventionelle Weisheit, die davon ausging, dass Trump eine funktionierende Demokratie bedroht. Eher hat er aufgezeigt, wie sehr plutokratische Strukturen an die Stelle von Teilnahme und Mitbestimmung getreten sind. Was wiederum erklärt, wieso so viele Menschen für ihn gestimmt haben. Wären die meisten Wählerinnen und Wähler überzeugte Anhänger einer florierenden Demokratie, sie würden nicht für jemanden stimmen, der so offensichtlich selbstherrlich, menschenverachtend und inkompetent ist wie Donald Trump. Wenn wir aber annehmen, dass nicht wenige Menschen die existierenden Demokratiedefizite klar erkennen und die Hoffnung aufgegeben haben, etwas grundsätzlich zum Besseren ändern zu können, dann ergibt es Sinn, für sich das Beste aus einer misslichen Lage rauszuholen. Trump war somit eine zynische, aber realistische Wahl.
Ilija Trojanow
ist Schriftsteller, Weltensammler und Autor zahlreicher Bücher, darunter: „Macht und Widerstand“ und „Nach der Flucht“. Im August erschien sein neuer Roman „Doppelte Spur“ bei S. Fischer.
Diese geringen Erwartungen hat er erfüllt. Denn die Unterstützung plutokratischer Interessen durch Deregulierung und Subventionen wirft auch Arbeitsplätze ab, vor allem im Öl- und Gassektor und in den Branchen, die diesen versorgen. So wurden 2019 1,7 Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Wie teuer diese Arbeitsplätze längerfristig die Gesellschaft kommen werden, spielt keine Rolle, denn „Ökologie“ ist die Erfindung linker Spinner an Ostküstenuniversitäten. Dort also, wo ich genug über Trump erfuhr, um zu wissen, dass er angetreten ist, um aus der herrschenden Plutokratie eine Kakistokratie zu machen – die „Herrschaft der Schlechtesten“.
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