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Trump, Musk und die Tech-MilliardäreDigitale Monopolmacht

Gastkommentar von Anke Domscheit-Berg

Tech-Milliardäre in den USA versuchen, unsere Demokratie zu untergraben. Was dagegen hilft: eigene, nicht-kommerzielle soziale Netzwerke aufbauen.

Profitiert von der Macht der Tech-Milliardäre in den USA: Donald Trump in den Smartphones seiner An­hän­ge­r:in­nen Foto: Marco Bello/reuters

J ahrelang gab es Warnungen vor den Gefahren globaler sozialer Netze, die von Milliardären kontrolliert werden. Diese Plattformen sind die soziale Infrastruktur der digitalen Gesellschaft. Wie jede Infrastruktur hat ihr Zustand einen enormen Einfluss auf die Gesellschaft. Face­book etwa hat 3,07 Milliarden aktive Nutzer, das entspricht 37 Prozent der Weltbevölkerung. Die Manipulationsmöglichkeiten sind daher unfassbar und buchstäblich weltumfassend.

Anke Domscheit-Berg

ist Publizistin und war viele Jahre in der IT-Branche als Beraterin und Projektleiterin tätig, bevor sie 2017 für die Linkspartei in den Bundestag einzog. Seit 2021 ist sie Mitglied der Linken und dort digitalpolitische Sprecherin. Sie kehrte Musks Plattform „X“ den Rücken und postet vor allem auf Bluesky und Mastodon.

Für Millionen Menschen weltweit ist Facebook sogar gleichbedeutend mit dem Internet, weil die Plattform in ihren Handyverträgen inklusive ist und offene Datenverträge zu teuer für sie sind. Dieser Umstand wurde vor einigen Jahren den Rohingya in Myanmar zum Verhängnis: Auf Facebook wurde massenhaft Desinformation über diese muslimische Minderheit verbreitet, ohne dass es Überprüfungsmöglichkeiten im offenen Internet gab. Dass Facebook damit zur Vertreibung von 700.000 Menschen und massenhaftem Mord an Rohingyas beitrug, wies auch eine Untersuchung durch die UN nach.

2021 machte Meta-Whistleblowerin Frances Haugen öffentlich, wie das Unternehmen bewusst Kenntnisse über schädliche Wirkungen seiner Algorithmen ignorierte und wissentlich in Kauf nahm, dass dadurch Gewalt, Polarisierung und psychische Störungen mit schweren gesundheitlichen Folgen bei Jugendlichen zunahmen. Für mehr Werbeeinnahmen – und um damit einen unvorstellbar reichen Menschen noch reicher zu machen.

Öffentlicher und politischer Druck führte dazu, dass Meta seine Moderation verbesserte und Factchecking-Partnerschaften abschloss. All das will Milliardär Mark Zuckerberg nun wieder aufgeben. Und er macht damit klar: Völkermord, rassistische Übergriffe, Gewalt, Suizide bei Jugendlichen sind ihm schnurzpiep, solange die Kasse stimmt und sich sein Milliardenvermögen weitervermehren kann. Denn unter einer Trump-Regierung braucht er Sanktionen der US-Politik nicht zu fürchten, im Gegenteil, er rechnet sogar fest mit Schützenhilfe gegen Regulierungen der EU.

Kniefall der Tech-Milliardäre

Eine Handvoll weißer, männlicher Tech-Milliardäre macht sich lieb Kind mit einem kriminellen, rücksichtslosen, narzisstischen Milliardär, der zum zweiten Mal Präsident der USA werden wird. Donald Trump ist nicht nur ein verurteilter Straftäter, Sexist und notorischer Lügner, er verachtet auch die Demokratie, ihre Institutionen und Prozesse, er lebt in einer Welt alternativer Fakten und will sich zum Herrn einer Diktatur aufschwingen.

Vor diesem Hintergrund ist der Kniefall der Tech-Milliardäre zu betrachten: das Verbot einer Wahlempfehlung für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris in der Washington Post seitens des Eigentümers Jeff Bezos, die diversen Millionenspenden für Trumps Amtseinführungszeremonie von Tech-Unternehmen wie Google, Amazon, Meta, Apple, und eben auch die aktuelle Kehrtwende von Zuckerberg.

Digitale Monopole stellen heute gewaltige Machtkonzentrationen dar, die nicht nur in einem einzelnen Land Politik und Gesellschaft beeinflussen können, sondern weltweit. Deshalb wirkt sich das Stiefellecken der US-Milliardäre bei Trump auf uns alle aus, auch in Europa. Und deshalb hängt so viel davon ab, ob wir uns gemeinsam dagegen wehren.

Offensichtlich sorgen sich Musk und Zuckerberg nur noch vor der EU als regulierender Kraft. Denn der Digital Services Act verpflichtet sehr große Online-Plattformen dazu, ihre strukturellen Risiken, wie Gewalt, Rassismus, Jugendgefährdung, zu beurteilen und diese zu minimieren. Tun die Unternehmen das nicht, kann es wegen der EU-Sanktionen sehr teuer für sie werden, oder die Plattformen könnten sogar verboten werden. Dagegen könnten sich nicht einmal Tech-Milliardäre wehren. Vermutlich deshalb gelten die neuen Regeln noch nicht für die EU.

EU-Ermittlungsverfahren gegen Plattform X

Mit ihrer Willfährigkeit gegenüber Trump und seiner kreuzgefährlichen politischen Agenda hoffen die Tech-Milliardäre aber, die EU-Regulierung ganz aushebeln zu können – durch staatliche Erpressung. So kündigte Zuckerberg an, dass er „mit Präsident Trump zusammenarbeiten“ werde, um gegen fremdstaatliche Regierungen vorzugehen. Trumps Vize J. D. Vance erklärte öffentlich, dass die US-Mitgliedschaft in der Nato davon abhänge, wie stark die EU US-Tech-Konzerne reguliere.

Laufende EU-Ermittlungsverfahren gegen die Plattform X und mehrfacher öffentlicher Schlagabtausch zwischen Elon Musk und Ex-EU-Kommissar Thierry Breton haben die Bedrohung real werden lassen. Die Erwartung, man könne sich als US-Unternehmen der Regulierung durch andere Staaten entziehen, selbst wenn man in diesen Staaten eine extreme Marktmacht besitzt, ist hanebüchen.

Möglicherweise spielt außerdem ein anderer Aspekt eine Rolle: Neid innerhalb der Tech-Milliardärs-Elite. Manche können vielleicht nicht ertragen, dass Schmuddelkind Elon eine engere Beziehung zum Weißen Haus hat als sie. Also opfern sie einer nach dem anderen ihre Werte, um gleichzuziehen. Alte weiße Männer zündeln so gemeinsam, nehmen Gewalt, Terror und Polarisierung in Kauf, weil ihnen der Rest der Welt egal ist.

Darauf gibt es nur eine angemessene Reaktion: den Beweis des Gegenteils, also den Digital Services Act der EU kompromisslos anwenden und damit zeigen, dass wir unsere europäische Unabhängigkeit, politische Stärke und unser Wertesystem nicht von US-Tech-Milliardären zerstören lassen. Es braucht künftig aber auch ein gemeinwohlorientiertes soziales Netz, eine nichtkommerzielle soziale Infrastruktur der digitalen Gesellschaft als Teil der Daseinsvorsorge, die – europäisch getragen – die Vernetzung und Kommunikation zwischen Menschen ermöglicht. Langfristig müssen wir mit der Abhängigkeit von digitalen Monopolen brechen, denn ihr Zerstörungspotenzial ist inakzeptabel hoch.

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15 Kommentare

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  • Ich mach mal Unternehmensberatung für Tech - und andere Milliardäre. Es gibt halt Freitage, da bin ich größenwahnsinnig. Kannichnixfür.



    Ihr wollt also Demokratie zerstören. Weil ihr könnt. Das wollten vorher schon andere und haben (zB Hugenberg) Diktatoren zur Macht verholfen. Aber erinnert euch: ihr seid in Demokratien reich geworden. Und wollt selbst in einer leben. Keiner von euch ist nach China gezogen. Da ist es auch schön, aber man kann dort plötzlich für Monate verschwinden, auch als Milliardär.



    Wenn ihr die westlichen Demokratien in Autokratien und Diktaturen verwandelt, dann werden die Diktatoren Zeichen setzen, dass sie sich nicht von euch auf der Nase rumtanzen lassen. Egal welche Puppe ihr installiert.



    Und dann werden aller security zum Trotz ein paar von euch eingelocht. Da helfen, Mark Z., auch keine Atombunker auf Hawaii.



    In Guantanamo sind gerade ein paar Plätze frei geworden.

  • An Faktenchecks und der taz kann man das Problem illustrieren. Ich bin für die Checks. Aber.



    Wer hier - wie ich vor 1 Jahr einen Kommentar schrieb, der Trump als Werkzeug der ihn finanzierenden US-Milliardäre beschrieb, musste erleben, dass der Kommentar als Verschwörungstheorie nicht online ging. Herausmoderiert durch Faktenchecks. Obwohl auch fürs Gegenteil es keine nachprüfbaren Fakten gab. Inzwischen habe sich aufgrund des Erfolgs ihrer Spenden die Milliardäre - nicht nur Musk - ziemlich offen als Trump Fans geoutet.



    Ob man es jetzt eine Verschwörung nennt oder nicht - das Obskure ist aus der Idee raus. Jeder kann sehen, daß etwas dran ist. Und das offenbar nicht erst seit einem Jahr. Sondern wohl schon deutlich länger.



    Faktenchecks haben also - nicht nur in der taz- verhindert, daß etwas online ging, das möglichst früh als Warnung zu verbreiten wichtig gewesen wäre.



    Blöd.



    Es muss etwas besseres her als bisher.



    Und von den achso tollen Chefs der Unsozialen Medien haben wir da nix zu erwarten.

  • Interessant wäre, zu erfahren, wann sich die Tech-Milliardäre dazu entschlossen haben, die westlichen Demokratien für ihre Ziele zu untergraben. Haben sie das besprochen und gemeinschaftlich angegangen? Oder reichen die jeweils individuellen Ziele aus, dass sie zufällig alle auf dasselbe Ergebnis hin arbeiten...



    Die Tech-Milliardäre haben in Autokratien und Diktaturen mehr Möglichkeiten sich ohne allzuviel politische Einmischung durchzusetzen (Ausnahme: China. Da sitzt die KP am längeren Hebel...) Deshalb wanzen sie sich an die Rechtsaußen-Autokratiefans heran.



    Wenn es schon eine Weile her ist, dass "die Tech-Milliardäre" ihre Ziele definiert haben -sagen wir: 2015 - dann ist Trump vielleicht nur der, auf den ihre Wahl für die Front-Puppe gefallen ist.

  • Eigene, nicht-kommerzielle soziale Netzwerke aufbauen?

    Als wenn das in der Vergangenheit nicht immer wieder versucht wurde und letztlich meist an der Finanzierung gescheitert ist.

    Die Tech-Welt ist getrieben vom Geld, ja selbst die Forschung ... und ohne irgendwelche Monetarisierungsaussichten investiert niemand.

    Gemeinwohl und Kapitalismus - ein Widerspruch in sich.

    • @EDL:

      Persönlich bin ich ich der glücklichen Lage, bisher ohne irgendein "soziales" Netzwerk sehr gut über die Runden gekommen zu sein, ich persönlich brauche auch kein neues, egal, mit welcher Tarnung.



      Mir ist klar, das es so für sehr viele nicht mehr funktioniert. Warum es allerdings derart ausarten musste, werde ich wohl nie verstehen. Aber eigentlich schon, man sagt es halt so....

  • Da reden wir über Wahlmanipulation von Putin, wo die aktuelle Gefahr doch auch ganz öffentlich X und Musk heißt.

  • Ja, wir sind selbst schuld; der erste Schritt in diese Krise war zu glauben, dass das Internet umsonst sein muss. Nix bezahlen für alles. Das geht nicht gut.



    Und somit, wie immer: Who pay's?



    Rechnung sehen wir gerade! Hoffentlich überlebt die Demokratie dieses Ding.

  • Guter Ansatz, leider wohl nicht sehr erfolgversprechend.

    Soweit ich das sehe, sind alle nicht-kommerziellen und teils menschenfreundlichere Alternativen nicht aus der Nische herausgekommen. Linux? Telegram? Ecosia? Firefox?

  • "Alte weiße Männer zündeln so gemeinsam, nehmen Gewalt, Terror und Polarisierung in Kauf, weil ihnen der Rest der Welt egal ist."

    Wenn sie denn wenigstens alle alt wären, das wäre etwas beruhigend. Mit Peter Thiel und Elon Musk, sowie vor allem auch J.D. Vance oder Mark Zuckerberg wird die Welt leider wohl noch die nächsten Jahrzehnte zu tun haben.

    • @doda:

      Biologisch gesehen sind sie keine "alten weißen" Männer. Ideologisch gesehen schon. Oder, wie es mein Gastgeber (62 Jahre alt) hier in Spanien formuliert: was interessiert mich der Klimawandel (wahlweise auch andere Probleme und Krisen), Hauptsache, mir geht es gut und außerdem bin ich ja dann schon tot.

  • Schade. Wie schon öfter sind die Fakten und Bedrohungen gut zusammengetragen, aber der Schluss bleibt nichtssagend.



    „ gemeinwohlorientiertes soziales Netz, eine nichtkommerzielle soziale Infrastruktur der digitalen Gesellschaft“



    Wie sollte so ein Netz aussehen? Wer bezahlt es? Der Steuerzahler? Wer betreibt es? Ein Staat? Welcher? Einer der gerade nach rechts schwenkt?



    Gibt es Beispiele? ZB aus Staaten die Facebook etc verboten haben?

  • Für mich, und natürlich nicht von alleine, ich hatte aus heutiger Sicht verantwortungsvolle Lehrer: innen pp., war das absehbar, weil neoliberaler Unsinn, zB Marktradikalismus, der Unternehmer von gewisser Größe und Wichtigkeit der Branche als besondere! Elite, Dankbarkeit und Abscheu vor Gewerkschaften und Regeln hat gefälligst alle anderen Menschen zu prägen, dazu führen muss, dass das Gehirn irgendwann nicht mehr mitkommt und diese Leute dem Wahnsinn, oder diesem ähnliche Zustände verfallen.

  • Ja, volle Zustimmung. - es kommt darauf an, eigene soziale Netzwerke aufzubauen. - ich denke, die Situation ist vergleichbar mit der Situation im



    19. Jahrhundert, als die besitzenden Klassen durch keinerlei Schranken daran gehindert wurden, ihre Interessen durchzusetzen. - dann entstanden die Gewerkschaften und die Situation hat sich erst nach und nach und schließlich dramatisch verändert. - genauso ungezügelt gehen in der Gegenwart die Besitzer der großen sozialen Netzwerke vor. - es ist an der Zeit, dem ein Ende zu setzen und es kann bestimmt gelingen.

  • Ich habe mich schon lange von allen Social Media Networks verabschiedet, aber empfehlen kann ich Mastodon. Keine Werbung, kein Algorythmus, kein gieriger Techkonzern dahinter. Vielleicht noch Bluesky, damit habe ich aber keine Erfahrung. Generell sind - meiner Ansicht nach - die führenden Netzwerke wie Meta und X von social weit entfernt und dienen vielmehr als gesellschaftliche und politische Brandbeschleuniger.

    • @Minelle:

      Ihre Ansicht wird mittlerweile von Menschen vertreten, die maßgeblich an diesem ganzen Müll mitgearbeitet haben und es heute bedauern.



      Aber ich glaube, ohne die hätten es dann andere getan, Einsteins Spruch vom Universum und der menschlichen Dummheit wird rasant realistischer.