Trends bei Ernährung: Bio, regional, weniger Fleisch
Der Trend zu nachhaltig produzierten Lebensmitteln trotzt der Inflation. Das zeigt die Biofach, die weltgrößte Öko-Messe. Doch etwas ist anders.
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Als wegen Corona das Leben stillstand, Restaurants und Kantinen geschlossen waren – da meldete die Branche Rekorde. Der Umsatz mit Biolebensmitteln stieg im Jahr 2020 um satte 20 Prozent. Mittlerweile aber reißen steigende Preise Löcher in den Geldbeutel – und Biolebensmittel sind im schnitt meist etwas teurer als andere. Doch der Appetit der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Bio bleibt. Nur kaufen sie die Ökoeier, -tomaten, -bananen derzeit eher in Discountern und Supermärkten, weniger in den Bioläden. Die spüren einen rückläufigen Umsatz. Insgesamt aber gaben die Menschen hierzulande von Anfang Januar bis Ende Juni diesen Jahres im Vergleich zur selben Zeit im Jahr 2019, also zu Vor-Corona-Zeiten, 35 Prozent mehr für Bio aus. Das erklärte am Dienstag der Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft, der BÖLW, auf der Biuofach. Demnach sind die Preise für Bio im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 um 5,2 Prozent gestiegen, für konventionelle Lebensmittel waren es 8 Prozent. Bio-Landwirte kämen zum Beispiel ohne den derzeit besonders teuren Kunstdünger aus, das mache unter anderem den Unterschied aus, so der BÖLW.
Eine Ernährungswende ist das aber nicht – zumindest nicht gemessen an den Zielen der Ampel-Koalition. Denn die will 30 Prozent Ökolandwirtschaft bis zum Jahr 2030, noch machen die Ökoäcker und -weiden in Deutschland aber nur 11 Prozent aus. Der BÖLW forderte darum mehr finanzielle Anreize, Betriebe auf Öko umzustellen. Aber auch der Absatz stimmt noch nicht, er muss weiter: hoch. Eine Idee: Künftig soll es in Kantinen öffentlicher Einrichtungen mehr Bio geben – verpflichtend. Vorbild ist die dänische Hauptstadt: In den Kitas oder Seniorenheimen Kopenhagens beträgt der Bio-Anteil am Katinenessen längst 90 Prozent.
Aber ist Bio immer besser? Die Tiere auf dem Biohof haben mehr Platz, die Umwelt wird stärker geschont, die Böden sind gesünder. Das schon. Aber die Erträge sind auch niedriger, das heißt, es werden pro Tonne Ertrag auch mehr Flächen gebraucht. Professor Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons (MCC) in Berlin forscht seit Jahren zur Ökobilanz der Landwirtschaft. Er sagt: „Bio ist schon gut“. Die konventionelle Landwirtschaft sei zwar produktiver, „lebe aber auf Pump, die Böden leiden, verlieren an Fruchtbarkeit.“ Und: Die Biobauern verzichten auf Kunstdünger und chemisch-synthetische Pestizide, die sonst mit viel Energie hergestellt werden – „das ist wertvoll und trägt zur Energiesicherheit bei.“ Nur gebe es ein Problem: die Fleischproduktion.
Nur Bio zu kaufen reicht nicht
Laut Weltklimarat entstehen bis zu 37 Prozent der globalen CO2-Emissionen durch die Produktion von Nahrungsmitteln – 60 Prozent davon gehen auf das Konto der Tierhaltung. Da seien zum einen, so Creutzig, die Methan-pupsenden Rinder, die die Erde aufheizten. Zum anderen würden mehr als die Hälfte aller Anbauflächen in der EU und den USA für die Futterproduktion genutzt. Das sei zu viel – egal ob bio oder nicht. Denn natürlich stößt auch die ökologische Landwirtschaft Treibhausgase aus, auch wenn sie im Vergleich besser abschneidet.
Im Jahr 2021 hat im Schnitt jede und jeder in Deutschland etwa 55 Kilogramm Fleisch gegessen, 2020 waren es zwar noch zwei Kilo, 2011 sogar noch fast 8 Kilo mehr. Doch müssten die Menschen bei Wurst und Schnitzel weiter abspecken, meint Creutzig: „Rein aus CO2-Sicht müssen die Tierbestände weltweit um den Faktor zehn gemindert werden.“ Ganz ohne Tiere gehe es nicht, da es Regionen auf der Welt gebe, in denen nichts als Gras wachse. Und das könnten nunmal nur Rinder verdauen. Wer dann noch die lokale Wirtschaft stärken wollen, achte auf regionale Produkte. Das sei auch für das Klima noch ein kleines Plus. Denn je kürzer die Transportwege, umso weniger Energie wird verbraucht.
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