Traumatisierung in Kriegsgebieten: Es bleiben Narben

Kriege und Konflikte traumatisieren Menschen. Doch für die Behandlung der psychischen Leiden ist oft keine Zeit. Eine Konferenz ringt um Angebote.

Syrischer Flüchtling – Kriege hinterlassen auch ihre Spuren in der Seele. Bild: dpa

BERLIN taz | Mehr als 50 Millionen Menschen sind im Jahr 2014 weltweit auf der Flucht. Das sind mehr Menschen als Spanien Einwohner hat. Fast alle kommen aus Kriegsgebieten, die meisten aus Afghanistan und Syrien. Viele von ihnen sind durch die Erlebnisse in ihrer Heimat oder auf der Flucht schwer traumatisiert. Da sich asylpolitische Debatten vor allem um die Unterbringung der Flüchtlinge drehen, gerät die psychische Verfassung der Menschen zunehmend aus dem Fokus.

Anlass genug für die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPG) die Folgen von Kriegstraumata und mögliche Hilfsangebote auf ihrem Kongress in Berlin zu thematisieren. Neben Medizinern der Berliner Universitätsklinik Charité berichteten auch zwei syrische Flüchtlinge von ihren Erfahrungen auf der Flucht: die Journalistin und Autorin Khawla Dunia und ein politischer Aktivist aus Syrien, der erst vor kurzer Zeit in Deutschland angekommen ist.

Khawla Dunia, die sich für Menschen- und Frauenrechte einsetzt, wurde wie viele andere Journalisten in Syrien politisch verfolgt. Ihre Flucht per Flugzeug hat, wie sie selbst zugibt, wenig mit der Flucht der anderen Hundertausend Syrer gemein, die in der Regel mit Hilfe von Schleppern auf dem Seeweg nach Europa gelangen.

So auch Abdul. Der Aktivist berichtet von seiner abenteuerlichen Flucht über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Ungarn und Österreich nach Deutschland. „Viele Flüchtlinge haben sowohl physische als auch Erkrankungen psychischer Art“, sagt er. Viele hätten in den Kriegsgebieten Gewalt und Misshandlungen erfahren.

Er kenne einen Mann, der so starke Angststörungen habe, dass er nicht einmal mehr alleine auf die Toilette gehen könne. „Den Menschen in Syrien geht es vor allem darum, etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf zu haben", sagt Abdul. „Mit seelischen Belastungen können sie sich gar nicht erst auseinandersetzen.“

Hilfsprojekt der Charité

Das Hilfsprojekt „CharitéHelp4Syria“ setzt genau da an. Gefördert vom Auswärtigen Amt kümmert es sich um die psychologische Behandlung syrischer Flüchtlinge in Jordanien. Vor Ort haben bislang zehn Psychiater an einer Schulung über Standardtherapien zur Behandlung von Posttraumata und Depressionen teilgenommen. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt bis zu 2000 traumatisierte Patienten zu erreichen. Die Berliner Psychologen unterstützten die Kollegen in Jordanien durch eine wöchentliche Online-Supervision und einen monatlichen Vor-Ort-Besuch, sagte Bajbouj dem Ärzteblatt.

Die Angehörigen der Erkrankten seien oft ebenfalls von seelischen Strapazen des Familienmitglieds betroffenen, sagt er. Das Projekt soll in Jordanien noch wachsen und künftig auch auf andere Krisengebiete ausgeweitet werden.

Traumatisierte Soldaten

Nicht nur Einheimische, sondern auch Soldaten sind mit traumatischen Erlebnissen konfrontiert. Das bestätigt Peter Zimmermann, Leiter des Zentrums für Psychiatrie und Psychotraumatologie am Bundeswehrkrankenhaus Berlin: Bundeswehrsoldaten seien auch von Posttraumata, Angst- und Suchterkrankungen betroffen. Dieser Umgang ist noch recht neu. Noch bis vor wenigen Jahren galten traumatisierte Soldaten als „Kriegszitterer“.

Die Bundeswehr bietet traumatisierten Soldaten eine psychologische Therapie an. Und Prävention zum Beispiel vor Einsätzen in Ebola-Gebieten. „Aber nur zehn bis 20 Prozent der Betroffenen gehen in Therapie“, sagt Peter Zimmermann. Wichtig sei, dass man die Erfahrungen und Erlebnisse der Menschen ernst nimmt. Denn auch bei der Bundeswehr sind psychische Erkrankungen bei vielen noch ein Tabu.

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