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Traumatisierte Bun­des­wehr­sol­da­t:in­nenZahl stark gestiegen

Einsatzbedingte psychische Störungen nehmen zu. Das geht aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor.

Afghanistan-Rückkehrer:innen: Nicht wenige von ihnen kommen mit einem Trauma nach Hause Foto: reuters

Berlin afp | Die Zahl der traumatisierten Soldaten in der Bundeswehr wächst einem Bericht zufolge stark und kontinuierlich. Wurden im Jahr 2013 noch 602 Soldatinnen und Soldaten wegen einsatzbedingter psychischer Störungen in psychiatrischen Kliniken behandelt, so waren es 2019 schon 1006 und 2020 bereits 1116, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf die Antwort des Bundesverteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion berichtete.

Für die ersten fünf Monate dieses Jahres gibt das Verteidigungsministerium dem Bericht zufolge die Zahl mit 762 an. Auch die Zahl der erstmals diagnostizierten und vermutlich aus dem Einsatz herrührenden psychischen Störungen sei zuletzt von 290 im Jahr 2019 auf 301 im Jahr 2020 gestiegen. Für die ersten fünf Monate im laufenden Jahr habe das Ministerium die Zahl mit 150 angegeben.

Der Verteidigungsexperte der Linksfraktion, Matthias Höhn, sagte den Blättern dazu: „Jahr für Jahr steigt die Anzahl traumatisierter Soldatinnen und Soldaten. Auch diese bedrückende Wahrheit gehört zur Bilanz der Einsätze in Afghanistan und anderswo.“ In Mali drohe nun „ein zweites Afghanistan“.

Höhn fügte hinzu: „Bundesregierung und Bundestag sollten sich genau überlegen, welche langfristigen Konsequenzen solche gefährlichen Einsätze haben“. Es brauche eine breite Debatte in Politik und Gesellschaft, wie mit der steigenden Anzahl an erkrankten Soldatinnen und Soldaten umzugehen sei. Betroffene bräuchten Gehör, Sichtbarkeit und Hilfe. Vor allem hätten sie Anspruch darauf, dass Regierung und Bundestag den Sinn von Auslandseinsätzen genau prüften.

Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ist seit kurzem beendet. Die beiden Mali-Einsätze gehen allerdings weiter, einer wurde zuletzt ausgeweitet. Ende Juni wurden bei einem Anschlag in dem Land zwölf deutsche Soldaten verletzt.Insgesamt ist die Bundeswehr dem Bericht zufolge derzeit in elf Auslandseinsätzen engagiert, 25 Einsätze seien abgeschlossen.

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8 Kommentare

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  • Afghanistan ist leider der Beweis für die Unsinnigkeit der Auslandseinsätze der Bundeswehr, die m.E. viel zu leichtfertig vom Parlament abgesegnet werden nach dem Motto, dass es einem ja selbst nicht betrifft.



    Die Illusion, mit Waffen friedliche Zustände herzustellen, ist doch schon längst widerlegt.



    Afghanistan war für die USA ein reiner Rachefeldzug, zulätzt kämpften die USA gegen die Bevölkerung. Die Bundeswehr kam mit der Absicht, den Menschen zu helfen und waren in den letzten Jahren nur noch mit Selbstverteidigung beschäftigt. Hinzu verursachten deutsche Soldaten ein Massaker an Zivilisten infolge des Tankwagenbeschusses.



    Der Einsatz in Mali war gedacht als Entlastung der französischen (Besatzungs-) Armee und kam zustande aufgrund der Bitte der französischen Regierung. Den Franzosen geht es ausschließlich um die Sicherung der Uranvorkommen. Mali ist also ein kolonialistisch motivierter Einsatz.



    Andere Militäreinsaätze, insbesondere der Nato, haben Chaos und Zerstörung bewirkt. Umso bedenklicher ist die zunehmende Konzentration aufs Militärische. Ich denke da an das Pressefoto von Robert Habeck mit Stahlhelm in der Ukraine. Ein Angebot an die Stahlhelmfraktion. Daran möchte sich die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nicht gewöhnen. Hier agiert der Bundestag mit Ausnahme der Linken gegen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung.

    • @Rolf B.:

      Der Kampf -mit Waffen- gegen Nazideutschland, hat einen im Vergleich sehr friedlichen Zustand herbeigeführt. Der Kriegseintritt der USA war an dieser Stelle zielführend. Auch ein Unterlassen kann schädlich sein. Womit Sie aber Recht haben, es ist wohl die Ausnahme.

      • @BluesBrothers:

        Einspruch.



        Der Sieg über Nazideutschland, also die militärische Zerschlagung, war das Resultat eines Angriffskrieges, den Nazideutschland führte. Da hat kein Land Nazideutschland deshalb angegriffen, weil die Nazis so menschenfeindlich waren oder Juden ermordeten.



        Man sollte also Äpfel nicht mit Birnen vergleichen.



        Adghanistan ist ein gutes Beispiel für den Irrsinn, Konflikte und/oder Menschenrechte militärisch zu klären. Genau so Irak oder Libyen. Und dennoch setzen bestimmte Politiker immer noch darauf, Konflikte oder Interessen militärisch zu lösen bzw. durchzusetzen.



        Das ist das Tragische, dass sowohl Grüne als auch andere Parteien noch immer den "geistigen Stahlhelm" nicht ablegen können. Habeck hat ihn sogar in der Ukraine wieder aufgesetzt.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Das Militär kann Probleme nicht lösen, es kann aber Situationen herbeiführen in denen Politiker Lösungen finden können, so eine Situation hatte man 2002 die Taliban waren besiegt, aber dann scheiterten die Politiker daran die Taliban in die neue Ordnung einzubinden und gleichzeitig die Warlords als Machtfaktor auszuschalten.



      Darüber hinaus gelang es den Politiker nie Iran und Pakistan (insbesondere den Geheimdienst ISI) als konstruktive Akteure für ein friedliches Afghanistan einzubinden. Darüber hinaus waren die Kräfte einfach viel zu gering, man kann Afghanistan schon militärisch befrieden aber dann muss man in jedem größeren Dorf Truppen stationieren.

      So wie die Amerikaner während der Surge im Irak, gleichzeitig wurden sunnitische Stämme eingebunden und man gewann den Kampf gegen Al-Quaida. Es ist also möglich militärisch-politisch zu "gewinnen" man muss nur entsprechend Kräfte haben und Lokale Akteure einbinden. Beides geschah in Afghanistan nicht.



      Im Irak scheiterte man mittelfristig weil pro-iranische schia-chauvnistische Kräfte die Macht übernahmen und sich nicht an die amerikanischen Absprachen mit sunnitischen Stämmen hielten und zehntausende trainierte Sunniten aus dem Sicherheitsdienst entließen (Söhne des Iraks hieß der) die kämpften dann später für den IS.

  • Warum sollten wir Mitleid mit Leuten haben die morden zu Ihrem Beruf machen? Wer sowas macht, hat schon vorher oben nicht alle Gewürzdosen im Regal stehen.

    • @danny schneider:

      Ich meine, dass vergleichsweise gut aufgebaut und gesteuert ein Bild (von Krieg, Armee, Leben pp.) für die dafür empfänglichen Menschen entsteht, dem sie auf den Leim gehen, weshalb es auch zu den bekannten Auswüchsen kommt. Diese Manipulation kann man mE den betroffenen Menschen nicht vorwerfen; deren Leben endete im Prinzip bereits in der Kindheit. Ich werfe sie jedoch der Politik vor.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @danny schneider:

      Mord ist wenn man ohne gesetzliche Grundlage tötet, Bundeswehrsoldaten dürfen aber töten, dafür gibt es gesetzliche Regelungen.

  • In den Verwaltungsbehörden dürfte es ein ähnliches Bild geben. Stellenstreichungen. Keine oder nur schleppende Neubesetzungen pp., sowie brutale Verteilungskämpfe im Vorgesetzten-Milieu tun ihr Übriges.