Trassenpreise für Züge: Bahnbranche will Schienenmaut dämpfen
Die Gleisnutzung wird teurer – und die Verkehrswende gerät in Gefahr. Der Verband der Verkehrsunternehmen schlägt deshalb ein neues Preissystem vor.
Betreiber der Züge, die auf dem deutschen Schienennetz fahren, müssen die Trassenpreise – eben eine Art Schienenmaut – an den Betreiber der Infrastruktur zahlen. Die meisten Kilometer Schieneninfrastruktur betreibt die DB Infrago. Die Infrastrukturtochter der Deutschen Bahn kündigte vor Kurzem an, dass die Trassenpreise schon Mitte Dezember dieses Jahres um durchschnittlich 6 Prozent steigen könnten, ein Jahr später droht eine Steigerung von rund 19 Prozent im Durchschnitt.
Der Grund für die deutlichen Erhöhungen ist der Finanzierungsmechanismus, den die Bundesregierung für die DB ausgetüftelt hat: Anstatt der Bahn nur auf direktem Wege über den Bundeshaushalt für das Jahr 2025 Gelder zuzusprechen, hat die Ampelkoalition beschlossen, auch das Eigenkapital des Staatskonzerns zu erhöhen – an der Schuldenbremse vorbei. So sollen insgesamt 10,4 Milliarden Euro bereitgestellt werden.
Für die Eigenkapitalerhöhung muss die DB jedoch Zinsen an den Bund zahlen. Die Zinsen muss wiederum die Infrago aufgrund einer gesetzlichen Regelung erwirtschaften, und ebendieses Geld soll durch höhere Trassenpreise zusammenkommen.
VDV schlägt zwei neue Modelle vor
Um den Teufelskreis zu durchbrechen, schlug der VDV am Montag zwei neue Modelle für das Trassenpreissystem vor. Das erste Modell trägt den Namen „Nachjustierung“: Damit soll etwa eine Grenze für Steigerungen der Schienenmaut festgelegt werden. Laut Vizepräsident Berends ist das Modell kurzfristig umsetzbar, hat deshalb allerdings auch Nebenwirkungen: Bundesländer könnten sich unter Umständen trotzdem nur noch ein kleineres Nahverkehrsangebot leisten, müssten also Busse und Bahnen abbestellen. Oder die Verkehrsbetriebe müssten die Ticketpreise erhöhen, beispielsweise im Fernverkehr der DB oder beim 49-Euro-Ticket – ein weiterer Nachteil für Kund:innen.
Das zweite Modell, „Neukonzeption“, ist umfassender. Kernpunkt dieses Vorschlags ist, dass die Schienenmaut nur noch auf Grundlage der Kosten berechnet wird, die tatsächlich für eine Zugfahrt anfallen. In anderen europäischen Staaten ist das schon der Fall. Allein in Deutschland kann die DB Infrago auch sonstige Kosten, die sie für den Betrieb der Infrastruktur tragen muss, über die Trassenpreise reinholen.
Joachim Berends, VDV-Vizepräsident
Der VDV will seine Modelle jetzt an das Bundesverkehrsministerium herantragen und innerhalb der nächsten sechs Monate ausloten, wie sie sich rechtlich umsetzen ließen. „Die Not ist groß“, machte Berends deutlich. „Stark steigende Trassenpreise führen zur Verlagerung von Verkehren von der Schiene auf die Straße.“ Güterbahnen könnten zum Beispiel kaum mehr mit Lkws mithalten. Dabei will die Bundesregierung für eine klimafreundliche Verkehrswende eigentlich Transporte von der Straße auf die Schiene holen.
Um den steigenden Trassenpreisen etwas entgegenzusetzen, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), er werde die Zinsen für das Eigenkapital der DB Infrago ab 2026 von 5,9 auf 2 Prozent senken. Laut Matthias Gastel, Bahnpolitiker bei den Grünen im Bundestag, müsse das „jetzt schnell durch das Ministerium aufgegleist werden“. Langfristig aber sei das nicht genug. „Wir müssen ran an die verfehlte Systematik der Trassenpreise und für eine Senkung oder eine flexiblere Ausgestaltung sorgen“, sagt auch Gastel.
Kurzfristig müsse das Instrument der Trassenpreisförderung herhalten: Im Haushalt für das Jahr 2025 hat der Bund die Förderung auf 275 Millionen Euro erhöht. Dieses Geld bekommen die Bahnunternehmen, um die hohen Entgelte stemmen zu können. Doch selbst das reiche nicht aus, um höhere Ticketpreise oder kleinere Angebote zu verhindern, wie Verbände erst vergangene Woche warnten. Das Bündnis, zu dem unter anderem die Klima-Allianz und die Eisenbahngewerkschaft EVG gehören, forderte für 2025 deshalb weitere 100 Millionen Euro Trassenpreisförderung für den Gütertransport und 300 Millionen Euro für den Personenverkehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen