Transparente Sportausschuss-Sitzung: Die CDU stellt sich quer
Nach negativen Presseberichten tagt der Sportausschuss des Bundestages seit 2011 kaum noch öffentlich. Viele Parteien würden das gern ändern.
Berlin taz | Zehn Mal hat der Sportausschuss des Bundestages in dieser Legislaturperiode getagt. Zehn Mal hinter verschlossenen Türen, also „nicht öffentlich“. Zehn Mal haben die Sportpolitiker die Chance verpasst, ihre parlamentarische Arbeit transparent zu machen für interessierte Bürger und die Medien. Die Öffentlichkeit muss seit 2011 immer dann draußen bleiben, wenn mittwochs im Paul-Löbe-Haus der Sportausschuss tagt. Nur in Ausnahmefällen darf sie den Sitzungsraum betreten, etwa bei öffentlichen Anhörungen.
Es waren die Fraktionen der damals regierenden CDU/CSU und der FDP, die aus den bis dato zumeist öffentlichen Sitzungen des Sportausschusses geschlossene Veranstaltungen gemacht haben. Journalisten hatten 2011 darüber berichtet, wie Abgeordnete auf ihrem iPad herumspielten, einschliefen oder mit fundiertem Nichtwissen auffielen. Dieser Blick in die Herzkammer der Politik war vor allem CDU-Politikern zu viel, sie pochten auf Einhaltung der Geschäftsordnung des Bundestages, und in der steht unter Paragraf 69, dass die Ausschüsse des Bundestages grundsätzlich nicht öffentlich tagen.
Es sind auch heute die Christdemokraten, die an dieser Praxis festhalten will. Sportausschuss-Obmann Eberhard Gienger, ein ehemaliger Erfolgsturner, lässt mitteilen, dass sich öffentliche Sitzungen „nicht bewährt“ hätten. Sie hätten zu „negativen Folgeeffekten“ geführt oder „die eigentliche Beratungsfunktion“ des Ausschusses negiert.
Außerdem stehe in dieser Runde nicht die parteipolitische Auseinandersetzung im Vordergrund, sondern „eine bestenfalls fraktionsübergreifende Befassung mit Themen“, was bei sportlicher Interpretation auch heißen könnte: Wen soll schon interessieren, was wir da Langweiliges treiben?
Aus Gründen der Koalitionsdisziplin
Die CDU steht mit ihrer Sicht der Dinge und dem Beharren auf Paragraf 69 allein da. Alle anderen Parteien sind für eine Öffnung, auch die Vorsitzende des Sportausschusses, Dagmar Freitag von der SPD. „Ich habe immer dafür geworben, dass der Sportausschuss mit der überwiegenden Mehrzahl seiner Sitzungen öffentlich tagt“, sagt sie. Alle sollten das Geschehen live verfolgen können.
„Ich halte das für ein Zeichen von Transparenz und Bürgernähe.“ Die erfahrene Sportpolitikerin, bis November 2017 Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, sagt aber auch: „Ich entscheide das nicht.“ Was heißen soll: Ich bin zwar anderer Meinung als mein Koalitionspartner von der CDU/CSU, aber durchsetzen kann ich sie aus Gründen der Koalitionsdisziplin nicht.
Dabei hätte es schon Anfang des Jahres eine Gelegenheit zu einer Novelle der Geschäftsordnung (GO) gegeben. Die Grünen hatten Ende Februar einen Antrag auf Änderung der GO (Drucksache 19/965) in den Bundestag eingebracht. Wichtigste Forderung: „Die Beratungen der Ausschüsse sind grundsätzlich öffentlich.“ Damit war der Sportausschuss gemeint, aber auch der Innen- oder Petitionsausschuss.
Der Antrag scheiterte, obgleich die Argumente stichhaltig sind. Aus Gründen der „Nachvollziehbarkeit des gesamten demokratischen Prozesses“ könne die bisherige Regelung „nicht hingenommen werden“, heißt es. Auch das Bundesverfassungsgericht mahnt: „Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente der parlamentarischen Demokratie.“
Bedeutung des Ausschusses hat abgenommen
Mit einer Öffnung des Sportausschusses könne man „Politikverdrossenheit entgegenwirken“, glaubt Monika Lazar, Sprecherin für Sportpolitik der Grünen: „Im Ausschuss geht es ja selten um sensible Staatsgeheimnisse, es gibt also kaum Gründe, warum dieser nicht öffentlich tagen sollte.“
Nur in „absoluten Ausnahmen“ müsste der Ausschuss geheim tagen, findet André Hahn (Die Linke), etwa wenn es um den Schutz von Persönlichkeitsrechten, von Whistleblowern oder um finanzielle Schieflagen einzelner Verbände gehe. In jedem anderen Fall sei der Ausschluss der Öffentlichkeit „grundfalsch“. Pikant wird es aus Sicht des gebürtigen Ostberliners, wenn aus „Opportunitätsgründen“ die Öffentlichkeit einmal ausgeschlossen wird (Berichte zum Doping in Westdeutschland) und ein andermal zugelassen (Dopingpraktiken in Russland). Er verspricht: „Wir werden hier nicht lockerlassen!“
In der Phalanx der Transparenz-Befürworter steht auch FDP-Politikerin Britta Dassler. „Die Bedeutung des Sportausschusses hat abgenommen, seitdem nicht öffentliche Sitzungen die Regel sind“, sagt die Betriebswirtin, die erst seit Kurzem im Bundestag sitzt. Wichtige Themen, wie eine unabhängige Athletenvertretung, seien im Hinterzimmer der Sportpolitik verschleppt worden. Sie sagt: „Auch wenn es im Sportausschuss einen großen Konsens gibt, gibt es doch entscheidende Fragen, die mehr Debatte in der Öffentlichkeit brauchen.“ Offenbar hat die FDP seit 2011, als sie Regierungspartei war, einen Prozess der politischen Reife durchlaufen.
Jörn König (AfD) antwortet im Vergleich zu seinen Kollegen recht spät auf die Fragen der taz, der Inhalt ist aber ähnlich: „Parlamentarismus hinter verschlossenen Türen ist wenig sinnvoll“, schreibt König, ein ehemaliger Leistungsschwimmer. Seine Partei will im Sportausschuss nun die „Wiederherstellung der Öffentlichkeit verlangen“.
Solange die CDU mauert, wird daraus allerdings nichts.
Leser*innenkommentare
Weidle Stefan
Ist mir schon klar, dass die Förderer*Innen des stetig wachsenden Heeres von Sportsoldat- und Polizist*Innen, sich nicht gerne in die millionenschweren Karten schauen lassen wollen. Da muss ich dem Erfolgsturner Recht geben, wo kämen wir denn da hin, wenn der Pöbel plötzlich Kenntnis von den Zuständen in dieser Bimbes Riege bekäme. Immer schön unter Ausschluss der Öffentlichkeit.