Transmann in Montenegro getauft: Ambivalente Akzeptanz
LGBTQ-Organisationen feiern die Taufe des 19-jährige Vuk Adžić als Erfolg. Doch nicht alle sehen die Taufe des Transmanns als Fortschritt an.
Manchmal hat der Herr auch in Montenegro ein Einsehen. In dem kleinen Balkanstaat (rund 600.000 Einwohner) wurde unlängst der 19-jährige Vuk Adžić in der Christi-Auferstehungskirche getauft. Noch im vergangenen August hatten drei Unbekannte Adžić kurz nach dessen Coming-out in seinem Heimatort Matesevo überfallen und zusammengeschlagen. Danach habe er gespürt, sagte Adžić dem Sender Radio Freies Europa, dass die Kirche sein einziger sicherer Hafen sei, wohin er immer gehen könne und dort als Mann akzeptiert werde.
Zwar ist es um die Rechte sexueller Minderheiten in Montenegro im Vergleich zu anderen Balkanstaaten bessergestellt. Nicht selten müssen LGBTQ-Menschen andernorts um ihr Leben fürchten. Doch auch in Montenegro bedarf der Schritt in die Öffentlichkeit einer gewissen Risikobereitschaft. So hatte das Oberhaupt der Serbisch-Orthodoxen Kirche in Montenegro, der Metropolit Amfilohije Radović, 2009 einen Pride-Marsch als eine „Parade von Sodom und Gomorrha“ bezeichnet und mit einem unfruchtbaren Baum verglichen. 2018 ätzte der 81-Jährige erneut über das bunte Event, das eine „widernatürliche Sünde von LGBTQ-Päderasten“ sei, und warnte vor der Selbstzerstörung der Menschheit. Und nun also das.
Doch Radović' Metamorphose hat ihre Grenzen. Nachdem die Kirche anfangs das Ereignis mit dem Gebetsmantel des Schweigens überdeckt hatte, sah sie sich veranlasst, schließlich doch noch Stellung zu nehmen. Für seinen Akt der Barmherzigkeit führte Radović medizinische Gründe an. Daher habe die Taufe nichts mit der Propaganda und Rechtfertigung gleichgeschlechtlicher Beziehungen zu tun – einer sinnfreien Gender-Ideologie, die zweifellos eine Sünde sei.
Dennoch verbuchen LGBTQ-Organisationen in Montenegro die Taufe als einen kleinen Erfolg. Die Rede ist von einem unglaublich progressiven Schritt in der Akzeptanz von Identitäten derjenigen Mitglieder der Gesellschaft, die am verletzlichsten seien, meint die NGO LGBT Forum Progres. Und Adžić? „Die größten Probleme sind Diskriminierung, Hass und Gewalt“, sagte er unlängst. Menschen wie er würden wie „Bürger zweiter Klasse behandelt, die unsichtbar und Gefangene des Systems“ seien – vor allem dann, wenn es um Ausbildung und das Gesundheitssystem gehe. Um das zu ändern, hilft wohl nicht nur beten.
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