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Trans Frauen in Honduras„Die Justiz darf nicht weggucken“

In Honduras werden Verbrechen gegen trans Frauen kaum geahndet. Ein symbolischer Gerichtsprozess soll darauf aufmerksam machen.

In Honduras sind trans Frauen besonders gefährdet Foto: Markus Dorfmüller

Tegucigalpa taz | Bessy Ferreira fährt sich mit dem Daumen über die Kehle. Dann deutet sie auf die wulstige rund fünfzehn Zentimeter lange Narbe unterhalb ihres Schlüsselbeins. „Ein Freier wollte nach dem Sex nicht zahlen und hat mir von hinten versucht, die Kehle durchzuschneiden“, sagt die trans Frau. „Nur weil er das Messer zu tief ansetzte, sitze ich noch hier“, sagt sie und lacht bitter.

Fast verblutet sei sie damals, konnte sich aus dem Hinterhof gerade noch auf die Straße schleppen, wo jemand einen Krankenwagen rief. Die mit groben Stichen genähte Narbe erinnert sie bei jedem Blick in den Spiegel an den Angriff. In einem der Hinterhöfe rund um den Parque El Obelisco im Zentrum von Tegucigalpa war es. Handwerksbetriebe und mobile Verkaufsstände dominieren das Straßenbild hier tagsüber, nachts dreht sich alles um Sex.

Homosexuelle und trans Personen gehen mitten in der honduranischen Hauptstadt der Sexarbeit nach. „In Honduras hat man als trans Frau keine Chance auf einen regulären Job. Was bleibt, ist für viele von uns nur die Prostitution“, sagt Ferreira. Sie streicht sich eine rotblond gefärbte Strähne aus der Stirn.

Abfinden will sie sich mit der alltäglichen Diskriminierung und Verfolgung nicht. Deshalb engagiert sie sich bei Arcoíris. Die 2003 gegründete LGBTIQ-Organisation hat ihr Büro nur ein paar hundert Meter entfernt vom Parque El Obelisco. Kameras zeichnen alles auf, was rund um das zweistöckige Gebäude im Stadtviertel Concepción geschieht. Dort, im ersten Stock des unscheinbaren Hauses, treffen sich die „Muñecas de Arcoíris“, die Püppchen von Arcoíris, jeden Dienstag.

Rechte werden vorenthalten

„Kaum jemand von uns weiß genau, was für Rechte wir haben. Was frau nicht weiß, kann sie auch nicht verteidigen“, sagt Ferreira. Daran will sie etwas ändern und ist deshalb bei Arcoírs eingestiegen. Erst als Freiwillige, mittlerweile als Stellvertreterin von Paola Flores. Die schmale trans Frau ist das Gesicht der Muñecas de Arcoíris.

Vor ein paar Jahren hat Flores angefangen, rund um den Parque El Obelisco trans Frauen anzusprechen, sie über ihre Rechte im Umgang mit Freiern, aber auch der Polizei aufzuklären. Die eigenen Rechte sind zentrales Thema bei den wöchentlichen Treffen, aber auch die Probleme, denen sich trans*, bi-, homosexuelle und andere queere Menschen Honduras gegenüber sehen.

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„Wir werden ausgegrenzt, diskriminiert, gedemütigt, vergewaltigt und ermordet“, zählt Flores mit leiser Stimme auf. 38 Morde wurden von den LGBTIQ-Organisationen des Landes im Laufe des Jahres 2018 dokumentiert, im Vorjahr waren es ähnlich viele. Überproportional hoch ist dabei der Anteil von trans Personen. „Wir sind deutlich sichtbarer“, sagt sie. Sie sitzt unter der Regenbogenfahne im Aufenthaltsraum von Arcoíris. „Honduras ist eine christlich verbrämte Machogesellschaft in der Rechte der anderen nicht geachtet werden.“ Hinzu komme ein nicht funktionierendes Justizsystem, sagt sie.

Musterprozess als Leitfaden

Straftaten gegen LGBTIQ-Personen würden nicht geahndet, monierte auch die Menschenrechtskommission der Organisation für Amerikanischer Staaten (OAS) bei ihrer letzten Visite im August 2018. Laut der Kommission habe es in den letzten fünf Jahren 177 Morde gegeben, von denen kaum einer aufgeklärt worden sei. Einer der Gründe dafür sei, meint Paola Flores, dass bei den Verbrechen aus Hass nicht richtig ermittelt werde. „Das beginnt bei der Spurensicherung und endet im Gerichtssaal – wenn es denn überhaupt so weit kommt.“

Wie ein Musterprozess laufen sollte, worauf bei der Spurensicherung, bei der Gerichtsmedizin, aber auch bei der Zeugenvernehmung und im Gerichtssaal geachtet werden muss, wollen die Muñecas anhand eines realen Falles aufzeigen. „Eines Kapitaldeliktes wie Vergewaltigung oder Mord“, so Flores, die derzeit mit Jurist*innen, Ermittler*innen und Gerichtsmediziner*innen im Gespräch ist, um das beispielgebende Tribunal vorzubereiten.

Ende Februar, vielleicht auch erst im Lauf des Märzes solle es in Tegucigalpa stattfinden, gefilmt und ins Netz gestellt werden, um so etwas wie einen Leitfaden für den Umgang mit Verbrechen gegen LGBTIQ-Personen zu liefern. „Das ist überfällig und positiv, dass wir die Zusage über die Finanzierung aus einem EU-Justizfonds haben“, erklärt Flores.

Weniger positiv ist allerdings, dass das Geld immer noch nicht eingegangen ist und die Vorbereitungen zum symbolischen Gerichtsprozess deshalb auf Sparflamme laufen. Nichts Neues für die Aktivist*innen von Arcoíris, die nur punktuell Spenden aus dem Ausland erhalten und bei ihren Bemühungen Vorurteile aufzubrechen oft auf sich allein gestellt sind.

Die Liebe der Familie fehlt

Oft werden Homo- genauso wie Bisexuelle und trans Personen von ihren Familien verstoßen, sagt Paola Flores und reibt sich die narbige Wange. Sie hat seit dem Mordangriff auf sie die Unterstützung ihrer Familie, während ihre Kollegin Bessy Ferreira Waise ist und von den Pflegeeltern vor die Tür gesetzt wurde, als sie sich outete. So landete sie in der Prostitution und für sie ist Arcoíris so etwas wie ein zweites Zuhause.

Die drei Männer gingen bisher straffrei aus, genauso wie der Freier, der Bessy Ferreira umbringen wollte. Typisch in Honduras, wo über 90 Prozent der Gewaltdelikte gegen LGBTIQ-Menschen nicht geahndet werden

Paola Flores hingegen hat es vor allem ihrer Mutter zu verdanken, dass der Kontakt zur eigenen Familie nicht abriss, obwohl mehrere Familienangehörige evangelikalen und katholischen Kirchen angehören. Die verteidigen die Heterosexualität als das Nonplusultra und machen mobil gegen alle Anläufe, die gleichgeschlechtliche Ehe in Honduras auf den Weg zu bringen.

Folge dieser rigiden Positionierung sind tiefe Gräben, die sich durch viele Familien ziehen. Erst hielt nur noch die Mutter zu ihr, „doch das änderte sich mit dem Überfall“. Der ereignete sich im Juni 2009 und Paola Flores hat ihn nur knapp überlebt. „Drei Männer haben mich in meiner Wohnung, dort wo ich mich sicher fühlte, überfallen, zusammengeschlagen, mit Benzin übergossen und angezündet.“ Die trans Frau deutet auf die Transplantate, die rechts und links vom Kinn zu sehen sind.

Die Täter bleiben straffrei

Sie hat um ihr Leben gekämpft, sich gewehrt, geschrien, überlebt. Zwei Monate im Koma, neun Monate im Krankenhaus, schließlich ein Jahr im Exil in Mexiko. „Was mir passiert ist, kann allen passieren. Dagegen kämpfe ich und deshalb bin ich zurückgekommen“, sagt Flores mit fester Stimme und zupft das Halstuch zurück, mit dem sie die Narben am Hals verbirgt.

Die drei Männer gingen bisher straffrei aus, genauso wie der Freier, der Bessy Ferreira umbringen wollte. Typisch in Honduras, wo über 90 Prozent der Gewaltdelikte gegen LGBTIQ-Menschen nicht geahndet werden. Die Fotos von ermordeten Arcoíris-Aktivist*innen, die im Treppenhaus neben denjenigen hängen, die sich engagieren, zeugen davon.

Das soll sich ändern und der symbolische Prozess der Muñecas de Arcoíris soll dazu beitragen. „Die Justiz darf nicht mehr weggucken“, fordern die beiden. Sie hoffen auf Leute im Justiz- und Ermittlungsapparat, die Menschenrechte achten, und sie hoffen auf internationale Unterstützung.

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