Tourismusförderung in der EU: In aller Ruhe durch den Kontinent
Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung formt das touristische Gesicht Europas. Nachhaltiges Reisen kann die Urlauberströme entzerren.

Jenseits dieser europäischen Utopie gibt es in der EU bereits viele Ansätze, um nachhaltigen Tourismus zu fördern. Vor allem der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) ist eines der wichtigsten Finanzierungsinstrumente touristischer Entwicklung in der EU. Er soll dazu beitragen, dass die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen der Union verkleinert und die Lebensbedingungen in den strukturschwächsten Regionen verbessert werden. Die Regional- und Strukturpolitik der Europäischen Union ist der Bereich, für den die EU das meiste Geld ausgibt. Tourismuspolitik ist ein Instrument, mit dem die EU allgemeine beschäftigungs- und wachstumspolitische Zielsetzungen umsetzen kann.
Und es gibt bereits einen dichten Dschungel von Netzwerken und Projekten für nachhaltigen Tourismus in Europa. Dazu gehören die europäischen Kulturrouten und Pilgerwege genauso wie europäische Fahrradwege. Gleich die erste vom Europarat proklamierte Europäische Kulturroute war ein Erfolg. Es war der spanische Jakobsweg Camino de Santiago. Im Jahr 1987, als die Kulturrouten ins Leben gerufen wurden, kannte kaum jemand diesen mittelalterlichen Weg. Bereits 1992 kürte die Unesco den Camino de Santiago zum Weltkulturerbe.
Die zweite Kulturroute von 1991 setzte andere Akzente. Sie stellte die Geschichte des freien Handels, der Koexistenz und des Bürgerschutzes der seehandeltreibenden Länder Nordeuropas in den Fokus: die Hanse. Diese Kulturroute, vor allem entlang der Ostsee, erinnert an den Bund der seefahrenden Kaufleute zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert, dem zeitweise 225 Städte angehörten. Eine Art mittelalterliche EU.
Auf den Spuren der Industrialisierung
Ein anderes Mammutprojekt ist die Europäische Route der Industriekultur (Kulturroute seit 2019). Deren Netzwerk zählt 26 Mitgliedsländer, die auf je unterschiedliche Weise Besuchern und Interessenten einen Zugang zu 200 Jahren europäischer Industrialisierung bieten.
Nach Ende des Ost-West-Konflikts konnte Europa wieder anders gedacht werden. Es entstand die Route des Eisernen Vorhangs, der Iron Curtain Trail: Rund 10.000 Kilometer Radwanderweg entlang der ehemaligen Grenze des Warschauer Pakts. Er wurde 2019 zur Kulturroute erklärt und von der EU kofinanziert. Alle 17 Europäischen Radfernwege EuroVelo sind gut ausgebaut und bilden eine europäische Rad-Infrastruktur.
Die Kulturrouten des Europarates sind das vielleicht schönste Programm im mühsamen Prozess einer europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals galt es, Scherben wegzuräumen. Der Europarat war ein Grundelement dafür, er traf die entscheidenden Festlegungen hinsichtlich Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, der Menschenrechte, der Transnationalität, er stand also für die Maßstäbe der Gestaltung eines künftigen Europas. Mit einer „Rahmenkonvention über den Wert des Kulturerbes in der Gesellschaft“ (Faro-Deklaration) wurde im Jahr 2005 die Bedeutung des kulturellen Erbes als einer Ressource für sozialen Fortschritt und eine nachhaltige Entwicklung besonders betont und festgeschrieben.
Die europäischen Fernwanderwege führen durch Nationalparks und ländliche Regionen abseits der lärmigen Verkehrsrouten und lassen manchmal vergessen, wie dicht dieser Kontinent besiedelt ist. Der E1 etwa. Er durchmisst alle europäischen Klimazonen. Wer am Polarkreis startet, erreicht auf halber Strecke Deutschland. Die Alpenüberquerung auf der Sankt-Gotthard-Route ist ein ewiger Hit unter Bergfreunden. Und der lange Weg durch Italien endet an der südlichen Grenze Europas, auf Sizilien.
Der taz-Reiseführer „Europa für Eigensinnige“, 2023, 271 Seiten, 24 Euro, stellt nachhaltige Reiseziele in Europa vor.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier