Tod einer Journalistin in Jenin: Israelische NGO liefert neue Belege
Israels Militär hatte nach dem Tod der Journalistin erklärt, dass wohl militante Palästinenser sie erschossen hätten. Die NGO B'tselem hält dagegen.
Berlin taz Als die Al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu Akleh am Mittwochmorgen in Jenenin erschossen wurde, begann auch ein Konflikt um die Wahrheit. Während Augenzeugen berichteten, die Schüsse seien von Scharfschützen der israelischen Armee ausgegangen, schrieb die Botschaft Israels in den USA auf Twitter: Palästinensische Militante hätten „wahllos umhergeschossen“ und dabei wohl die Journalistin getroffen.
Auch das israelische Außenministerium schrieb in Bezug auf Ministerpräsident Naftali Bennett: „Es scheint wahrscheinlich“, dass die Schüsse der militanten Palästinenser für den Tod Abu Aklehs verantwortlich seien. Es veröffentlichte außerdem ein Video, auf dem Militante rufen, dass sie einen israelischen Soldaten getroffen hätten. Und schlussfolgerte: Da unter den Truppen keine Verletzten seien, hätte der Mann im Video wohl die Journalistin gemeint.
Die israelische Zivilorganisation B'Tselem publizierte im Lauf des Nachmittags eine Karte, die dem entgegenhält: Basierend auf dem veröffentlichten Video zeigt sie den Ort, an dem die Schüsse der militanten Palästinenser fielen, und den Ort, an dem Abu Akleh starb. Es sei „nicht möglich“, dass sie durch diese Schüsse gestorben sei, schreibt die Organisation auf Youtube.
Der israelische Staat ist seitdem zurückgerudert: Dass Abu Akleh im Mündungsfeuer der Militanten gestorben sei, hätte man nicht behauptet. Verteidigungsminister Benny Gantz schrieb dennoch auf Twitter, dass sich bei den Untersuchungen des israelischen Militärs bisher kein Hinweis darauf ergeben habe, dass Abu Akleh von dessen Soldaten erschossen wurde.
Auch der Sprecher des israelischen Militärs, Ran Kochav, hatte laut einem Bericht der israelischen Zeitung Times of Israel in einem Radiointerview zunächst angegeben: Der Vorfall sei in einem Kampf, während eines Gefechts passiert, wo „die Palästinenserin [Abu Akleh] mit den Schützen“ war. Er sagte außerdem über die Journalistinnen vor Ort: „Sie sind mit Kameras bewaffnet, wenn ich das so sagen darf.“
Nach Informationen der palästinensischen Nachrichtenorganisation Wafa hätten israelische Sicherheitskräfte die Familie der Getöteten im Lauf des Tages außerdem in deren Haus besucht und sie angewiesen palästinensische Fahnen abzunehmen und ihnen verboten – wie Wafa schreibt – „nationalistische“ Musik zu hören.
Außenminister Yair Lapid hatte gleich am Morgen die Palästinenser aufgefordert, eine „zufriedenstellende gemeinsame Untersuchung“ zuzulassen.
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