Tod des Auschwitz-Überlebenden Maurice Cling: Antifaschist, nicht nur Opfer
Als Kind überlebte Maurice Cling die KZs Auschwitz und Dachau. Seitdem kämpfte er gegen den Faschismus. Am 23. November ist er in Paris gestorben.
Als Maurice Cling nach rund sechs Jahrzehnten wieder deutschen Boden betrat, kam er als politischer Kämpfer, als Antifaschist – und nicht als Opfer. Cling hat als Jugendlicher die Konzentrationslager Auschwitz und Dachau überlebt und engagierte sich seither dafür, dass die Barbarei des Nationalsozialismus sich nicht wiederhole. Am 23. November ist er in Paris im Alter von 91 Jahren gestorben.
Cling sei ein „unermüdlicher Pädagoge“, „klarer Autor“ und „großer Zeuge“ gewesen, heißt es in einer Würdigung des Élysée. Geboren am 4. Mai 1929 in Paris als Sohn jüdischer Eltern, die aus Rumänien stammten, wurde er an seinem 15. Geburtstag 1944 verhaftet und mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert. Seine Eltern und sein 17-jähriger Bruder wurden dort in der Gaskammer ermordet, er selbst von den Nationalsozialisten auf einen Todesmarsch ins KZ Dachau geschickt und dann 1945 in Mittenwald befreit.
Nach dem Krieg studierte Cling an der Sorbonne, promovierte und lehrte als Professor für Anglistik. „Als erstes vergessen Sie mich“, begann er oft seine Vorträge, „ich bin das unrepräsentative Beispiel. Ich hätte wie viele andere ermordet werden sollen.“ Er habe nur durch die Hilfe Erwachsener überlebt, vor allem aus der Résistance. In dem Buch „Un enfant à Auschwitz“ hielt er 1999 seine Erinnerungen fest.
Nach Deutschland zurück führte ihn der antifaschistische Protest gegen das Veteranentreffen ehemaliger Gebirgsjäger in Mittenwald. Ab 2002 hatten hier linke Gruppen gegen die unsägliche Traditionspflege von NS-Kriegsverbrechern demonstriert. Cling nahm regelmäßig am Protest teil und lernte hier auch MitstreiterInnen der Antifaschistischen Kulturinitiative Bremen kennen. Freundschaft und politische Zusammenarbeit verbanden sie.
In offizieller Erinnerungspolitik sah Cling eine Instrumentalisierung für nationale Zwecke: Eine „Aussöhnung“ zwischen Tätern und Opfern sei inakzeptabel, schrieb er. „Zuallererst geht es darum, die Verbrechen der Wehrmacht und der SS, die Europa in Blut getaucht haben, als Verbrechen anzuerkennen.“ Dass Schuldige und Profiteure benannt werden müssten, forderte er bei seinem letzten Besuch in Bremen 2014. „Die Leute starben nicht an Krieg und Terror, sie starben durch die Nazis.“ Am Mittwoch wurde Maurice Cling auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris beerdigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga