Tierschützer über Schweineställe: „Ferkel wurden tot getreten“
Günther Meyer ist Tierschutzaktivist und filmt nachts heimlich die Zustände in Schweineställen. Er glaubt, dass Veterinäre die Augen verschließen.
taz: Herr Meyer, waren Sie schon einmal positiv von einem Stall überrascht, in den Sie nachts eingebrochen sind?
Günther Meyer: Ich muss die Frage monieren. Ich bin noch nie in einen Stall eingebrochen. Einbruch ist immer damit verbunden, dass man etwas entwendet. Was ich mache, ist maximal Hausfriedensbruch. Man kann sagen, eingedrungen oder heimlich betreten.
Waren Sie mal positiv überrascht, als Sie nachts heimlich einen Stall betreten haben?
Nein, noch nie. Natürlich sind die Ställe unterschiedlich und es gibt welche, die gut gemanagt werden. Dort ist es nicht ganz so dreckig und es werden Tiere separiert, wenn sie krank sind. Aber auch wenn ein Landwirt alle Verordnungen einhält, geht es den Tieren nicht gut. Sie werden ja immer noch sehr eng gehalten und schauen den ganzen Tag gegen eine Betonwand. Die Sauen werden trotzdem im Kastenstand fixiert. Deshalb kann man gar nicht positiv überrascht sein.
Wie wählen Sie die Ställe aus?
Es gibt verschiedene Quellen, über die man ungern spricht, weil die sich in der Regel im Umfeld der Betreiber bewegen. Aber manchmal schaut man sich auch systematisch Ställe an, wenn man zum Beispiel herausfinden will, wie viele Landwirte sich an eine neue Verordnung halten. Dann nimmt man sich irgendwo einen Punkt in Niedersachsen, wo viele Anlagen sind und zieht mit einem Zirkel einen Kreis.
Wie kommen Sie in die Ställe rein?
heißt eigentlich anders, ist nicht nur Tierschützer, sondern auch Physiker, lebt in Mecklenburg-Vorpommern und war nachts schon in vielen niedersächsischen Ställen.Seine Videoaufnahmen gibt er an die Tierschutzorganisation Animal Rights Watch weiter.
Man mag es kaum glauben, aber meistens sind die einfach offen. Gerade Schweineställe haben oft viele Nebentüren und meistens ist eine offen. Wenn nicht, muss man halt wieder gehen.
Sie brechen nicht das Schloss auf?
Nein.
Was war das Übelste, das Sie hinter so einer Stalltür gesehen haben?
Was mich am meisten emotional bewegt hat, waren Ferkel, die im sogenannten Kastenstand geboren wurden. Dort dürfen sie eigentlich nicht zur Welt kommen, weil da Hunderte Sauen in einer Halle stehen. Normalerweise müssen die Tiere in einzelnen Boxen separiert werden. Das hatte man hier versäumt. Mehrere Sauen haben deshalb dort ihre Ferkel bekommen. Die liefen dort durch die Halle und wurden von den anderen Sauen totgetreten.
Haben Sie den Landwirt angezeigt?
Natürlich. Da lag alles mögliche im Argen. Das war eine sehr große Anlage in Thüringen und es gab auch Razzien hinterher. Leider ist es so, dass Verstöße eher die Regel sind. Es sind wenige Betriebe, in denen wir gar nichts finden.
Auf welche Kriterien achten Sie?
Wir schauen, ob Verstöße vorliegen, die wir zur Anzeige bringen können. Ein neuralgischer Punkt sind die Kastenstände bei Schweinen. Die sind oft zu klein und zu eng. Außerdem leben Schweine auf Spaltenböden, die sehr schnell altern. Sie waschen durch die Harnsäure aus. Die Spalten werden dann größer und die Kanten unregelmäßig, sodass sich die Tiere daran verletzen können.
Müssten solche Verstöße nicht dem Veterinäramt auffallen?
Ja, tun sie aber nicht. Die Kontrollen werden meist angekündigt. Außerdem gibt es lokale Abhängigkeiten. Gerade in ländlichen Regionen dominieren große Betriebe das Gebiet und sind wichtig für die Arbeitsplätze.
Meinen Sie damit, die Veterinäre schauen weg?
Genau. Das haben in Verfahren, an denen wir beteiligt waren, auch schon Gerichte festgestellt.
Die vielleicht bald neue große Koalition will das Eindringen in Ställe künftig als Straftat ahnden. Würde Sie das abhalten?
Ich sehe keine Alternative. Was den Tieren da angetan wird, ist so unvorstellbar schlimm, dass ich bereit wäre, auch noch mehr abzugeben von meinem Leben. Außerdem ist der Vorstoß absurd. Man möchte die Überbringer der schlechten Botschaft bestrafen. Das, was in den Ställen passiert, soll nicht mehr öffentlich werden. Verbesserungen im Tierschutz kommen aber nur über öffentlichen Druck zustande.
Wurden Sie schon einmal erwischt?
In flagranti noch nie. Aber wir haben hinterher gesagt, dass wir das waren, den Betrieb angezeigt und uns als Zeugen zur Verfügung gestellt. Daraufhin wurden wir mehrfach wegen Hausfriedensbruchs angezeigt.
Würden Sie ein verletztes Ferkel mitnehmen?
Nein. Man ist darauf gar nicht vorbereitet. Man müsste Transportboxen und Erstversorgungsmittel haben. Wir hoffen natürlich, dass zeitnahe Anzeigen den Tieren noch helfen können, aber es ist eigentlich immer so, dass man Tiere in Leid und Not zurücklässt. 13 Millionen Schweine überleben in Deutschland die Mast wegen Krankheiten und Verletzungen nicht. Da hilft nur eine Systemwende weg von der Tierhaltung.
Eine Kritik von Landwirten ist, dass Anzeigen erst Monate später gestellt würden und Tierschützer das Videomaterial erst einmal an die Medien vermarkteten.
Sobald eine Anzeige aussichtsreich ist, stellen wir sie zeitnah. Die Veröffentlichung ist davon entkoppelt. Die kann später kommen, weil die Fernsehbeiträge oft aufwendig produziert werden. Unsere Erfahrung ist es aber, dass die Anzeigen bei Veterinärämtern und Staatsanwaltschaften ohne öffentlichen Druck im Sande verlaufen.
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