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Tierhaltung in DeutschlandBauministerin gegen Massenställe

Barbara Hendricks will das Baurecht so ändern, dass sich Kommunen leichter gegen große Anlagen wehren können.

Hat lieber mehr Platz als einen Großstall Foto: dpa

Mechernich taz | Wenn ein Investor einen neuen Megastall errichten will, können sich Kommunen dagegen kaum wehren: Sofern der Betreiber Land besitzt, auf dem er theoretisch die Hälfte des benötigten Futters selbst anbauen könnte, gilt der Stall als „landwirtschaftliche Tierhaltungsanlage“ – und diese sind im Baurecht bisher privilegiert: Sie haben praktisch ein Anrecht auf eine Geneh­migung, ohne dass ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss.

Das will Bundesumwelt- und -bauministerin Barbara Hendricks nun ändern. „Diese Privilegierung wollen wir beenden“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag, als sie die nordrhein-westfälische Gemeinde Mechernich besuchte; der 28.000-Einwohner-Ort wehrt sich derzeit gegen eine neue Putenmastanlage in unmittelbarer Nähe zu einer Wohnsiedlung.

Am heutigen Mittwoch will Hendricks ihre Pläne in Berlin vorstellen und anschließend als Gesetzesentwurf an die anderen Ministerien verschicken. Ziel sei es, die „offensichtlichen Fehlentwicklungen in der konventionellen Landwirtschaft zu beenden“, erklärte Hendricks.

„Große Tierhaltungsanlagen sollen, auch wenn es sich um landwirtschaftliche Betriebe handelt, künftig grundsätzlich nur noch zugelassen werden, wenn die Gemeinde einen entsprechenden Bebauungsplan erlässt“, heißt es in einem Papier des Ministeriums, das der taz vorliegt. Ausnahmen soll es nur noch bei kleinen Anlagen geben; die Grenzwerte dafür werden abgesenkt.

Entstehung von Feinstaub und Treibhausgasen

Beenden will das Umweltministerium auch die häufige Praxis, einen großen Stall formal in mehrere kleine aufzuteilen und damit eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu umgehen. „Mit dieser Salami-Taktik muss Schluss sein“, heißt es im Ministerium. „Wir wollen das Schlupfloch schließen und klarstellen: Viele kleine Anlagen ergeben eine Großanlage, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung erfordert.“

In Mechernich kam diese Ankündigung nicht nur bei der Bürgerinitiative gegen die geplante Putenmastanlage gut an – sondern auch bei Bürgermeister Hans-Peter Schick, Mitglied in CDU und Bauernverband. „Ich hoffe sehr, dass der Handlungsspielraum der Kommunen erhöht wird“, sagte er. Die bisherige rechtliche Privilegierung der Großställe aufzuheben sei dabei „der Schlüsselpunkt“.

Für den Bauern­verband kommen solche Pläne einer Enteignung gleich

Auf Bundesebene sieht der Bauernverband das allerdings anders. „Ein Verzicht auf die Privilegierung würde die Existenz vieler Betriebe bedrohen“, sagte Sprecher Michael Lohse der taz. „Wenn Bauern auf ihrem eigenen Land nicht mehr bauen dürften, käme das einer Enteignung gleich.“ Auch im Landwirtschaftsministerium, das der Meinung des Bauernverbands meist hohen Stellenwert beimisst, dürften die Pläne darum auf Widerstand stoßen. Zwar ist das Hendricks als Bauministerin federführend bei dem Projekt, muss sich aber mit dem Agrarressort abstimmen.

Zur Begründung für die geplanten Gesetzesänderungen verweist das Umweltministerium auf die Belastungen, die von der Intensivtierhaltung ausgehen: Diese habe erheblichen Einfluss auf die Entstehung von Feinstaub und Treibhausgasen, auf die zunehmende Belastung der Umwelt durch übermäßige Stickstoffemissionen, Tierarzneimittel und Gerüche.

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12 Kommentare

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  • Wenn Frau Hendricks nicht wieder einknickt......

  • Was ist Massentierhaltung? "Massentierhaltung breitet sich aus", "Massentierhaltung eindämmen" - Formulierungen, als ob das eine Krankheit wäre. Die Ministerin sollte erst einmal klar stellen, was genau sie mit "Massentierhaltung" meint. Ansonsten müssen wir ihre Ankündigungen als puren Trumpkitsch, als Populismus abtun. Die Menschen applaudieren diesen Parolen und gehen dann in den nächsten Supermarkt, um sich für den nächsten Grillabend mit günstigem Fleisch einzudecken. Und: Rund 50 Prozent der deutschen Bevölkerung haben kein nennenswertes Vermögen, sie leben von der Hand in den Mund und wissen preiswerte Lebensmittel zu schätzen. Diese gibt es aber nicht, ohne eine effiziente Landwirtschaft und Tierhaltung. Das letztjährige Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim BMEL war da ganz klar: Tierwohl und Umweltschutz sind keine Frage der Betriebsgröße, der Begriff "Massentierhaltung" ist deshalb irreführend.

    • @Susanne Günther:

      Ein bisschen ehrlicher wäre schon schön.

      Zwar verkauft die deutsche Lebensmittel Industrie mehr Fleisch als in Deutschland verzehrt wird, ein nicht geringer Teil wird aber in Belgien, Dänemark und vor allem den Niederland lebend oder Geschlachtet zugekauft (EU Prinzip freier Warenverkehr). Wir können auch gern für Deutschland das Prinzip des Selbstversorgers einführen, bin mal gespannt wie unsere Auto- und Maschinenbau Industrie darauf reagiert wenn die nur noch in Deutschland für Deutschland produzieren dürfen.

      Gern werden auch die Ammoniakimmissionen und die Staubimmissionen ins Feld geführt. Wenn man die je produziertes Tier die Immissionen errechnet fallen Strohhaltung und vor allem Bio hinten runter, aber dass will ja keiner hören.

  • Meine Erwarung aufgrund aller bisherigen Erfahrungen:

     

    Kommunen werden begeistert darauf zurückgreifen und es den Kleinbauern dann verbieten, einen Mini-Geräteschuppen irgendwo dazu zu setzen.

  • Ja, es ist besser unsere Lebensmittel zu importieren.

    Überall werden diese besser, schonender und auch zum deutschen Mindeslohn produziert.

     

    Solche Leute, wie die Hendricks, würde ich hungern lassen.

    • @FeuerFalk:

      Absolut unsachlich;

      Deutschland exportiert deutlich mehr Schweinefleisch, als es importiert. Müssen wir das wollen?

      Jetzt noch eine kleine Unsachlichkeit von mir:

      Wenn der ganze Schwarzwälder Schinken von Schweinen aus dem Schwarzwald wäre, so wäre dieser ziemlich zugeschossen. Die Bauern halten hier aber eher Kühe denn Schweine.

      Wieder zur Sachlichkeit:

      Export und Import von Nahrung ist zwischenzeitlich gängig, aber zumindest die Frage nach Qualität und Tierschutz darf doch gestellt werden oder?

      • @Wolfgang:

        Ich hoffe Ihnen ergeht es wie VW.

        Spätestens, wenn kein Bauer mehr in D da ist und alles aus dem Ausland kommt, aber plötzlich die Lieferungen ausbleiben, kommt Ihnen in den Sinn, wie wichtig eine eigene Versorgung, nach unseren hohen Umweltstandarts sind.

         

        Im Ausland lachen die, über unsere Definition von "Massentierhaltung", aber das will ja keiner sehen....kommt ja alles durch bereits verarbeitete Produkte in unser Land.

        Lassen Sie es sich schmecken, solange sie noch wissen, aus welchen Stall es kommt.

        Schlimmer geht nämlich immer.

      • @Wolfgang:

        Wir exportieren Schweinefüße, weil die hier kaum jemand essen möchte, lieber Schnitzel, Steaks und Filet. Aber wir können ja zur Bedingung machen, wer soundso viel von den hochwertigen Teilen konsumiert hat, muss erst einen Schweinefuß essen, bevor er bzw. sie wieder etwas anderes bekommt. Qualität und Tierschutz ist übrigens keine Frage der Betriebsgröße.

    • @FeuerFalk:

      So ein Quatsch. Aus Angst vor dem Abwandern der Produzenten sämtliche Verbesserungen zu unterdrücken, ist furchtbar dumm. Mit dieser Logik würde es niemals Verbesserungen geben, sondern immer nur Verschlechterungen. Danke, Frau Hendericks, bitte weiter so.

      Besser wäre es natürlich, wenn die Verbraucher aufhören würden, immer nur den billigsten Müll in sich reinzustopfen. Bis es soweit ist, und wieder die Vernunft oberste Maxime ist, und nicht der Profit, ist es gut, wenn die Politik wenigstens ab und zu Grenzen setzt.

      Und dass der Bauernverband gleich wieder die dicken verbalen Kanonen rausholt, ist billig und durchschaubar. Enteignung, na klar. Ich hoffe, dieses System, das nur durch massives Tierleid und Umweltzerstörung funktioniert, findet bald ein Ende.

      • @Vollkornkartoffeln:

        Die Produzenten wandern nicht ab: Die Bauern bleiben hier und können umschulen. Die Lebensmittel werden dann aus dem Ausland importiert, wie jetzt zum Beispiel die Käfigeier. Ob man sich damit bessere Standards einkauft, darf bezweifelt werden.

      • @Vollkornkartoffeln:

        ja, der ton des bauernverbands ist so grausam ueberzogen...existenz vieler betriebe bedroht....nee, eben nicht, existenz weniger betriebe bedroht, naemlich der, die keiner will. und das bietet auch wieder raum fuer die existenz vieler kleinerer, die vorher die wenigen zerstoert haben.

        und dann waere es noch an der zeit, mit diesem albernen euphemistischen begriff ´konventionelle landwirtschaft´ schluss zu machen. ´petrochemisch-gestuetzte basierte landwirtschaft´ oder einfach ´gedopte landwirtschaft´ definiert viel korrekter.

  • Frau Hendricks, weiter so!