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Telefonat zwischen Trump und PutinTelefonieren oder Schießen?

Nach dem Telefonat zwischen Wladimir Putin und Donald Trump ist die Sorge um das Schicksal der Ukraine groß. So reagieren deutsche Politiker:innen.

Jan van Aken ist der Solist im Chor der deutschen Po­li­ti­ke­r:in­nen Foto: Annette Riedl/dpa

US-Präsident Donald Trump hat am Dienstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über den Krieg gegen die Ukraine gesprochen und anschließend „sofortige Friedensverhandlungen“ angekündigt. Das Telefonat sei „sehr produktiv“ gewesen, sagte Trump. Seine Nähe zum russischen Präsidenten ist bekannt, politisch stellt das Gespräch dennoch eine Zäsur dar.

„Das Telefonat mit Putin und die Ankündigung, über die Ukraine hinweg Verhandlungen mit dem Aggressorstaat zu führen, sind ein Desaster für Europa und besonders die Ukraine“, sagt Roderich Kiesewetter der taz, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss.

Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion kritisert das Vorgehen der USA, einen Plan für Verhandlungen zu präsentieren, ohne sich vorher mit der Ukraine und den europäischen Verbündeten abgestimmt zu haben. „Dies und der voreilige Verzicht auf Nato-Mitgliedschaft und Gebiete schwächen die Ukraine unnötig“, so Schmid zur taz. Trump entpuppe sich als schlechter Verhandler.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz warnte in einem Podcast des Springer-Magazins Politico, es müsse sichergestellt werden, „dass es hier keinen Diktatfrieden gibt“. Die Ukraine müsse „auch nach dem Friedensschluss“ eine Möglichkeit haben, sich zu entwickeln, sagte er laut AFP. Weiter forderte er, die Ukraine müsse „eine starke Armee“ haben, die größer sein werde als vor dem Krieg, ausgestattet auch mit westlichen Waffen, schreibt die Nachrichtenagentur.

Ob das mit Donald Trump passieren wird? Das Bundesaußenministerium sei zwar mit den USA in Kontakt gewesen, sagte Annalena Baerbock dem Deutschlandfunk. „Aber der Anruf kam sehr aus der kalten heraus“. Dass Putin jetzt Gesprächsbereitschaft signalisiere, nachdem er „seit drei Jahren eines unserer europäischen Nachbarländer auf brutale Weise bombardiert“, sei überfällig, sagt Baerbock. „Wenn Putin einsieht, dass er das größte Desaster dieser Zeit in Europa angerichtet hat, auch für sich selbst“, wäre das ein wichtiger Schritt. Linken-Chef Jan van Aken kommt zu einem ähnlichen Urteil: „Telefonieren ist immer besser als schießen“, sagte er der Rheinischen Post.

„So machen andere keine Außenpolitik“

Die Zusammenarbeit mit der Trump-Administration sei herausfordernd, auch, weil mehrere US-Ministerien auf verschiedenen Ebenen für die Ukraine zuständig sind. „So machen andere auch keine Außenpolitik, aber das ist jetzt die Realität“, sagte Baerbock im Deutschlandfunk. „Es ist noch nichts in Stein gemeißelt, die Amerikaner senden uns sehr unterschiedliche Signale“. Deshalb müsse man mit „allen Akteuren“ im Dauerkontakt bleiben.

Gespräche über die Köpfe der Ukrai­ne­r:in­nen hinweg dürfe es aber auf keinen Fall geben, sagte die Außenministerin. Auch Europa müsse stärker mit einbezogen werden. „Es ist wichtig, dass wir Europäer unsere eigene Rolle spielen“.

Bei entwaigen Verhandlungen müssten sowohl die Ukraine als auch die EU mit am Tisch sitzen, fordert auch SPD-Außenexperte Schmid. „Ein Frieden muss am Ende international akzeptiert sein. Was nicht geht ist, dass zwei Präsidenten Europa unter sich aufteilen. Das wäre das Ende der transatlantischen Partnerschaft.“

Der SPD-Politiker setzt aber darauf, dass auch Trump Europa als Partner brauche. „Denn ohne die europäischen Partner sind die USA auf der Welt ziemlich allein.“ Auch stelle Trump die Nato nicht in Frage. Gleichwohl müsse sich Europa darauf einstellen, dass die USA ein problematischer Partner seien. „Wir wissen seit langem, dass wir mehr für unsere Sicherheit tun müssen.“

Sollte es zu einem Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine kommen, werden die USA keine Soldaten für eine Friedensmission entsenden, das hat Trump deutlich gemacht. Baerbock fordert daher „starke Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine, das bedeute eine massive weitere Unterstützung der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit. Kritik kommt von der Linkspartei: „Dass die Europäer laut den USA mögliche Friedenstruppen stellen sollen, die USA aber nicht, zeigt mir, dass Europa alle diplomatischen Initiativen komplett verschlafen hat“, so van Aken.

Nicht ohne Europa, nicht ohne die USA

Natürlich, so Baerbock, könne Europa die USA in dieser Hinsicht nicht gänzlich ersetzen. „Aber die USA brauchen auch uns“. Die Spannungen mit China im Blick und mit einem „aggressiven Putin“ im UN-Sicherheitsrat, sei ein starkes Europa, das „partnerschaftlich“ agiert, im Interesse der USA. „Wir stehen an einer existenziellen Wegmarke für Frieden und Sicherheit in Europa. Deshalb müssen wir eigene Anstrengungen für einen Frieden in der Ukraine und unsere eigene Sicherheit leisten“, sagte Baerbock.

Das habe Europa bisher jedoch versäumt, sagt Unionspolitiker Kiesewetter. „Insbesondere wegen der Blockade- und Verzögerungshaltung Deutschlands“. Er fordert eine „europäische Koalition der Willigen“, um zu verhindern, dass Russland für den Angriffskrieg belohnt wird. „Deutschland sollte Teil dieser Koalition sein, ansonsten wird sich Deutschland weiter isolieren“.

Auch Johann Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion für den Bereich Auswärtiges und Verteidigung betont die Dringlichkeit der Situation: „Die zentralen Akteure müssen jetzt die Initiative ergreifen und mit konstruktiven Vorschlägen auf die neue US-Administration zugehen und eine gemeinsame Basis für Gespräche schaffen. Und zwar noch bevor es zum ersten Gespräch in Saudi-Arabien kommt.“

Der Bundeskanzler besteht laut AFP ebenfalls auf einer Zusammenarbeit mit den USA. Die USA müssten an allen Lösungen beteiligt und die transatlantische Einheit „immer gewährleistet werden“.

Welchen Frieden wird es geben?

Ein möglicher Frieden müsse zwingend die Souveränität der Ukraine gewährleisten, betont Annalena Baerbock. Auch Unionspolitiker Wadephul mahnt zur Vorsicht: „Demütigende Friedensschlüsse können neue Auseinandersetzungen befördern“.

„Wenn das passiert, was 2014 passiert ist, ist es kein Frieden, sondern die Vorbereitung einer noch brutaleren Offensive“, warnt Baerbock. Das zu verhindern, hänge maßgeblich von den USA ab. „Wir sind aber in einer Situation, in der es vollkommen unklar ist, in welche Richtung es geht“.

Wie ein Frieden zwischen der Ukraine und Russland gesichert werden könne, sollte er denn kommen, ist derweil noch fraglich. Diskussionen über eine Beteiligung der Bundeswehr hielt Scholz für verfrüht: „Jeder weiß, dass das kein Thema jetzt ist“, sagte er. „Es ist vollkommen klar, dass da wir alleine keine Soldaten reinschicken können“, erklärte auch Bundesaußenministerin Baerbock. Bei einer UN-Friedensmission, der sowohl Russland als auch China zustimmen, sähe die Sache jedoch anders aus.

In der Diskussion um eine Schutztruppe warnt Schmid vor einer Überforderung. „Eine rein europäische Schutztruppe in der Ukraine, die auch abschreckend wirken soll, würde viele tausend Soldaten benötigen und einen Großteil der europäischen Kapazitäten binden, die dann woanders fehlen.“ Daran könnten auch die USA kein Interesse haben.

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6 Kommentare

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  • Irgendwie eine etwas hilflose Mischung aus „Wir werden gar nicht gefragt“ und „Aber die USA brauchen uns doch.“ Wobei ich so ziemlich alle genannten Politiker/innen (PTN mal ausgenommen) noch erträglicher in ihren Äußerungen als die beiden „C“-Gebetsmühlen Wadewetter und Kiesephul (Johrich und Roderann)

  • Zitat van Aken. „Dass die Europäer laut den USA mögliche Friedenstruppen stellen sollen, die USA aber nicht, zeigt mir, dass Europa alle diplomatischen Initiativen komplett verschlafen hat“.

    Welche diplomatischen Initiativen von wem mit welchem Ziel?

  • Deutsche PolitikerInnen enthüllen ihre Ahnungslosigkeit und verteidigen ihre Selbstüberschätzung. Dass sich PolitikerInnen von Berufs wegen wichtig nehmen und dass immer als VertreterInnen der Wichtigkeit ihres Landes, ist eine typische Déformation professionelle. Man (m/w/d) will schließlich gewählt werden. Dabei zählt der Auftritt schon immer mehr, als die Inhalte, für die man zumindest eine halbwegs realistische Einschätzung einer (Gefechts-)Lage haben müsste. Wenn man aber die Einsicht darin verweigert, dass



    sich die Machtkonstellationen in der Welt verändert haben und volatil bleiben,



    Europa für die USA als Partner längst nicht mehr so wichtig ist,



    die USA eigene hegemoniale Interessen, die Europa nicht gefallen können, verfolgen



    Europa sich uneinig ist und versäumt hat, neue Allianzen anzubahnen,



    dann können die USA Europa vor sich hertreiben, in einen ruinösen Aufrüstungswettbewerb, um am Ende als Handlanger und Erfüllungsgehilfe den USA den Rücken frei zu halten oder als billige Beute zuzufallen.



    „Europe? We don't pay for it. We just take it and turn it into a very beautiful place.“

  • Was die EU-Staaten betrifft, wünsche ich mir eine Kehrtwende von ihrer Konfrontations- und Kriegspolitik zu Entspannung und Abrüstung zum Wohle der Menschen die dort leben, da eine Fortsetzung uns alle in die Katastrophe führen wird.

  • Es dürfte Einigkeit darüber herrschen, dass es ein Fortschritt im Vergleich zu den letzten vier Jahren ist, dass der neue US Amerikanische Präsident Kontakt zu dem russischen Präsidenten aufgenommen hat.

    Dass es zu Friedensverhandlungen kommt, ist weder sicher, noch ist es wahrscheinlich. Die Regierung Trump (und der gesamte Westblock) favorisiert einen Waffenstillstand, den Russland ablehnt, während die Russen einen groß angelegten Interessensausgleich mit den US Amerikanern suchen („europäische Sicherheitsordnung“) wozu die US Amerikaner bislang nicht bereit waren, und die Trump-Administration möglicherweise auch nicht.

    Auch dürfte ein wie auch immer gestaltetes Abkommen mit den US Amerikanern oder dem gesamten Westblock für die russische Führung wenig Wert haben, da die Frage die sich aus der Erfahrung heraus stellt nicht ob ist, sondern wann der Westblock dieses Abkommen brechen wird.

    Ich schätze, dass die US Amerikaner sich aus dem Krieg in der Ukraine zurückziehen werden und die Folgekosten den europäischen (Mit-)Betreibern dieses Krieges überlassen und sich stattdessen auf auf ihren Plan B fokussieren, nämlich auf das Ausplündern ihrer Vasallen.

  • Zitat: „Aber die USA brauchen auch uns“.

    Ich glaube das ist der größte Irrtum der Europäer. In Wahrheit sind wir längst nicht mehr auf Augenhöhe und spielen keine entscheidende Rolle mehr.