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Teilzeitquote an SchulenLehrkräfte sollen Vollzeit arbeiten

Deutschen Schulen fehlt Personal. Ex­per­t*in­nen der Kultusministerkonferenz empfehlen, Lehrkräften nur noch ausnahmsweise Teilzeitarbeit zu erlauben.

Lehrkräfte-Mangel: Als „größte Beschäftigungsreserve“ hat die Kommission die Teilzeitquote entdeckt Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Bundesweit macht der Lehrkräftemangel den Schulen zu schaffen. Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), die 2023 der Kultusministerkonferenz (KMK) vorsitzt, hatte deshalb bei ihrem Amtsantritt vor zehn Tagen bereits die Maxime ausgegeben, die Länder müssten sich zusammentun – statt sich gegenseitig die Absolventen von den Unis abzuwerben. Am Freitag legt die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK ihre mit Spannung erwarteten Empfehlungen vor, wie das konkret aussehen könnte. Der taz liegt das Papier vor.

Als die „größte Beschäftigungsreserve“ hat die Kommission die Teilzeitquote entdeckt. Sie schlägt vor, „die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit zu begrenzen“. Eine Reduktion der Arbeitszeit unter 50 Prozent soll dann „nur aus besonderen Gründen möglich sein“ – etwa, wenn kleine Kinder zu Hause betreut werden müssen. „Rein rechnerisch“ könne man, bei Aufstockung aller bundesweit 447.000 Teilzeitlehrer*innen, so rund 205.000 Vollzeitstellen gewinnen.

Auch Sabbaticals könne man „befristet einschränken“. Zudem sollen Ru­he­ständ­le­r*in­nen wieder zur Rückkehr an den Arbeitsplatz motiviert werden. Dafür brauche es gezielte Kampagnen in den Ländern. Bereits jetzt können Lehrkräfte über das eigentliche Ruhestandsalter von 65 Jahren hinaus arbeiten. Allerdings schaffen das die wenigsten: laut KMK-Papier 2020 nicht mal ein Drittel der 17.000 Neu-Pensionäre.

Für Entlastung im Arbeitsalltag sollen auch Studierende sorgen. Sie könnten Klausuren korrigieren, schlagen die Ex­per­t*in­nen vor. Viele Länder setzen bereits Lehramtsstudierende im Unterricht ein – in Berlin dürfen sie etwa bis zu 14 Wochenstunden unterrichten.

Ältere Schü­le­r*in­nen sollen öfter allein lernen

Damit Lehrkräfte auch wirklich vor der Klasse stehen, anstatt das Mittagessen zu beaufsichtigen, schlägt die Kommission zudem vor, Lehrkräfte in Altersteilzeit für Hilfsarbeiten heranzuziehen. Konkret: Wenn eine Pausenaufsicht gebraucht wird, soll das der Kollege mit den Ermäßigungsstunden übernehmen. In Berlin könnte man so rein rechnerisch einen Umfang von 331 Vollzeitstellen aktivieren, teilt die Bildungsverwaltung auf Anfrage mit.

Die älteren Schü­le­r*in­nen sollen indes versuchen, ob sie nicht auch ganz ohne Leh­re­r*in auskommen: Die „Selbstlernzeiten“ in der Oberstufe könnten ausgeweitet werden, schlägt das Papier vor. Die Länder könnten zum Beispiel „Scripts“ und „Linksammlungen“ für das Selbststudium bereitstellen.

Einfach mehr Kinder in eine Klasse zu setzen und so Personal zu sparen, soll aber nur „ultima ratio“ sein, insbesondere in Grundschulen und sozialen Brennpunkten.

Von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kam am Donnerstag Kritik: „Das ist nur Symptombekämpfung. So motiviert man junge Menschen nicht für diesen Beruf“, sagt der Berliner Landesvorsitzende Tom Erdmann. Es brauche eine Ausbildungsoffensive an den Unis. Die KMK rechnet damit, dass bis 2025 rund 20.000 Lehrkräfte in Deutschland fehlen.

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13 Kommentare

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  • Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Eine formale 40-Stundenwoche würde (in NRW) theoretisch eine Stundenreduzierung um eine Stunde bedeuten.



    Im "richtigen Leben" an einer Schule würde eine tatsächliche 40-Stundenwoche an dazu führen, dass die meisten Lehrkräfte deutlich weniger Arbeiten müssten, da engagierte Lehrer mit einer vollen Stelle in Regel deutlich läger als 40 Stunden pro Woche arbeiten.



    Viele Lehrer gehen ja gerade deshalb in Teilzeit (und verzichten auf einen wesentlich Teil ihres Gehalts und ihrer Pension), damit sie mit 40 Stunden tatsächlicher Arbeit auskommen und nicht ständig 50 bis 60 Stunden arbeiten.



    Der Vorschlag besteht also darin, einer Berufsgruppe, die sich durch massive Selbstausbeutung und eine extrem hohe Burnoutquote auszeichnet, die letzte Möglichkeit zu nehmen, die Arbeitsbelastung auf ein den eigenen Belastungsgrenzen entsprechendes Niveau zu senken.



    Das klingt doch nach einer nachhaltigen Idee!



    P.S.: Wo bleibt eigentlich der Vorschlag, Lehrer in den Ferien in Kitas einzusetzten, weil die ja sonst viel zu viel "Urlaub" hätten?

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Ein anderer Vorschlag, radikal ich weiß:



    Man stopft legale und illegale Steuerschlupflöcher und besteuert Unternehmen und Reiche vernünftig. Und hey presto kann man sich ordentliche öffentliche Dienste und Versorgungen leisten.

  • Sehr kluge Vorschläge.



    Angesichts der hohen Ausfallraten unter LehrerIhnen ist die Einschränkung von Teilzeitmöglichkeiten der klügste Voraschlag, den ich seit langem gehört habe.



    Und die Ausweitung der Selbstlernzeiten sind ein ganz prickelnder Vorschlag.

    Mit solch klugen Köpfen müssen wir uns keine Sorgen darüber machen, dass der Laden an die Wand fährt.



    Wie wärs mit: Gebt dem System die Ressourcen, die es braucht! Und plant diese Ressourcen professionell!



    Offenbar sollen hier wieder Subalterne den Delitantismus höherer Chargen ausbaden.

  • Und ich dachte schon, man denkt über eine 40 Std-Woche nach (wie im normalen Leben)

    • @Thüringer:

      Wenn das nur die Antwort wäre. Mit einer vollen Stelle von ca. 25 Unterrichtsstunden (je nach Bundesland) ist es ja nicht getan. Mit Vorbereitung, Nachbereitung, Korrekturen und pädagogischer Arbeit, liegt der reale Arbeitsaufwand bei deutlich über 40 Wochenstunden. Das ist auch absolut in Ordnung, weil man gut verdient und als Lehrkraft über die Ferien einen Ausgleich bekommt, aber jetzt zu schreien, dass die faulen Lehrer einfach mehr machen sollen oder auf Zwang nicht mehr in Teilzeit arbeiten sollen (obwohl es dafür meistens gute Gründe gibt), ist zu kurz gedacht - dann suchen sich viele einfach was anderes.

    • @Thüringer:

      Ich komme aus einer sehr resilienten und engagierten Lehrersdynastie. Aus deren Binnenansicht wird bei bekanntem Urlaubjahreskontingent und eben nicht 38 Stundenwoche die eigene Belastung immer als "am Limit" erlebt. Eine Kontrastierung mit der Belastung normaler Arbeitnehmer*innen verfängt hier argumentativ zu keinem Zeitpunkt seit Jahrzehnten. Meine Befürchtung: wenn die Wochenstundezahl zwangsweise erhöht werden sollte, werden sich eine nicht unerhebliche Zahl an Lehrer*innen in den beliebten Burnout verflüchtigen und es wäre an den Schulen wieder nichts gewonnen. Teufelskreis.

    • @Thüringer:

      Lehrer haben eine 42 Stunden Woche.



      Nur die 25 (bzw. 27, bzw 30) Deputatsstunden zu zählen geht natürlich nicht. Vorbereitung, Korrekturen, Konferenzen, Elterngespräche und alles sind dann in diese Stunden eingerechnet. Manche arbeiten sogar mehr als 42 Stunden in der Woche. Und das jede Woche. Überstunden gibt es gar nicht.

      Und jetzt kommt gleich der Shitstorm dass Lehrer eh zu wenig arbeiten und immer frei haben. Und faul sind.



      Und trotz dieser paradiesischen Zustände gibt es viel zu wenig Lehrer und keiner will's studieren - komisch

    • 6G
      659554 (Profil gelöscht)
      @Thüringer:

      Das wäre aber eine Arbeitszeitsenkung.

    • @Thüringer:

      Was der Artikel nicht erwähnt: sind LehrerInnen erstmal verbeamtet, können sie im Großen und Ganzen gezwungen werden, voll zu arbeiten.

      Das ist ein willkommener Nebeneffekt der Verbeamtung.

    • @Thüringer:

      Bei einer vollen Stelle haben Sie als Lehrkraft an einer weiterführenden Schule eher eine 50-Stunden-Woche, wenn sie Ihre Arbeit gut machen.

    • @Thüringer:

      Ich nehme an, Sie haben schon in dem Beruf gearbeitet, stimmts?

  • Es könnten aber auch rein rechnerisch 447k Teilzeit- oder 205k Vollzeitlehrkräfte entfallen.