Tech-Investor Peter Thiel: Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung
Die Reichen verabschieden sich längst aus der gemeinsamen Welt der Demokratie. Ein gutes Beispiel dafür ist der Tech-Milliardär Peter Thiel.
I n den USA treten finanzkräftige Parteispender gerne öffentlich in Erscheinung. So ist etwa Elon Musk zuletzt mehr als deutlich als Unterstützer Donald Trumps hervorgetreten. Oder soll man besser sagen gehopst – wie bei seinem skurrilen Auftritt in Pennsylvania am Ort des Attentats?
Etwas hintergründiger – aber um nichts weniger intensiv – legt ein anderer Tech-Milliardär seine Unterstützung an: Peter Thiel. Der in Deutschland geborene und in den USA aufgewachsene Investor entwickelt seine Parteinahme auf seine eigene Art. Man bezeichnet ihn als Strippenzieher und seit der Ernennung seines Protegés J. D. Vance zu Trumps Vizepräsidenten-Kandidaten sogar als Königsmacher.
Kürzlich ist ein Videoclip von Februar wieder aufgetaucht, wo der Silicon-Valley-Milliardär sein politisches Credo ablegt. Und dieses hat es durchaus in sich.
Er beruft sich ausgerechnet auf Carl Schmitt. Vorlage ist ihm die Kritik des expliziten Nationalsozialisten am Liberalismus, an der liberalen Demokratie der Weimarer Republik in den 20er Jahren. Diese Kritik würde, so Thiel, auch auf das moderne Amerika zutreffen.
„Ich glaube nicht, dass wir uns in einer zyklischen Welt befinden, aber es gibt sicherlich gewisse Parallelen zwischen den USA in den 2020er Jahren und Deutschland in den 1920er Jahren“, so Thiel. „Der Liberalismus ist erschöpft, man vermutet, dass die Demokratie, was auch immer das heißen mag, erschöpft ist und dass wir einige Fragen stellen müssen, die weit außerhalb des Overton-Fensters liegen.“
Er nimmt damit unter expliziten Vorzeichen ein Thema auf, das er immer wieder vorbringt: „Ich glaube nicht länger“, so Thiel, „dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind.“
Regeln schränken Milliardäre ein
Warum diese aus seiner Sicht nicht vereinbar seien, ist klar: Demokratie ist eine Gesellschaftsordnung, die Macht institutionell begrenzt – auch die Macht von Eliten. Zumindest dem Ideal nach.
Demokratie bedeutet Regeln, die für alle gelten – das ist aber für die Thiels dieser Welt eine unzulässige, eine empörende Einschränkung. Denn Regeln fügen sie in etwas ein, dem sie sich nicht zugehörig fühlen: die Gesellschaft. Deshalb lehnen sie Demokratie ab. So wie Thiel auch Politik als „Einmischung in anderer Leute Leben ohne ihre Zustimmung“ ablehnt. Die Freiheit, die für ihn unvereinbar mit der Demokratie ist, ist genau das: Freiheit von der Gesellschaft, die ihn eingrenzt.
„Sezession der Reichen“ nennt man das in der Theorie. Eine Abtrennung, eine Distanzierung, eine Ungebundenheit von der Gesellschaft. Der Soziologe Zygmunt Bauman sah darin eine „geistig-moralische Exterritorialität“ der Erfolgreichen, die sich für eine Abspaltung entscheiden und von ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen und Verantwortungen und damit vom Gemeinwohl zurücktreten. Kurzum – die Thiels dieser Welt kündigen den Gesellschaftsvertrag einseitig auf.
Das wahre Gesicht des Populismus
Sie verabschieden sich aus der gemeinsamen Welt. Sie kündigen noch die allgemeinste Vorstellung von Gleichheit auf. Das steht nur scheinbar im Widerspruch zu Trumps vehementem Nationalismus und seinem Populismus. Tatsächlich ist es dessen wahres Gesicht.
Dieser Auszug aus der Verantwortung, aus der Gesellschaft, ist ein Auszug aus der Begrenzung, die für die Demokratie konstitutiv ist. Denn er bedeutet in jeder Hinsicht eine Entgrenzung: finanziell, sozial, kulturell, räumlich. Es ist dies das Entstehen einer Oligarchie.
Hier greift der Vergleich mit der Kritik an der Weimarer Republik. Das Überschreiten des Overton-Fensters – also der Bandbreite der Ansichten oder Meinungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt als politisch akzeptabel gelten – wird damit klar ausbuchstabiert: Was Thiel vorschwebt, ist eine Herrschaft der Wenigen, eine Elitenherrschaft. In dieser Form scheint ihm Politik doch zulässig: als oligarchische Diktatur, die nur auf den Eigennutz der Herrschenden zielt und sich vom Gemeinwohl verabschiedet.
In der Antike galt die Oligarchie als eine Verfallsform der Aristokratie. Heute ist sie zu einer Verfallsform der Demokratie geworden.
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