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Vor allem muss man klarmachen, warum die Anbieter keinen einheitlichen Tarifvertrag wollen: Es geht nicht um's Geld, da könnte man sich einigen - es geht um Arbeitszeiten, Schichtregelungen und dergleichen. Die Branche will keine einheitlichen Standards zum Arbeitsschutz - denn die wären viel teurer, als ein paar hundert Euro im Jahr.
Und wenn man diesen Zustand als nicht auflösbar anerkennt, stellt sich unmittelbar die Systemfrage.
Gute Pflege, ein menschenwürdiges Gesundheitssystem kosten Geld - und 80% des Wohlstands sind an der Gemeinwohlfinanzierung praktisch nicht mehr beteiligt. Mit der Lastenverteilung wird jede Aufgabe zu einem existenziellen Problem.
Aber laut Spahn gestern auf der Pressekonferenz sinngemäss:" ist im Westen, wo die meisten Einrichtungen in der Hand der Kirchen sind ,alles prima. Nur im Osten wo die Atheisten leben , läge einiges im Argen. "
Was soll das abwertende Gedöns vom "Christenmenschen" in dem Zusammenhang?
Die Löhne bei gemeinnützigen Caritas sind bereits jetzt höher als der miese ausgehandelte Tarifvertrag von Verdi, der den Privaten die Gewinne absichert und Standards setzen würde für die Krankenkassen und geringere Zahlungen derselben bedeuten würde. Die höheren Löhne bei den Gemeinnützigen als "kirchenbedingten Sonderrechte" abzuqualifizieren ist eine Frechheit gegenüber den Angestellten in der Pflege dort.
Das höhere Niveau der Caritas sollte daher Standard werden für Heils Zuzahlungen und der Vertrag von Verdi gehört zerschossen. Heils Pläne schaffen keine Sicherheit auf höhere Löhne. Im Gegenteil, sie bedrohen die höheren Löhne, die bereits jetzt bei den Gemeinnützigen gezahlt werden.
Soll das so ein cliffhanger sein?
Der ganze Kommentar über die Pflege und der letzte Satz „Diese Teilung ist unlogisch, ineffizient – und für die Gesellschaft zu teuer.“ vollkommen ohne jede Erklärung.
Oder mehr nach dem Motto „im übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden sollte“?
In Umfragen ist die AfD stark wie nie. CDU-Chef Merz beschuldigt die Ampel, Grüne und SPD halten dagegen.
Tariflohn für Pflegende: Schluss mit der Teilung
Es soll mehr Geld geben für Pflegekräfte. Doch es fehlt ein einheitlicher Tarif – und ein Ende der Aufteilung in gesetzliche und private Kassen.
Pflegekräfte demonstrierten am 12. Mai unter dem Motto „Der Pflege geht die Luft aus“ in Berlin Foto: M. Golejewski/adora press
Doch, es gibt Fortschritt in der Pflege. Schon vor Corona sind die Löhne in der Kranken- wie in der Altenpflege überdurchschnittlich gestiegen. Dank Corona ist nun auch die gesellschaftliche Anerkennung für Pflegeberufe gewachsen. Das Pflegethema lässt sich nicht mehr als unschön und überkomplex wegwischen.
Die Minister Hubert Heil (SPD) und Jens Spahn (CDU) haben nun beschlossen, dass nur Pflegeheime, die Tariflöhne zahlen, noch Geld aus der Pflegekasse bekommen sollen. Viele Pflegekräfte, die bisher den Pflegemindestlohn hatten, werden bald mehr bekommen. Jedenfalls wenn die Union diese Kabinetts-Einigung nicht mehr zerschießt, wie es zuletzt mehrfach passiert ist.
Nur: „Tariflöhne“ klingt hier besser, als die Sache ist. Denn Tarife gibt’s in der Pflege im Übermaß. Das Ziel dieses Jahres hätte ein Tarif für alle sein müssen, der Übersicht und Verlässlichkeit gegeben hätte. Diesen einheitlichen Tarifvertrag aber haben Ende Februar die Arbeitgeber zerschossen – namentlich die Christenmenschen von Caritas und Diakonie. Ihnen waren ihre kirchenbedingten Sonderrechte wichtiger als die Aufwertung der mitmenschlichen Sorgearbeit.
Der Pflegeplan der Bundesregierung ist daher nur die zweitbeste Lösung. Denn ein wichtiges Problem der Pflege bleibt dabei bestehen: die enorme Unübersichtlichkeit der Branche, die zu krassen Gehaltsunterschieden und immer nur halbgaren Ansätzen führt, wenn es etwas zu verbessern gilt.
Diese Unübersichtlichkeit war politisch gewollt. Hurra, Wettbewerb – so lautete das Motto bei der Errichtung des Pflegesystems. Seitdem dient es vor allem Anbietern, die Standards drücken wollen: die Lohnstandards, aber auch Qualitätsstandards, über die noch zu reden sein wird.
Erst einmal aber müssen höhere Löhne auch bezahlt werden. Heils und Spahns Finanzierungsvorschlag gewährt da bestenfalls noch Aufschub. Die Zusatzbelastung von Kinderlosen ist zwar minimal. Aber hier wird an einer Schraube gedreht, die spalterisch wirkt. Das war schon bei der Einführung des Kinderlosen-Zuschlags 2005 keine gute Idee. Und die eingeplante eine Milliarde Euro Steuermittel wird schneller weg sein, als die künftige Regierung „Pflegefinanzreform“ buchstabieren kann.
Klar ist: Die zu Pflegenden werden eine bessere und besser entlohnte Pflege nicht bezahlen können. So wird bald die Systemfrage wieder auf den Tisch müssen: Wie lange wollen wir uns noch die Aufteilung in gesetzliche und private Kassen leisten? Diese Teilung ist unlogisch, ineffizient – und für die Gesellschaft zu teuer.
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Jens Spahn
Kommentar von
Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk. Davor in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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