Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst: Schlichter machen einen Vorschlag
Die Schiedskommission im Tarifstreit für den öffentlichen Dienst hat eine Empfehlung ausgesprochen. Ab dem 22. April wird wieder verhandelt.
Die Schiedskommissionsempfehlung sieht eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 3.000 Euro vor, die in mehreren Tranchen zwischen Juni 2023 bis einschließlich Februar 2024 ausgezahlt werden soll. Ab März 2024 soll dann der Lohn zunächst um einen Sockelbetrag von 200 Euro und anschließend um 5,5 Prozent erhöht werden, wobei die Gehaltserhöhung mindestens bei 340 Euro liegen soll. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll 24 Monate ab Januar 2023 betragen.
Ein Ende des Tarifkonflikts ist damit aber noch nicht in Sicht, zumal der Beschluss nicht von allen Beteiligten mitgetragen wurde. Eine Einigung ist nur in den Tarifverhandlungen möglich, die der Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sowie Verdi und der Deutsche Beamtenbund (dbb) am 22. April wiederaufnehmen wollen.
Der Beschluss der Schiedskommission wurde von einer „überwiegenden Mehrheit“ mitgetragen, wie die Kommission mitteilte. Somit könnte sich mutmaßlich mindestens ein Teil der Arbeitgeber gegen die Empfehlung gewandt haben. In den Tarifverhandlungen sehen sich vor allem die kommunalen Arbeitgeber einem Spagat ganz unterschiedlicher Interessen und Kassenlagen ausgesetzt. Darunter fallen Sparkassen und Krankenhäuser genauso wie auch Abfallentsorgung und öffentlicher Nahverkehr. Auch Städte und Gemeinden sind finanziell ganz unterschiedlich aufgestellt.
Die Arbeitgeberseite hatte in der 3. Verhandlungsrunde, kurz vor dem Scheitern der Gespräche, Möglichkeiten einer Einigung aus ihrer Sicht umrissen. Wie die taz aus Verhandlungskreisen erfuhr, sah ihr „Denkmodell“ so aus: eine Gehaltserhöhung um 4 Prozent, mindestens 180 Euro monatlich ab Oktober, im Juni 2024 nochmal 3 Prozent, mindestens 120 Euro. Die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie solle gesplittet gezahlt werden: insgesamt 2.000 Euro dieses Jahr, 1.000 im nächsten.
Die kommunalen Arbeitgeber stellten aber klar, dies sei kein Angebot, es handele sich nur um „denkbare Elemente einer Einigung“. Das Volumen der jetzigen Schichtungsempfehlung geht über diese Überlegungen hinaus. Allerdings bleibt es gleichwohl deutlich hinter der Gewerkschaftsforderung zurück: Verdi und Beamtenbund hatten 10,5 Prozent mehr Geld gefordert, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat, bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von nur zwölf Monaten.
Die Gewerkschaften hatten nach der dritten Verhandlungsrunde in der Nacht zum 30. März das Scheitern der Gespräche erklärt. Der Bund und die Kommunen riefen daraufhin die Schlichtung an, die am 6. April angelaufen war. Die jeweiligen Verhandlungsführer – etwa Innenministerin Nancy Faeser für den Bund (SPD) oder Verdi-Chef Frank Werneke – waren nicht dabei.
Bei den Schlichtungsverhandlungen waren die Gewerkschaften im Vorteil. Nur der von ihnen benannte Schlichter Hans-Henning Lühr, ein früherer Bremer Finanz-Staatsrat und Verwaltungswissenschaftler mit SPD-Parteibuch, war stimmberechtigt. „Der Mix ist ein fairer Interessenausgleich, für den natürlich auch viel Geld in die Hand genommen werden muss“, erklärte Lühr. Dies sei eine gute Investition in einen zukunftsfähigen öffentlichen Dienst.
Aber auch der frühere sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), der von den Arbeitgebern eingesetzt war und als zweiter Vorsitzender kein Stimmrecht hatte, trug die Empfehlung nach eigenen Worten „trotz der ungewöhnlichen Höhe“ mit. Er hoffe auf eine schnelle und einvernehmliche Regelung auf Basis der Empfehlung.
Die Tarifparteien wollen die Verhandlungen mit den Spitzen von Arbeitgebern und Gewerkschaften am 22. April in Potsdam wiederaufnehmen. Wenn dort keine Einigung erzielt wird, könnten die Gewerkschaften eine Urabstimmung über unbefristete Streiks einleiten.
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