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Tageszeitung „junge Welt“Beobachtung erlaubt

Die Tageszeitung „junge Welt“ darf in Verfassungsschutzberichten erwähnt werden. Das ergab eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin.

Im Blick von Rosa Luxemburg und des Verfassungsschutzes: Redaktion der „jungen Welt“ in Berlin Foto: Schoening/imago

Berlin epd | Die Tageszeitung junge Welt muss nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vorerst nicht aus den Verfassungsschutzberichten des Bundesinnenministeriums gestrichen werden. Das Gericht wies nach eigenen Angaben vom Montag aus Berlin einen Eilantrag zurück, mit dem die Herausgeber die Behörde verpflichten wollten, die Erwähnung bis zur Entscheidung über eine entsprechende Klage einstweilen zu unterlassen.

In den vom Ministerium herausgegebenen Verfassungsschutzberichten für die Jahre 1998, 1999, 2002 und 2004 bis 2020 wird die junge Welt als kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung aufgeführt. Der Herausgeber-GmbH sei zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten, begründete das Verwaltungsgericht seine Entscheidung.

Die Herausgeber hätten über viele Jahre die Praxis des Bundesinnenministeriums hingenommen. Im Übrigen bestehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht. Die Berichterstattung sei vom Bundesverfassungsschutzgesetz abgedeckt. Danach dürfe das Ministerium die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung informieren, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Die junge Welt strebe die Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischen Verständnis an. Hierfür propagiere sie eine Gesellschaftsordnung mit einem Einheitsparteiensystem.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

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13 Kommentare

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  • Eine Überwachung dieser Zeitung ist meiner Meinung nach nicht notwendig. Früher oder später erledigen die sich durch ihre lachhafte, putinhörige Berichterstattung von selbst. Es ist ein sektenhaftes Kampfblatt, das kaum relevante Reichweite hat. Ich glaube, das hält unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung aus.

  • Das passt doch wieder einmal fast schon zu genau. Das die "Wir verändern die Welt, es dauert nur etwas länger"-Apologeten beinahe 20 Jahre brauchen, um sich gegen die Beobachtung des BfV zur Wehr zu setzen ist einfach nur köstlich.

    Seit einigen Jahren schon ist die JW das einzige Satiremedium, welches mich noch richtig zum Lachen bringt.

  • Man muss die JW nicht mögen, um hier eine Gefahr für die Pressefreiheit zu sehen: die Erwähnung durch den Verfassungsschutz schädigt dieses Medium auch wirtschaftlich (und soll das wohl auch). Darin wird eine Tendenz sichtbar, die ich für höchst problematisch halte: sobald Medien sich außerhalb des mehrheitsgesellschaftlichen Konsens beewegen, wird man rasch fündig, wenn es um die Legitimierung ihrer Ungleichbehandlung geht. Dieser Habitus, den Polt mal mit der schönen Formulierung umschrieben hat, man brächte keine Opposition, weil man wäre schon Demokrat, gefährdet die Demokratie letztlich viel mehr als JW, RT etc. Wir verfallen hier, ohne es zu merken, in ein Argumentationsschema, das man nur allzu gut aus Autrokratien kennt: man erkennt Freiheiten und Rechte formal an, findet im Einzelfall aber Gründe, warum sie doch nicht gelten sollten.

    • @O.F.:

      "höchst problematisch"? Wenn eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht schon "höchst problematisch" ist, dann spricht das für unseren Staat, denn offenbar sind härtere Maßnahmen kaum vorstellbar.

      Und natürlich trifft es die Zeitung. Diverse Linksradikale in meinem Umfeld haben das Medium nach der negativen Kritik im Verfassungsschutzbericht gemieden.

    • @O.F.:

      Keine Sorge, Sie dürfen die JW auch weiterhin lesen, die Zeitung wird nicht verboten und bleibt käuflich erwerbar. Sie wird halt nur im Verfassungsschutzbericht genannt und da steht sie völlig zu Recht - genauso wie ein anderes Medium "außerhalb des mehrheitsgesellschaftlichen Konsenses", nämlich Jürgen Elsässers "Compact-Magazin".



      Aber vielleicht sollten sich JW und Compact-Magazin ohnehin zusammentun. Mit der Begeisterung für Putin ist ja schon eine gemeinsame Basis vorhanden.

      • @Schalamow:

        Angriffe auf die Pressefreiheit beginnen nicht erst damit, die entsprechende Zeitung zu verbieten, sondern schon damit, sie in ihrer Entstehung und Verbreitung zu behindern. Genau ds geschieht durch die Nennung im Verfassungsschutzbericht, die ganz konkrete Folgen hat (z.B. das Druckereien die Zusammenarbeit verweigern oder Werbeflächen nicht vermietet werden). Ich erinnere noch einmal daran, dass Pressefreiheit nicht nur dazu ist, gegenwärtige Mehrheitsmeinungen zu schützen, sondern auch und gerade oppositionelle Medien. Man sollte also auch dann, wenn man der JW nichts abgewinnen kann, hier ein grundsätzliches Problem erkennen.

        • @O.F.:

          Jede Freiheit hat Grenzen, die Pressefreiheit endet unter anderem bei der Verbreitung verfassungswidriger Inhalte. Deswegen ist es kein Widerspruch zur Pressefreiheit, wenn solche Publikationen wie das Compact-Magazin oder die Junge Welt bei einem begründeten Verdacht beobachtet werden können.

          Wahrscheinlich ist diese Beobachtung bei Ungeimpften, Putin-Freunden, AfD-Anhängern, Verschworungstheoretikern, Homöopathen, Reichsbürgerinnen und anderen Quatschdenkern rechts und links eh die beste Werbung, wahrscheinlich ist die Klage dagegen eine clevere Marketing-Maßnahme. Druckereien sind übrigens im Online-Zeitalter nicht besonders relevant .

          • @Ruediger:

            Due JW ist keine Partei, sondern eine Zeitung, die aus einer (alt)marxistischen Perspektive schreibt; damit ist weder der Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit gesprengt, noch geht davon eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland aus (im Gegenteil: ein bisschen mehr Dissens würde uns gut tun). Ich kann mich nur wiederhole: Sie verfallen hier in autoritäre Argumentationsmuster: man erkennt Freiheitsrechte formal an, findet aber im Einzelfall Gründe, warum sie doch nicht zu gewähren sind. Kommt Ihnen das bekannt vor?

            • @O.F.:

              Ihnen ist aber schon klar, dass es in einem Land, in dem die politischen Vorstellungen von JW & Co. umgesetzt werden, nicht einmal mehr den Hauch von Pressefreiheit gäbe?

              • @Schalamow:

                Das ist eine reine Unterstellung und im übrigen auch kein Argument: Deutschland 2021 muss sich an seinen eigenen Maßstäben messen, nicht an denen anderer Staaten oder (angeblicher) Utopien. Wer die Pressefreiheit unter Ideologie-Vorbehalt stellt, schafft sie ab. Für demokratische Standards hier ist dieser Furor der Mitte eine viel größere Gefahr als eine marxistische Zeitung mit einem sehr überschaubaren Leserkreis.

                • @O.F.:

                  Ihre ganze Argumentation wäre nachvollziehbar und vielleicht sogar richtig, wenn es um ein Verbot ginge. Das ist aber weder beim Compact-Magazin noch bei der Jungen Welt der Fall

                  • @Ruediger:

                    Wie ich oben geschrieben habe: Angriffe auf die Pressefreiheit beginnen nicht erst, wenn man ein Medium verbietet, sondern bereits dann, wenn man es bei seiner Arbeit behindert - was durch die Nennung im Verfassungschutzbericht klar der Fall ist (auch das habe ich bereits erklärt).



                    Das ist eine Tendenz, die sich auch in anderen Bereichen beobachten lässt: wir neigen dazu, Autoritarismus nur wahrzunehmen, wenn er mit dem Holzhammer agiert; dabei ist er mindestens genauso gefährlich, wenn er auf eher subtile Methoden setzt. Um Dissens aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen, muss man Journalisten nicht einsperren. Wenn man sie finanziell schädigt, ist der Effekt derselbe.

  • Endlich! Das man die JW als "kommunistisch" bezeichnet ist natürlich eine Beleidigung für jeden Kommunisten. Mehr sollte diese stalinistische Kampfblatt als Ersatzmedium für deutsche RT-Fans bezeichnet werden. Die Berichterstattung zum russischen Krieg gegen die Ukraine entspricht eins zu eins der russischen Propaganda, bzw. der AFD-Haltung zum russischen Diktator. Braucht es ein Verbot? Sicher nicht. Aber eine Beobachtung? Auf jeden Fall!