piwik no script img

TV-Interview mit US-Präsident Joe BidenNur Gott kann ihn stoppen

Biden betont in einem Interview, dass er erneut kandidieren will. Er verhaspelt sich, kann aber ansonsten ohne Teleprompter reden. Ob das reicht?

Kann auch auf Leute zugehen: Joe Biden bei einem Wahlkmapfauftritt am Freitag Foto: Manuel Balce Ceneta/AP/dpa

Washington taz | US-Präsident Joe Biden hat in seinem ersten TV-Interview nach seiner schwachen Performance in der TV-Debatte gegen Donald Trump versichert, dass er körperlich und geistig in der Lage sein, das Land und die Welt auch für weiter vier Jahre zu führen. „Wenn ich es nicht in mir hätte, würde ich nicht erneut antreten“, sagte der 81 Jahre alte Biden energisch im Interview mit ABC News, das am Freitagabend ausgestrahlt wurde.

Nach dem Debakel in der TV-Debatte am 27. Juni waren in der vergangenen Woche immer mehr Stimmen laut geworden, die Bidens erneute Kandidatur für das Präsidentenamt infrage gestellt haben. Besonders beunruhigend für Bidens Team, ist es, dass selbst hochrangige demokratische Politiker und Spendengeber während der vergangenen Woche die Perspektive einer zweiten Biden-Amtszeit kritisch hinterfragt haben.

Auch öffentliche Aufforderungen seine Kandidatur niederzulegen hat es gegeben. Biden selbst ist sich weiterhin sicher, dass er der beste Kandidat sei, um Ex-Präsident Trump im November zu besiegen.

„Ich bin die am besten qualifizierte Person, ihn zu besiegen, und ich weiß, wie man Dinge umsetzt“, erklärte Biden während des 22-minütigen Interviews.

Verhaspelt bei den Wahljahren

Das TV-Interview mit dem amtierenden US-Präsidenten wurde am Freitagnachmittag Ortszeit im US-Bundesstaat Wisconsin aufgezeichnet und dann zur besten Sendezeit um acht Uhr am Abend ungeschnitten ausgestrahlt. Biden gab sich während des Interviews selbstsicher und zuversichtlich, doch er verhaspelte sich ab und an und verwechselte die Wahljahre 2020 und 2024 mit dem Midterm-Wahljahr 2022.

„Erinnere dich an 2024 – 2020, die ‚Rote Welle‘ war angekündigt“, sagte Biden auf die Frage nach seinen sinkenden Umfragewerten und ob er diesen Glauben schenke. Was er wirklich meinte, waren die amerikanischen Wahlen zur Hälfte seiner Amtszeit im Jahr 2022.

Vor den Wahlen besagten Umfragen damals, dass es zu einer sogenannten „Roten Welle“ kommen könnte und Republikaner eine gute Chance hätten, sowohl die Mehrheit im Repräsentantenhaus als auch im Senat zu gewinnen. Am Ende geschah dies nicht und Demokraten behielten die Mehrheit im Senat. Es war sogar eines der besten Midterm-Resultate für die Partei eines Amtsinhabers in Jahrzehnten.

Doch 2024 ist eben nicht 2022 und die aktuellen Umfragewerte verheißen nichts Gutes für Biden und die Demokraten. Seine Leistung im TV-Duell mit Trump schob er auf nichts weiter als „Erschöpfung“ und eine „falsche Vorbereitung“. „Es war ein schlechter Abend. Es war jedoch kein Hinweis auf eine ernsthafte Erkrankung. Ich war erschöpft. Ich habe bei der Vorbereitung nicht auf meinen Instinkt gehört“, erklärte Biden.

Obwohl namhafte US-Medien wie die New York Times, Washington Post und Wall Street Journal in den vergangenen Tagen über Unruhen unter Demokraten im US-Kongress berichtet haben, befürchtet Biden keine bevorstehende Meuterei. Er habe mit führenden Politikern seiner Partei gesprochen und kein einziger, so Biden, habe seinen Rückzug gefordert.

Dialog mit Gott

„Ich meine, wenn der allmächtige Gott herunterkäme und sagen würde: ‚Joe, steig aus dem Rennen aus‘, würde ich aus dem Rennen aussteigen“, sagte der Präsident über die Möglichkeit eines Rückzugs.

Er nutze das Interview außerdem als eine Gelegenheit, für seine Politik zu werben, die, wie er sagte, über die vergangenen dreieinhalb Jahre zahlreiche Erfolge hervorgebracht hat. Gleichzeitig attackierte er Trumps Politik und dessen Charakter.

„Der Mann ist ein geborener Lügner“, sagte Biden über seinen politischen Widersacher. Er habe während der Debatte über 20-mal gelogen.

Für Biden war es ein positives Interview. Es hat gezeigt, dass er auch ohne Teleprompter noch in der Lage ist, seine Politik und seine persönliche Situation ohne große Probleme zu artikulieren. Ob er damit die Bedenken in der Bevölkerung bezüglich seines Gesundheitszustandes und seines Alters aus dem Weg räumen konnte, ist fraglich.

Biden wird in den kommenden Tagen auf Wahlkampftour unterwegs sein, bevor er in der kommenden Woche die Staatschefs vieler Nato-Mitglieder zum Gipfel in der US-Hauptstadt willkommen heißt.

Dort wird er Donnerstag auch eine mit Spannung erwartete Pressekonferenz geben. Die Fragen über seine Kandidatur gehen derweil weiter und Fehltritte jeglicher Art kann sich Biden nur wenige Monate vor der Wahl fast nicht mehr erlauben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Nun denn, freie Bahn für Trump, Pest und Cholera vereint. Vielleicht liegt's am Älterwerden, aber irgendwie scheint es nirgendwo auf diesem Planeten grössere Lichtblicke zu geben, ich finde eher eine Endzeitstimmung.

  • Also doch noch Bernie Sanders!



    Bernie for President!



    Bernie wins two terms!

  • Diejenigen die sich hier so süffisant über Biden auslassen und teilweise ziemlichen Blödsinn von sich geben, sollten bedenken das Europa heute anders aussehen würde, hätte sich Biden nicht vehement für die Ukraine eingesetzt.

    Auch der Nahe Osten würde heute ein anderes Bild abgeben wenn Biden nicht Druck auf Netanjahu ausgeübt hätte. Gleiches gilt für die Präsenz der Nato in Europa, speziell an der Ostgrenze. Es war u.a. Biden der sich dafür stark gemacht hat im Kongress.

    Ihn jetzt als altersstarrsinnigen Greis hinzustellen, den "der liebe Gott gleich mitnehmen möge" ist absolut despektierlich angesichts seiner Leistungen.

    • 2G
      2422 (Profil gelöscht)
      @Sam Spade:

      Ich finde es immer despektierlich, wenn Staatsmänner höhere Wesen ins Spiel bringen, seien es Gott oder Allah oder wer immer. Ich habe nichts gegegen Glauben und Götter, aber ein moderner Staatsmann steht für alle Menschen, in deren Namen er regiert, und da hat sein privater Glaube nichts verloren. Biden fällt leider immer wieder durch solche unsensiblen Ausfälle gegen Teile seines Wahlvolks auf. Und dass sein Gott ihn seinerzeit für den Irak-Krieg hat stimmen lassen, macht ihn auch nicht glaubwürdiger.

  • "Nur Gott kann ihn stoppen"



    Ach, heißt Trump jetzt schon Gott? 😂

  • Von welchen völlig "Gaga"Menschen wird die Welt regiert!



    Unglaublich solche selbstverliebten Darsteller.



    Ich hoffe, er reitet nicht auch noch oben ohne durch die Prärie!

  • „Ich meine, wenn der allmächtige Gott herunterkäme und sagen würde: ‚Joe, steig aus dem Rennen aus‘, würde ich aus dem Rennen aussteigen“, sagte der Präsident über die Möglichkeit eines Rückzugs.

    Mir scheint, dass Biden durchgeknallt ist. Statt seiner sollten die Demokraten eine Vogelscheuche aufstellen, die sagt wenigstens nichts.

  • "...selbst ist sich weiterhin sicher, dass er der beste Kandidat sei, ..."



    Schließt das in seinem Verständnis KANDIDATIN mit ein?



    Für viele AmerikanerInnen gilt, dass sie zu einer Wahl gehen, in der sie einen Gleichalten oder Älteren wie/als ihren Großvater zum Präsidenten machen werden (müssen). Diese alternativlose Vorstellung finde ich erschreckend, wo doch in der Kindheit der hiesigen BoomerInnen durchaus eher die Generation der eigenen Eltern ebenfalls hoffnungsvoll und aussichtsreich KandidatInnen stellte, dynamisch und smart zugleich (mal abgesehen von der "Eisernen Lady*).



    Vielleicht heißt "mehr Demokratie wagen" an dieser Stelle: Den Rückzug einläuten.



    /



    Quelle cicero.de 13.7.23:



    "Laut New York Times fanden fast doppelt so viele Menschen Ende 20 und Anfang 30 den Weg zur Wahlurne wie bei den Zwischenwahlen vier Jahre zuvor. In erster Linie unterstützten die jungen Wähler demokratische Kandidaten und trugen so dazu bei, dass die Partei die Kontrolle über den Kongress erlangte."

  • Uff. Trump ist zweifellos das deutlich schlimmere Übel und gewinnt jeden Narzissmus-Blumentopf, aber Bidens Kommentar, nur Gott könne ihn stoppen, ist auch nicht ohne. Hoffen wir, dass ihm Gott erscheint und ihm gebietet, auszusteigen.

  • Es ist schon ziemlich schrecklich, diesen irren Wahlkampf dort drüben mitansehen zu müssen. Es könnte noch ein Plan sein, dass Kamala Harris übernimmt. Vorher bleibt aber bis jetzt:der alte Mann muss gewinnen.

    • @poesietotal:

      Kamala Harris?? Die hat genauso schlechte Werte wie Joe Biden und hat bisher ausser etlichen unfreiwillig komischen öffentlichen Auftritten (in etwa so wie unsere Annalena) kaum etwas hinbekommen. Kamala ist eher eine Belastung als ein Vorteil für die Demokraten. Die Möglichkeit dasas kamala die Macht übernimmt hat irgendwie etwas realsatirisches.. und ob sowas gut für einen Wahlkampf ist wage ich zu bezweifeln.

  • „Ich meine, wenn der allmächtige Gott herunterkäme und sagen würde: ‚Joe, steig aus dem Rennen aus‘, würde ich aus dem Rennen aussteigen“

    Könnten Gläubige Gott nicht bitten...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Frei nach BAP:



      Wenn et bedde sich lohne tät.

  • Dann müssen wir beten, dass Gott ihn stoppt ...

    • @Christ:

      Nein. Wenn man schon gläubig ist sollte man beten das Gott Trump stoppt. Egal wie, sogar Biden ist eine Alternative. Und eine bessere.

      • @Ulrich Schoppe:

        Für QAnon-Anhänger ist Trump Gott... 🙄