TTIP und Datenschutz: Der Kampf um die Datenhoheit
Die USA machen mit persönlichen Daten ein Riesengeschäft. Sie versuchen, den Datenschutz in der EU über TTIP aufzuweichen.
Wenn die Verhandlungen zu dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP mit den USA am heutigen Montag in die 10. Runde gehen, wollen die Chefunterhändler auch über ein neues heikles Thema reden: den Umgang mit Daten, auch mit persönlichen.
Das Verhandlungsmandat für die EU-Vertreter dürfte dabei klar sein. Denn das Europaparlament hat sich dazu vergangene Woche explizit positioniert: „Solange die pauschale Massenüberwachung nicht vollständig eingestellt und eine angemessene Lösung für Datenschutzrechte der EU-Bürger gefunden wird“, heißt es in der TTIP-Resolution, die die Abgeordneten verabschiedet haben, sei die „Zustimmung des Europäischen Parlaments zu dem endgültigen TTIP-Abkommen gefährdet“.
Der Schutz von persönlichen Daten ist eines der brisantesten Kapitel in dem 100-Seiten-Dokument, mit dem das Parlament der Kommission die rote Linie vorgibt. Die Abgeordneten fordern, dass beispielsweise die Gesundheitsdaten von EU-Bürgern nicht aus Europa heraustransferiert werden dürfen, wenn sich die betreffenden Länder nicht an hiesige Datenschutzregeln halten. Zudem soll TTIP eine Klausel enthalten, dass der Rechtsrahmen der EU zum Schutz der persönlichen Daten nicht angetastet wird – „ohne jegliche Vorbedingung, dass die Klausel mit anderen Teilen der TTIP im Einklang stehen muss“.
Der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, begrüßt die Forderungen der Parlamentarier, warnt aber: „In der Praxis kann man nicht klar unterscheiden, ob Datenschutzregeln oder Marktregeln greifen.“ Wenn etwa Daten, die in einer Cloud gespeichert sind, nicht in den USA verarbeitet werden dürften, könnten US-Anbieter das als Handelshemmnis werten – und mit diesem Argument könnten sie auf einen freien Fluss der Daten drängen.
Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA gehen am heutigen Montag in die zehnte Runde.
Das Europaparlament hat in der vergangenen Woche eine Resolution verabschiedet, die den Verhandlern einen Rahmen für ihr Mandat umreißt. Die Abgeordneten wollen verhindern, dass demokratische Standards ausgehöhlt werden.
Größter Knackpunkt sind die privaten Schiedsgerichte, über die Investoren Staaten verklagen können sollen. Nachdem insbesondere die Sozialdemokraten lange darüber gestritten hatten – Parteichef Sigmar Gabriel hatte versucht, seine Genossen auf eine Linie zu bringen –, heißt es in der Resolution nun, diese müssen „durch ein neues System ersetzt“ werden. Das ist Kritikern zu riskant, sie wollen, dass ganz auf private Schiedsgerichte verzichtet wird.
Gegen die Resolution stimmten deshalb von den deutschen Abgeordneten alle Linken, alle Grünen, 2 AfDler, aber nur 3 von 26 SPDlern. Anders als am vergangenen Freitag in der taz vermeldet, waren das neben Maria Noichl Ismail Ertug und Dietmar Köster. Insgesamt gab es 436 Ja-, 241 Nein-Stimmen und 32 Enthaltungen.
Möglichst wenig Regeln
TTIP ist nicht das einzige Abkommen, in dem derzeit Regeln für den Onlinehandel entwickelt werden: Tisa, das Trade in Services Agreement, soll parallel den internationalen Austausch von Dienstleistungen neu regeln. Zwei Dutzend Länder verhandeln derzeit über Finanzdienstleistungen, Onlinehandel und andere Internetdienste. „Enthält TTIP auch nur eine einzige Ausnahme beim Umgang mit persönlichen Daten, öffnet man damit eine Türe, in die viele Länder hineinstürmen könnten“, warnt Weichert.
Der Handel mit Daten ist ein Riesengeschäft – vor allem für Unternehmen in Ländern, die es mit dem Datenschutz nicht so genau nehmen, wie die USA. Deshalb hätten US-Unternehmen, unterstützt von der US-Regierung, gerne weltweit möglichst wenig Regeln.
Das bestätigt ein geheimes Papier aus dem Weißen Haus, das bei den TiSA-Verhandlungen im Dezember an die Öffentlichkeit gelangte. Gut informierten Kreisen zufolge ist dieser Kapitelentwurf identisch mit dem, den die USA den Chefunterhändlern der EU bei den TTIP-Verhandlungen vorgelegt haben.
Wortwörtlich heißt es darin: „Kein Unterzeichner darf einen Diensteanbieter eines anderen Unterzeichners daran hindern, Informationen zu übertragen, auf sie zuzugreifen, sie zu verarbeiten oder zu speichern. Das schließt persönliche Daten mit ein, wenn der Vorgang in Zusammenhang mit der Ausführung der Geschäfte des Diensteanbieters steht.“ Das würde einen europäischen Datenschutz deutlich erschweren.
Der Druck ist enorm
Jan Philipp Albrecht, Netzexperte der Grünen im Europaparlament, arbeitet seit Jahren zum Thema Datenschutz. Ihm zufolge ist der Druck auf die Kommission enorm. „Die USA versammeln derzeit Länder hinter sich, die ihren Wunsch nach dem freien Datenfluss unterstützen“, sagt er.
Schon im Sommer will die USA mit asiatisch-pazifischen Ländern, die auch an Tisa beteiligt sind, die Transpazifische Partnerschaft TPP verabschieden. „Wenn man sich da auf eine Version einigt, bei der der Datenschutz zur Disposition des Handels wird, dann steht die EU womöglich bei den Tisa-Verhandlungen alleine da.“
Ihrem Mandat zufolge darf die Kommission zwar gar nicht über den Datenschutz verhandeln – denn der ist in Europa ein Grundrecht. Doch das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt, dass sich Fragen der Datenübermittlung nicht vollständig ausklammern lassen. Deshalb müsse die Kommission jetzt „zügig handeln“, sagt Albrecht. Sie müsse in dieser Verhandlungsrunde den Forderungen der EU-Parlamentarier nachkommen.
Schließlich seien Freihandelsabkommen und die europäische Datenschutzgrundverordnung beide europäisches Gesetz und somit gleichwertig. Käme es zu einer Kollision, müsste am Ende ein Richter über den Umgang mit den Daten der EU-Bürger entscheiden.
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