Syrienkonferenz in Wien: Wie lange noch Assad?
Die Verhandlungen bringen noch keinen Durchbruch, doch die Parteien nähern sich an. Umstritten ist, was mit Machthaber Assad passieren soll.
Genf taz | Die Außenministerkonferenz zur Beendigung des Syrienkonflikts am Freitag in Wien hat Annäherungen in wichtigen Detailfragen erbracht, aber noch keinen Durchbruch.
Weiterhin ungelöst sind die Modalitäten einer im Prinzip von allen Konferenzbeteiligten befürworteten mehrmonatigen Übergangszeit zwischen einem Waffenstillstand in Syrien und Neuwahlen. Zentrale Streitfrage ist hierbei die Rolle von Präsident Assad während und nach dieser Übergangszeit.
Die Delegation von US-Außenminister John Kerry sprach von der Möglichkeit einer weiteren Verhandlungsrunde in der kommenden Woche. Bei der Konferenz vertreten war neben den USA, Russland, Saudi-Arabien, der Türkei und Katar auch Iran. Damit saßen erstmals seit Beginn des Syrienkrieges im Jahr 2011 alle Staaten an einem Tisch, die durch Luftangriffe oder durch militärische, logistische und finanzielle Unterstützung der einen oder anderen innersyrischen Konfliktpartei mittelbar oder unmittelbar an dem Krieg beteiligt sind.
Für Deutschland, das durch die massiven Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und Katar zumindest mittelbar in den Syrienkrieg involviert ist, nahm Außenminister Steinmeier an der Konferenz teil. Ebenfalls anwesend waren die Außenminister Libanons, Jordaniens, Irak und Ägyptens, die seit Beginn des Krieges vor vier Jahren über 90 Prozent aller syrischen Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben. Vertreter der diversen syrischen Oppositionskräfte und der Regierung in Damaskus hatten keine Einladung nach Wien erhalten.
Einfluss in der Zeit nach dem Abtritt Assads
Der russische Vizeaußenminister Michail Bogdanow teilte in Wien mit, er habe saudischen Unterhändlern eine Liste der Oppositionsgruppen überreicht, mit denen Russland im Gespräch sei. Die Aufstellung enthalte 38 Namen. Die Saudis hätten ihm eine ähnliche Liste übergeben, die USA hätten ihrerseits eine Übersicht angekündigt. Die syrische Opposition solle sich auf gemeinsame Positionen und eine gemeinsame Delegation für Verhandlungen mit der Assad-Führung verständigen, erklärte der russische Vizeaußenminister.
Zum Kampf gegen den Islamischen Staat wollen die USA nach Angaben eines US-Regierungssprechers bis zu 30 Elitesoldaten als Ausbilder und Berater nach Syrien entsenden Der Auftrag der Spezialkräfte werde begrenzt sein und bedeute keine Änderung der Strategie von Präsident Obama. Sie könnten unter anderem bei der Planung von US-Luftangriffen helfen. Auch werde darüber nachgedacht, im Irak eine kleine Zahl von „Apache“-Kampfhubschraubern zu stationieren. (dpa)
Die Fragen, welche Vertreter welcher Oppositionsgruppen an künftigen Verhandlungen mit der Regierung Assad beteiligt werden und wer als Mitglied einer Übergangsregierung oder als Kandidat für künftige Präsidentenwahlen infrage kommt, sind von großem Interesse für alle äußeren Akteure, die ihre Interessen und ihren Einfluss in Syrien für die Zeit nach dem Abtritt von Assad sichern wollen.
Ein seit Wochen hinter den diplomatischen Kulissen diskutierter Plan sieht vor, dass der Präsident während einer wahrscheinlich auf sechs Monate befristeten Übergangszeit im Amt bleibt, bei der dann folgenden Präsidentschaftswahl aber nicht mehr antritt. Washington und Moskau haben ihre Zustimmung zu diesem Plan signalisiert.
Assad weigert sich allerdings und will erneut kandidieren. Bei seinem jüngsten Besuch in Moskau in der letzten Woche drängte Russlands Präsident Putin ihn vergeblich zum Machtverzicht. Die Haltung Teherans in dieser Frage ist bislang noch unklar.
Saudi-Arabien fordert öffentlich noch immer den sofortigen Rücktritt Assads. Intern haben saudische Diplomaten allerdings das Einverständnis mit Assads Verbleib im Amt während der Übergangszeit signalisiert – vorausgesetzt, dass auch die von Riad unterstützten Oppositionsgruppen damit einverstanden sind.
Das ist bislang allerdings nicht der Fall. Ausnahmslos alle Oppositionsgruppen lehnen den Verbleib Assads im Amt auch während einer Übergangszeit ab und verweigern direkte Verhandlungen mit der Regierung, solange der Präsident nicht zurücktritt.
Leser*innenkommentare
Annabell Rudisch
Ein Anfang ist gemacht. Ich frage mich, was der Westen gegen die russische Ansicht hat, das syrische Volk selbst über die Zukunft des Landes bestimmen zu lassen.
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
@Annabell Rudisch Könnte ja was dabei rauskommen, was dem Westen nicht nützt.
Faulpelz
Warum soll Assad eigentlich nicht kandidieren dürfen? Das wäre doch die beste Möglichkeit, festzustellen, ob die Syrer selbst ihn als Diktator und "Schlächter des eigenen Volks" sehen oder nicht.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
@Faulpelz Ein Massenmörder gehört vor ein internationales Gericht und nicht vor die Wahlurne. Sorry.
warum_denkt_keiner_nach?
@6120 (Profil gelöscht) Das Urteil haben Sie auch schon fertig? Wie wäre es, wenn die Syrer nach einer Wahl entscheiden, ob sie Assad vor ein Gericht stellen wollen? Da er nur in Syrien tätig ist, ist so und so ein syrisches Gericht zuständig.
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
@6120 (Profil gelöscht) Krieg ist immer Massenmord. Die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, ist allerdings völlig unüblich.
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
@6120 (Profil gelöscht) Naja, dann müssen Sie halt noch ein paar amerikanische ex-Präsidenten verklagen, die übelsten davon posthum. Aber Henry Kissinger wäre noch im Angebot.
70023 (Profil gelöscht)
Gast
Richtig.
@Faulpelz: Mich wundert die Demokratie Verständnis von den deutschen Rattenfänger. Assad ist wie sein Vater ein Massenmörder und Assad hat nie ein Chance, noch nicht mal klein bisschen Chance gewält zu werden. Die Syrier sind mehrheitlich Sunniten und Assadklan gehört zu den Alewiten. Wo regiert die Minderheit ausser totalitäre Regime dem Mehrheit. Die Wahlen waren nur Show wie in DDR.
Mich wundert auch die Haltung der Alewiten, die in Deutschland leben. Sie halten bedinunglos zu ihrem ober Guru Assad aber auf der anderen Seite beschimpfen sie demokratisch gewälter Erdogan. Das sind die immer die gleiche echte Demokraten. Alles so verdrehen, wie man es braucht.
warum_denkt_keiner_nach?
"...Assad hat nie ein Chance, noch nicht mal klein bisschen Chance gewält zu werden."
Warum soll er dann nicht antreten?
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
Assad oder IS. Man hat die Wahl.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
@DR. ALFRED SCHWEINSTEIN Das ist die Sicht Russlands und Assads. Jetzt müssen Sie nur noch erklären, warum Russland und Assad so ziemlich alles bombardieren - nur nicht den IS...
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
Warum sollten sie nicht? Glauben Sie etwa an das Märchen der "gemäßigten Rebellen"?
Sobald diese "gemäßigten" den Interessen der USA nicht mehr dienen, werden sie "radikale" sein.
Im Übrigen gibt es keinen langfristigen Plan für nach Assad. Wie heute schon IS werden sich die "gemäßigten Rebellen" für die logistische und materielle Unterstützung beim Westen bedanken und dann den Dschihad aufnehmen.
KLARSPRECH
Saudiarabien sitzt mit am Tisch!!
Wie kann es sein das dort nicht über die schwersten Menschenrechtsverletzungen (Bardawie usw...) und den Vernichtungskrieg im Jemen Diskutiert wird?? Warum sind die überhaupt auf freiem Fuß???
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
Was hat eigentlich der syrische Außenminister gesagt? Der war doch sicher auch dabei..... oder?
6120 (Profil gelöscht)
Gast
@DR. ALFRED SCHWEINSTEIN Wieso sollte der "syrische Außenminister", der lediglich ein Repräsentant einer Kriegspartei Syriens, nämlich des Assad-Clans, ist, dabei sein? Über Syrien wird international entschieden - Syrien hat keine legitime Regierung mehr, sondern nur diverse Kriegsparteien, die zu gegebener Zeit natürlich mit in den Prozess eingebunden werden, und sei es nur, um ihnen klar zu machen, dass sie abtreten müssen...
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
Ach, und Sie sind sicherlich die Institution, die darüber entscheidet, welche Regierung legitim und welche es nicht ist?
Wenn jede kriegführende Regierung illegitim ist, gibt es seit Jahrzehnten keine legitime US-Regierung mehr.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
Man kann hinsichtlich der syrischen Hölle - und genau über die reden wir hier! - sicher über viele Legitimationen endlos debattieren.
Eines entzieht sich allerdings dieser Debatte: Die Hauptverantwortung des Assad-Clans am Zustandekommen dieser Hölle. That's just a fact.
Davon können auch die von diversen Diskutanten oftmals reflexhaft vorgetragenen, undifferenzierten Anti-US-Beiträge nicht ablenken.
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
@6120 (Profil gelöscht) Jaja, there´s no alternative.
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
Man kann hinsichtlich der syrischen Hölle - und genau über die reden wir hier! - sicher über viele Legitimationen endlos debattieren.
Eines entzieht sich allerdings dieser Debatte: Die Hauptverantwortung der USA am Zustandekommen dieser Hölle. That's just a fact.
Davon können auch die von diversen Diskutanten oftmals reflexhaft vorgetragenen, undifferenzierten Anti-Assad/Putin-Beiträge nicht ablenken.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
Die USA haben durch ihre weitgehende Tatenlosigkeit in Syrien die Entwicklung dieser Hölle durch das Assad-Regime nicht verhindert - insoweit ist ein Vorwurf an den USA berechtigt.
Als Täter direkt und hauptverantwortlich für die syrische Katastrophe ist gemäss zahlloser Berichte diverser Menschenrechtsorganisationen sowie der UNO aber das Assad-Regime. Ich habe mich im Laufe der Jahre allerdings schon daran gewöhnt, dass Altlinke und Neurechte in ihrer Verunglimpfung von Menschenrechtsorganisationen in auffälliger ideologischer Nähe zu Despotien stehen.
Herbert Tok
"Die USA haben durch ihre weitgehende Tatenlosigkeit in Syrien die Entwicklung dieser Hölle durch das Assad-Regime nicht verhindert - insoweit ist ein Vorwurf an den USA berechtigt."
Es gibt ca. 180 weitere Länder auf der Welt, die auch nichts getan haben. Warum machen Sie diesen Vorwurf also nur den USA und nicht z.b. China, Mexiko, Japan...oder Deutschland?
6120 (Profil gelöscht)
Gast
@Herbert Tok I agree with you - Sie dürfen meinen Kommentar so interpretieren, dass ich - relativ! - noch am ehesten Hoffnung in die USA setze, wenn es darum geht, sich dafür einzusetzen, Genozide, Massenmorde und Vertreibungen zu beenden. Entsprechend bin ich bei entsprechender Passivität der USA, wie im Falle Syrien, auch am meisten enttäuscht. Von Figuren wie Steinmeier kann ich gar nicht mehr enttäuscht sein, weil ich diesbezüglich schon lange keine Erwartung mehr habe...Aber Sie haben dennoch Recht, insofern zumindest auf den Rahmen meiner US-Kritik zu insistieren.
Henning Lilge
Liebe TAZ,
die Meldung von DPA bedarf wohl eines Kommentars. Erhielten die USA für diesen "Bodeneinsatz" die Zustimmung aus Damaskus oder machen sie dies auf "eigene Faust"? Es gibt kein UN Mandat als fremde Nation mit Bodentruppen im Syrienkrieg teilzunehmen. Da hilft auch das schöne Wort vom "Ausbilder" nicht. Das wurde ja schon mal versucht und hat nicht geklappt. Warum also wieder "ausbilden", Man darf also davon ausgehen, dass weniger ausgebildet als eingegriffen wird. Und was als "klein" angegeben wird, wird dann ausgeweitet, wenn man es mit Selbstschutz begründen kann. Man will offensichtlich ein Einflussgebiet im Norden Syriens schaffen, Da der Türkei der Vormarsch der YPG gegen den IS nicht passt, tut offensichtlich jetzt die USA der Türkei den Gefallen, ein Gebiet zu schaffen , in dem die von der Türkei unterstützten Oppositionsgruppen ausgebildet und frei agieren können. Die USA spielt hier mit dem Feuer, besonders da Russland in diesem Bereich militärisch aktiv ist. Wenn der erste amerikanische "Ausbilder" durch ein russisches Bombardement stirbt, wird die Ant-IS- Koalition ihren ersten Knacks bekommen. Man kann nur hoffen, dass es wirkliche Absprachen gibt.
Eike
Die US-Truppen werden auf dem Gebiet der kurdischen YPG stationiert. Die arabische FSA ist zu schwach um die Sicherheit der US-Truppen zu garantieren. Die Waffenlieferungen letzte Woche gingen ja auch (höchstwahrscheinlich) an die YPG, obschon die USA das dementiert. Das behauptet die Journalistin Jenan Moussa, die schon oft richtig gelegen hat.
Die USA wollen Einfluss, mit wem sie genau zusammenarbeiten ist ihnen relativ egal. Sie haben auch die linksradikale MEK gegen den Iran unterstützt. Außerdem ist die YPG gar nicht mehr ernsthaft kommunistisch.
In US-Medien wird schon seit Jahren beklagt, dass sich die Türkei wie ein blockfreies Land verhielten, und nicht wie ein NATO-Mitglied. Mit der Unterstützung der YPG wollen die USA der Türkei wahrscheinlich zeigen, dass sie die Macht im nahen Osten haben.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
Sie unterstellen in Ihren Ausführungen zu angeblich erforderlichen "Zustimmungen aus Damaskus", dass es noch eine legitime syrische Regierung gibt.
Das ist aber nicht der Fall. (Das verbrecherische Assad-Regime ist lediglich eine der beteiligten Kriegsparteien, allerdings insofern herauszuheben, als es hauptverantwortlich für den Horror in Syrien ist. Aus genau dem Grund kann im Rahmen einer internationalen Friedenslösung in Syrien Assad keine offizielle Rolle haben. Und aus genau dem Grund sitzt er jetzt auch nicht in Wien.)
Henning Lilge
@6120 (Profil gelöscht) Die Frage der Legitimität ist sicher nicht einfach zu lösen. Ist Ihrer Meinung denn dann auch eine nicht gewählt Militärregierung wie zur Zeit in Thailand illegitim und würde es einem anderen Land gestatten nationale Soldaten ohne UNO Mandat in dieses Land zu schicken? Wir würden damit die internationalen Regeln zu Gunsten einer nationalen Interessensanarchie aushebeln. Damit werden die internationalen Beziehungen komplett unkalkulierbar und die von der UN aufgestellten Regeln der nationalen Souveränität würden nicht mehr gelten. Das sind scherwiegende Brüche, die leider schon im Irakkrieg begonnen wurden. Eine Fortsetzung macht es nicht besser. Man könnte mit ähnlichen Argumenten in Golfstaaten einmarschieren, die sogar am Verhandlungstisch sitzen und denen wir schwere Waffen geliefert haben. Damit führt sich dieses Argument ad absurdum.
warum_denkt_keiner_nach?
"Sie unterstellen in Ihren Ausführungen zu angeblich erforderlichen "Zustimmungen aus Damaskus", dass es noch eine legitime syrische Regierung gibt."
Auch wenn es Ihnen nicht passt. Die Regierung, die Syrien bei der UNO vertritt, ist die legitime, völkerrechtlich anerkannte Regierung des Landes. Und diese Regierung sitzt in Damaskus. Und wer ohne die Zustimmung dieser Regierung Truppen nach Syrien schickt, handelt illegal.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
@warum_denkt_keiner_nach? Das Assad-Regime ist vom Westen schon seit langem nicht mehr "völkerrechtlich anerkannt". Ihre Definition von Völkerrecht ist ohne jegliche realpolitische Relevanz (abgesehen davon, dass auch formal-juristisch und moralisch die hohle UNO-Repräsentanz des Vertreters eines Massenmörder-Regimes keineswegs mit "Völkerrechts-Legitimität" gleichzusetzen ist). Glauben Sie wirklich, die UNO hat hier irgendetwas zu sagen?? Es sind die Mächte in Wien, die das Schicksal Syriens entscheiden. So sieht's aus. Fuck the UN! - With best regards from Mrs Nuland...;-)...
warum_denkt_keiner_nach?
"Das Assad-Regime ist vom Westen schon seit langem nicht mehr "völkerrechtlich anerkannt"."
Da liegt genau Ihr Problem. Der "Westen" repräsentiert nur einen kleinen Teil der Menschheit und hat nicht zu bestimmen, wer wo regieren darf.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
You just don't get the point - it's all about the Assad-Regime. Das Völkerrecht ist nicht dazu da, einem Massenmörder-Regime wie dem von Assad eine Legitimationsbasis zu geben. Die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht (in Deutschland leben bald mehr Syrer als in Syrien...!), weit über 250'000 Tote, zahllose zerstörte Städte und Dörfer - und Sie reden nach wie vor mit geradezu Buddha-mäßigen Gleichmut von einer "legitimen syrischen Regierung Assad".
Waren für Sie die Hutu in Ruanda 1994 etwa auch eine völkerrechtlich "legitime Regierung"? Ein völkerrechtlich legitimer Massenmord an 800'000 Menschen?? Come on - this is a joke.
Ich empfehle Ihnen dringend, sich mit dem Diskurs über die "Responsibility to Protect" auseinanderzusetzen, der diese völkerrechtlichen Perversionen thematisiert.
Waage69
Leider kann man sich die Regierung eines Nationalstaates nicht aussuchen mit dem man verhandeln muss.
Solange Assad die Rückendeckung Moskaus hat da dieser im Moment der einzige Garant für russischen Flotteninteressen im Mittelmeerraum ist kann er nicht komplett ignoriert werden auch in Bezug auf einen möglichst anarchiefreien Übergang zu einer neuen, hoffentlich legitimeren Regierung.
Im Zentrum steht aber dennoch nicht was die derzeitige Regierung eines de Fakto Rumpf Syriens will oder nicht will.
Es steht und fällt alles mit Moskaus Haltung und daher ist es entscheidend mit Russland in konstruktive Gespräche zu kommen.
Die Syrienkonferenz in Wien ist ein erster hoffnungsvoller Schritt - wenn alle Beteiligten es ernst meinen.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
Sie haben Recht - man kann sich seine Verhandlungspartner nicht immer aussuchen.
Und Sie selbst geben doch unumwunden zu, dass nicht Assad, sondern Russland die Partei ist, mit der es zu verhandeln gilt. Mit Assad wird allenfalls abgestimmt, unter welchen Bedingungen er das Land verlassen kann (Ziel entweder Exil in Russland oder...Den Haag...)
Henning Lilge
Wenn diese Logik "responsibility to protect" so einfach wäre: warum marschieren dann die USA nicht in Saudi Arabien ein, um politische Gefangene wie den inhaftierten und zu 1000 Peitschenhieben verurteilten Blogger zu befreien. Hätte in den 50 Jahren, wo die Mitglieder der kommunistischen Partei in Westtdeutschland in die Gefängnisse wanderten, die Sowjetunion Soldaten zur Befreiung schicken können unter der "responsibility to protect" Devise? Ich finde nichts Bewundenerungswürdiges, dass Grossmächte das Schicksal der Weltbevölkerung bestimmen. Die UN wurde gegründet, um dem demokratischen Denken ein Sprachrohr, nationalen Interessen eine Plattform zum Interessenausgleich zwischen den Nationen und dem kolonialen Handeln ein Ende zu bereiten. Dass heute die ehemaligen alten und neuen Kolonialmächte immer noch den Ton in der UN angeben ist sicher reformbedürftig. Dies einer "fuck the UN" Mentalität zu opfern und nur noch Rambospiele als Realpolitik zu vertreten bedeutet die Menschheit den niedersten Trieben ihrer Spezies auszuliefern. Was machen heute die "Freunde Libyns" mit ihren vorherigen Alliierten beim Sturz Gaddafis, die das Land zur Zeit in Schutt und Asche legen? Das haben die Europäer nun wirklich komplett mit zu verantworten. Leider wird darüber nur auf Al Jazeera berichtet. Warum haben wir Gruppen unterstützt, die offensichtlich in keiner Weise arabische "Frühlingsgefühle" auslösen. Sogar Al-Quaida hat sich in Sirte festgesetzt. Dies alles war geschehen, um die libysche Bevölkerung " zu beschützen". Menschen riskieren den Tod auf hoher See , um aus diesem Land jetzt wegzukommen. Von einer erfolgreichen Umsetzung kann nicht gesprochen werden. Trotzdem importieren wir Öl aus Libyen von allen Kriegsparteien und finanzieren damit den Bürgerkrieg indirekt. Das ist pervers.
Mit freundlichen Grüssen
Henning Lilge
6120 (Profil gelöscht)
Gast
Sie haben in vielen Ihrer Äußerungen Recht, auch wenn ich zu den jeweiligen Fällen, die Sie hier erwähnen, sicher Einiges hinsichtlich der "Verhältnismäßigkeit der Mittel", oder übertriebener bzw. latent monokausaler Äußerungen zu "Kolonialmachtgebaren" usw. bzw. teilweise auch auf der Ebene des rein Faktischen einzuwenden hätte, aber das sprengte hier den Rahmen. Die UN-Regeln SIND sicher ein Fortschritt für die Menschheit. Und unbestritten ist sicher auch, DASS sich u.a. die Weltmächte ganz offensichtlich in etlichen Situationen nicht konsistent UN-konform verhalten.
Das ändert aber alles nichts an der Tatsache, DASS das Prinzip der "Responsibility to Protect" zur Verteidigung der Menschenrechte in etlichen Fällen ganz offensichtlich ein Segen ist (es ist nicht zufällig Mitte der 90er Jahre entstanden) bzw. wäre.
Der Einwand, dieses Prinzip könne "missbraucht" werden, ist völlig haltlos. Putin zeigt uns täglich, wie heutzutage Großmächte ihre nicht UN-konformen Interessen argumentativ verteidigen: Die russische Propaganda lügt schlicht tolldreist und bestreitet einfach das Faktische (z.B. der russischen Aggression in der Ukraine). Pseudo-Argumentationen gibt es wie Sand am Meer - dass auch das Prinzip der R2P dazu ein weiteres Sandkorn beitragen kann, verschlimmert diesen Umstand sicher nicht...
Letztlich gilt es, den KONKRETEN Einzelfall zu beurteilen. In diesem Fall den ganz offensichtlich gescheiterten Staat Syrien. Verantwortlich zerstört und in eine Hölle verwandelt durch das verbrecherische Assad-Regime.
Henning Lilge
Wem wollen Sie die Beurteilung im konkreten Einzelfall denn überlassen , wenn nicht der UN? Im Irak und Syrien hat die Koalition der Willigen 2 Diktatoren gestürzt - auch um sich die eigenen Zugänge zu den Ölquellen zu sichern. Wer nicht teilnahm, kam in die zweite Reihe der Verhandlungspartner um Ölkonzessionen der unterstützen neuen Regierung. Ist Ihnen das bekannt? Ist das R2P? Das jetzt schon jahrelange herrschende Chaos zeigt doch, dass gar nicht mit den Menschen aus der Region die Veränderungen gemacht wurden. Während man mit den "ölkooperierenden Königshäusern" in der Golfregion eine unendliche Geduld auf deren Weg zur Demokratie hat - sind diese wirklich dahin unterwegs? - gab es bezüglich Irak , Libyen und Syrien nur die militärische Option. Kommt Ihnen das nicht auch seltsam vor? Warum war ein politischer Wandel in Osteuropa ohne Krieg möglich?
Bezüglich Ukraine: In den Einigungsgesprächen über die deutsche Einigung war Gortbatchov für seine Zusage zur Vereinigung versprochen worden, dass es nie Natotruppen an der Grenze zu Russland geben würde. Im Assozierungsabkommen der EU, an dem sich der Bürgerkrieg der Ostukraine entzündet hat , steht eindeutig eine militärische Zusammenarbeit drinnen. Es war die der EU bekannte rote Linie , die sie wissentlich überschritten hat, als sie den Präsidenten der Ukraine unter Druck setzte, dieses Abkommen zu unterzeichnen. Was die Vorfälle auf dem Maidan anbetrifft ist zu konstatieren, dass es über die Schützen keine Untersuchunge gibt und dass es sowohl Opfer unter den Protestierenden als auch Sichheitskräften gab durch Scharfschützen von den Dächern. Wer diese bestellt hat, blieb bisher im Dunkeln. Aufhellung und Verurteilungen täten gut.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
Nachtrag Saudi-Arabien: Verstehen Sie mich nicht falsch - ich teile Ihre Kritik am Westen hinsichtlich der Nachgiebigkeit zu Saudi-Arabien usw. Und auch die perverse westliche Begrüßung (und damit dem Verrat am ägyptischen arabischen Frühling) der ägyptischen Konterrevolution durch das lokale Militär empfinde ich als moralisch düster.
Ich teile in erster Linie nicht Ihre Ausführungen zu Irak, Libyen, Syrien oder auch Ukraine (und zwar hier primär insoweit Ihre diesbezüglichen Ausführungen, jenseits der schiefen Würdigung historischer Zusammenhänge, im Kern als Rechtfertigung der realen russischen Aggression in der Ukraine zu interpretieren sein sollen).
Henning Lilge
@6120 (Profil gelöscht) Ich stimme Ihnen zu, dass eine möglichst breite Informationspolitik ein gutes Mittel ist eine mögliche begrenzte Sicht zu erweitern. Dabei würde ich aber empfehlen, es nicht auf die "freie" Presse zu beschränken, die im Westen wie im Osten meist einem Privatkonsortium gehört und damit so frei ist, wie sein Besitzer es zulässt. Al Jazeera gehört dem Emir von Quatar, trotzdem ist es "Kritisch" lesenswert. Man kann Xinhua auf English, the Washington Post, The New York Times etc. lesen und interpretieren, wenn man weiss, welche politischen Kräfte hinter den jeweiligen Medien stehen. Aus der Zussammenschau kann man sich ein Bild machen - dass inkomplett bleibt. Leider werden auch einige Meldungen ganz verschwiegen. Am schlimmsten sind Nachrichten von Agenturen (dpa, afp etc.) Diese werden einfach ungefragt nachgedruckt als ob damit deren Wahrheit schon gegeben wäre. Und sie stehen dann in allen Zeitungen und suggerieren uns: Menge = Wahrheit. Ich bezweifle trotz aller guten Absicht zur Information, ob dies uns berechtigt von aussen einen Krieg als notwendig zu erklären und dann eine Kriegspartei - oder auch gegebenenfalls beide - mit Waffen zu versorgen. Ich bin froh, dass die USA die Demonstranten vor der Wende in der DDR nicht mit Kalaschnikows ausgestattet hat. Es geht eben auch anders.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
Ich habe ein positiveres Bild über die freie Presse als Sie. Und ich erwähnte bereits die Informationen diverser Menschenrechtsorganisationen: Es ist bezeichnend, wie gerade Altlinke zum Teil wutschäumend auf diese Informationen eindreschen, wenn sie, seit Jahren, Kritisches, um nicht zu sagen Verheerendes, zum Assad-Regime veröffentlichen (needless to say that these organizations also condemn crimes committed by the US)... - Und im selben Atemzug alle möglichen Informationen aus den unendlichen Weiten des Internet lobpreisen...solange nur das eigene ideologische Weltbild unterstützt wird...Kurz und gut: Es hilft die Vielfalt der Informationen nichts, wenn der Rezipient selbst der übelste Informationsfilter ist.
In dem Zusammenhang: Ihre Analogie zur DDR 1989 ist falsch. Tatsächlich musste man damals darüber froh sein, dass das DDR - REGIME(!), anders als China 1989, NICHT auf die Demonstranten schoss. Von einer Bewaffnung von Demonstranten durch die USA hat damals nun wirklich niemand phantasiert.
Und so schließt sich der Kreis zum aktuellen syrischen Fall: Es ist das Assad-Regime, welches mit äußerster Brutalität 2011 den syrischen arabischen Frühling zusammengeschossen hat!
Dafür die USA verantwortlich zu machen, ist Geschichtsklitterung und m.E. primär Ausdruck von in Deutschland verbreiteten ideologischen Anti-US-Reflexen.
Und nochmals: Die Verantwortung dafür, dass ein Urteil für oder gegen eine R2P im konkreten Fall richtig ist oder nicht...bleibt mangels existierender bzw. versagender Institutionen in bestimmten Fällen... bei IHNEN SELBST...!
Für mich ist und bleiben Positionen von Menschenrechtsorganisationen jedenfalls ein guter Kompass für mein eigenes Urteil.
Henning Lilge
@6120 (Profil gelöscht) Wenn man kommentiert sollte man bei dem Gesagten, nicht dem Unterstellten bleiben. Ich habe niemals behauptet , dass die Amerikaner die DDR Bürger bewaffnen wollten. Ich habe nur Fragen zur Anregung gestellt um dem eingefahrenen Kriegsargumenten etwas Reales entgegenzuhalten. Und das muss möglich bleiben. Man kann z.B. ragen, ob die Wahl in der Krim völkerrechtswidrig war und dann damit auch die in Montenegro und Kosovo. Oder ob beides eben nicht völkerrechtswidrig war. Oder ob beides prinzipiell unterschiedlich ist. Aber man muss bei Fragen zu lassen und die Akzeptanz von Analogien verwerfen oder begründen können. Man sollte auch nicht die Informationstiefe seines Gegenübers unterschätzen. . Wenn politische Prozesse im Irak, Syrien und Libyen entgleist sind, muss man sich fragen, wo die Verantwortung dafür liegen. Simplifizierungen wie arabischer Frühling gehören ins Reich der Boulevardpresse. Auf allen Seiten werde meist Fehler gemacht. Beleidigende Wendungen in der Auseinandersetzung mögen ja unter einem Synonym bequem sein Gegebenenfalls wirkt es allerdings, als ob man von sich selbst spricht (übelster Informationsfilter). Das entgleiten ins Emotionale statt argumentativ zu klären scheint offensichtlich im Internet als Qualitätszeichen gewertet zu werden. Ich gewinne dem nicht viel ab. Mit freundlichen Grüssen Henning Lilge
6120 (Profil gelöscht)
Gast
Vorab, ich möchte an dieser Stelle nicht weiter auf Ihre zum großen Teil sehr unsachlichen Polemiken zu Irak, Syrien, Libyen und Ukraine eingehen.
Tatsache ist und bleibt, dass wir moralisch und legal in einer zum Teil eben grob unvollständigen Welt leben.
Es bleibt dabei, die Entwicklung internationaler Institutionen und Gerichte ist ein - wenn auch, wie gesagt, unvollkommener - Fortschritt für die Menschheit. Und diesen Weg gilt es fortzusetzen - darin sind wir uns vermutlich einig. Wenn also z.B. auch eine Weltmacht wie Russland das von ihr gekaperte Greenpeace-Schiff zähneknirschend aufgrund eines internationalen Gerichtsurteils wieder herausrücken "muss", ist das selbstverständlich zu begrüßen. An diesem Urteil ändert weder die UN-Ohnmacht an der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion derselben Weltmacht noch das totale Versagen der UNO zur Verteidigung der von ihr selbst so proklamierten UN-Schutzzone(!) in Srebrenica 1995 etwas (von Ruanda 1994 ganz zu schweigen).
Man kann aber schlicht nicht die Augen davor verschließen (siehe genannte Beispiele, Syrien ist hier aktuell zu ergänzen), dass die UNO bei etlichen Konflikten aufgrund ihres Zustands objektiv-faktisch keine Rolle spielt. Und dann ist es zwecklos, diese Institution für etwas verantwortlich zu machen, für das sie, for the time being, nicht befähigt ist.
Um Ihre Frage zu beantworten: Es gibt bei manchen aktuellen Konflikten, wie eben Syrien, schlicht keine offizielle Institution auf dieser Welt, deren moralisches Urteil a priori zu respektieren wäre.
Sie sind also, lieber Forist, in solchen Momenten auf Ihr eigenes Urteilsvermögen zurückgeworfen (idealerweise unter Berücksichtigung von Informationen der freien Presse, Menschenrechtsorganisationen usw. - das sind zumindest meine "Hilfskrücken", um ein Urteil zu gewinnen in solchen Situationen...), wenn es um die moralische Beurteilung solcher (extremen) Situationen geht.
So viel Realismus muss sein.
warum_denkt_keiner_nach?
Auch Ihre fremdsprachigen Einlassungen ändern nichts daran, dass der "Westen" nicht festlegt, welche Regierungen legitim sind.
Legem non habet dominum.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
So bevorzugen also das Lateinische, all right, here we go:
VAE VICTIS!
Kurz und Gut: Wer sitzt denn nun in Wien?
Assad sicher nicht.
Und wer vertritt die Menschenrechte in Syrien?
Die UNO sicher nicht. (Brahimi...Who?...)
warum_denkt_keiner_nach?
Wehe dem Besiegten? Wen hat denn der "Westen" bestiegt?
Das Treffen in Wien wurde nötig, weil Russland eine neue Situation erzwungen hat. Aus Höflichkeit wurden sogar ein paar Vertreter des "Westens" mit eingeladen.
Und die Menschenrechte in Syrien vertritt z.Z. niemand.
6120 (Profil gelöscht)
Gast
@warum_denkt_keiner_nach? Von den Initianten des arabischen Frühlings abgesehen werden Menschenrechte in Syrien, aller von mir hinlänglich kritisierter Halbherzigkeit und strategischer Niveaulosigkeit zum Trotz, am Ehesten noch von den USA vertreten. Das sagt Einiges über das syrische Trauerspiel aus.
warum_denkt_keiner_nach?
"...Menschenrechte in Syrien ... am Ehesten noch von den USA vertreten."
Etwas schwarzer Humor am Sonntag Abend muss natürlich auch sein.
70023 (Profil gelöscht)
Gast
@warum_denkt_keiner_nach? Wo denken Sie denn hin. USA und Europäer handeln sich seit Jahren illigal. Siehe Irak, Afghanistan, Somalia, Mali, zuletzt Georgien und ganz frisch Ukraine als wären sie in den wilden Westen, wo nur Gewalt herscht. Warum soll auf ein mal in Syrien anderes sein soll. Weil es den Westen nicht passt. Wer bestimmt denn, ob ein Diktatur wie Assad legitim ist. Meine Meinung nach darf es nur das Volk. Was hat denn schon UNO zu sagen. Assag ist schonlange nicht legitim ist, weil verlogener Westen und seine verlängerte Arm UNO so haben will. ihre Behauptung finde ich schon abenteuerlich.
warum_denkt_keiner_nach?
@70023 (Profil gelöscht) Jetzt kann ich nicht ganz folgen. Welche meiner Behauptungen ist abenteuerlich?