Svenja Bergt über die Dystopie der selbstfahrenden Autos: Das Problem ist der Alltag
Es ist der ultimative Grusel: Maschinen, Algorithmen, die darüber entscheiden, welcher Mensch getötet wird. Ein selbstfahrendes Auto, ein unvermeidbarer Unfall – Stoff für die nächste Dystopie. Die Ethikkommission zum autonomen Fahren, die nun ihren Bericht vorgestellt hat, macht allerdings das Richtige. Sie sagt: Eine Abwägung zum Wert von Menschen einzuprogrammieren, und etwa Kinder zulasten von Älteren verschonen, darf nicht erlaubt sein. Technisch wäre eine Zufallswahl umsetzbar, auch wenn das makaber klingt, aber: Die bundesweit mehr als 3.000 Verkehrstoten jährlich, Opfer durch Unaufmerksamkeit, Dummheit und Fahrlässigkeit, sind bestimmt nicht weniger makaber. Und mehr.
Das Problem beim automatisierten und später dem autonomen Fahren ist weniger der dystopische Einzelfall als der Alltag. Der Alltag, in dem die Fahrenden überwacht werden, von den Standorten über die gehörte Musik bis zur Zahl der belegten Sitze. In dem Autohersteller, Versicherungen, Strafverfolger und irgendwann auch die Werbeindustrie an diese Daten wollen. Und kommen. Die Ethikkommission fordert hier „Datenhoheit“ der Verkehrsteilnehmer. Alles, was sie preisgeben, muss freiwillig sein. Und nicht gezwungenermaßen oder pseudofreiwillig, so, wie das heutzutage im Internet die Regel ist.
Daher braucht es ganz schnell ein Gesetz, das den Nutzern solcher Fahrzeuge die Hoheit über ihre Daten gibt. Zurückgibt. Denn anders als selbstfahrende Autos ist die Datensammelei im Pkw heute schon Realität. Da wird gespeichert, was die Sensoren hergeben. Den Nutzern die Wahl zu lassen? Oder sie zumindest darüber zu informieren? Warum denn? Ist schließlich gar nicht so unwahrscheinlich, dass sie dann nein sagen.
Privatsphärefreundliche Einstellungen als Standard – das fordert die Kommission. Wenn es das in ein Gesetz schafft, wäre es ein echter Fortschritt. Übrigens auch für andere Branchen.
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