Regeln für den Algorithmus

AUTONOMES FAHREN Eine vom Verkehrsministerium eingesetzte Ethikkommission fordert: keine Aufrechnung von Menschenleben und einen deutlich besseren Datenschutz

Da fährt es selbst, das Auto – und was speichert es dabei? Foto: Daniel Naupold/dpa

Von Dario Dietsche

BERLIN taz | Autos treffen zunehmend autonome Entscheidungen. Sie parken beispielsweise bereits ohne Lenkung des Fahrers ein oder wechseln selbstständig die Fahrspur auf der Autobahn. Bei der Programmierung künftiger, noch ­selbstständigerer Fahrsysteme sollen Entwickler ethische Leitplanken befolgen. Der Grundsatz dabei: Fahrsysteme sind dann ethisch wünschenswert, wenn sie weniger Unfälle verursachen als menschliche Fahrer. Das ist das Ergebnis eines ­gestern vorgestellten Berichts der von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eingesetzten Ethik-Kommission.

„Wir sind das erste Land weltweit, das nebst gesetzlichen nun auch ethische Fragen diskutiert“, sagte Dobrindt. In fünf Jahren würden die heute auf der A 9 getesteten selbstfahrenden Autos auf dem Markt erhältlich sein, sagte der Verkehrsminister. Die Mitglieder der 14-köpfigen Ethikkommission haben die vollautomatisierten Fahrzeuge im Rahmen der Untersuchung auf der A 9 auch selbst getestet. Dabei handelt es sich um dauerhaft vom System gesteuerte Modelle, bei denen der Fahrer jedoch aufgefordert werden kann, die Führung zu übernehmen.

Der Fahrer beim tödlichen Unfall mit einem vom Computer gesteuerten Tesla-Elektroauto im vergangenen Jahr hat mehrere Warnhinweise der Software ignoriert, heißt in neu veröffentlichten Unterlagen der US-Untersuchungsbehörde NTSB. Demnach zeigten Daten des Autos, dass der Fahrer mehrfach aufgefordert worden sei, die Hände wieder auf das Lenkrad zu legen.

Der Mann kam ums Leben, als sein von Teslas Fahrassistenzsystem „Autopilot“ gesteuertes Auto unter einen querenden Lastwagenanhänger fuhr. Tesla zufolge hielt die Software die weiße Seitenwand des Anhängers für ein hoch hängendes Autobahnschild. Der Konzern betont im Anschluss, das Fahrassistenzsystem mache die Teslas nicht zu selbstfahrenden Autos. (dpa)

„Ich wollte die Steuerung gar nicht mehr zurückhaben“, sagte der Leiter der Kommission und frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio. Das Fahrsystem sei bei strömendem Regen um einiges besser gefahren als er. Trotz des großen Potenzials der Unfallvermeidung sagte Di Fabio: „Keine Technik wird uns jemals totale Sicherheit bringen.“ Es werde immer Situationen geben, in denen Schäden an Menschen unausweichlich seien.

In diesen Fällen geht laut dem Bericht zwar Sachschaden vor Personenschaden, bei den menschlichen Opfern darf jedoch keine Selektion gemacht werden. „Die Qualifizierung nach persönlichen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, körperliche oder geistige Konstitution ist strikt untersagt“, schreiben die Wissenschaftler und Experten der Ethikkommission. Anders verhält es sich bei der Anzahl der Personenschäden: Hier kann laut Bericht eine allgemeine Programmierung auf eine möglichst geringe Zahl von Personenschäden vertretbar sein.

Auch das Thema Datenschutz findet sich in dem Bericht. „Die Datenmengen werden mit automatisiertem und vernetztem Fahren explodieren“, sagte Di Fabio. Hinsichtlich dieser Entwicklung müssten Fahrzeughalter „grundsätzlich über Weitergabe und Verwendung ihrer anfallenden Fahrzeugdaten“ entscheiden dürfen, heißt es im Bericht – anders als das heute etwa bei der Nutzung sozialer Netzwerke die Regel sei.

„Ich wollte die ­Steuerung gar nicht mehr zurückhaben“

Udo Di Fabio, Ethikkommission

Bekannte Datensammler wie die US-Konzerne Google und Apple planen bereits den Einstieg in die pozentiell hoch lukrative Roboterautoindustrie. Studien von McKinsesy zufolge sollen mit dem autonomen Fahren bis im Jahr 2030 jährlich über 6 Billionen Dollar umgesetzt werden.

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