Susan Faludis Klassiker „Backlash“: Ins Gegenteil verkehrt
1991 veröffentlichte Susan Faludi das Buch „Backlash“, in dem sie antifeministische Strukturen in den USA analysiert. Es bleibt hochaktuell.

Antifeminismus ist keine Erfindung von heute. Sobald Frauen mehr Rechte einforderten, gab es Gegenbewegungen. Etwa während der französischen Revolution, der Suffragettenbewegung oder den 80ern des letzten Jahrhunderts.
Auch haben Frauen das System Antifeminismus schon früher analysiert. Eine von ihnen ist die Pulitzerpreisträgerin Susan Faludi. 1991 wurde ihr Buch „Backlash“, also Rückschlag, veröffentlicht. Darin untersucht sie die US-amerikanische Politik, Gesellschaft und Kultur im Hinblick darauf, wie feministische Erfolge ins Gegenteil verkehrt werden. Das Buch stand ein Jahr lang unangefochten auf den US-amerikanischen Bestsellerlisten.
Auf Deutsch trägt es den Titel: „Die Männer schlagen zurück“. Dieser impliziert, dass Frauen zuerst zugeschlagen hätten. Die Befreiung der Frau, so wird insinuiert, sei ein Akt der Aggression gegen Männer. Ein Backlash ist aber mehr als Vergeltung, er wirft die ganze Gesellschaft zurück.
Schon der deutsche Buchtitel ist ein Beispiel für die subtilen Strukturen und Taktiken des Antifeminismus, wie Faludi sie analysiert: Den Gleichheitsanspruch der Frauen ins Gegenteil verkehren, ihn nicht ernst nehmen, falsche Korrelationen herstellen, darin einen Angriff sehen, das sind, so Faludi, antifeministische Vorgehensweisen. Dabei ist die Aggression doch, dass Frauen über Jahrhunderte gleiche Rechte vorenthalten werden.
Keine Magie im Spiel

Warum beschäftigen wir uns in einem Dossier mit Antifeminismus? Schon in vielen Liedern wird besungen: „Know your enemy“. Oft ist Antifeminismus subtil. Wie wir ihn entlarven können, wird klar, wenn wir uns mit ihm auseinandersetzen: Welche Formen nimmt er an? Wer sind die Akteur*innen? Und wie können wir ihm begegnen? Alle Dossiertexte gibt es im Online-Schwerpunkt zum feministischen Kampftag.
Die Unterzeile des Buches ist nicht besser. Im Original heißt es: „The undeclared war against American women“. Und in der umgedeuteten Übersetzung: „Wie die Siege des Feminismus sich in Niederlagen verwandeln und was Frauen dagegen tun können.“
Sieg, Niederlage – klar, vor 40 Jahren wurde die feministische Bewegung als Geschlechterkampf verstanden. Aber feministische Errungenschaften „verwandeln“ sich nicht in Niederlagen, es ist keine Magie im Spiel. Vielmehr wird feministisches Denken durch die Kultur des Patriarchats, die sich bis heute durch die Gesellschaft zieht, zunichte gemacht – so Faludis Analyse.
Neutralen Anstrich geben
Tricks, mit denen Feminismus diffamiert wird, bestehen, meint Faludi, auch darin, patriarchal gefärbten Erhebungen einen neutralen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Oder darin, Feminismus umzukehren, indem gesagt werde, Frauen seien doch emanzipiert und hätten alle Möglichkeiten, da bedürfe es keiner weiteren politischen Intervention für Gleichheit.
Rollenbilder seien eigentlich fluide; konservative und neurechte Politik, und nicht nur sie, orientierten sich jedoch an alten Zuschreibungen, die sie als State of the Art begreifen würden. Und die Medien und die Kultur machten sich dabei zu Steigbügelhaltern. Der Backlash sei keine konspirative Verschwörung, die von oben gesteuert werde, schreibt Faludi. Auch seien sich jene, die antifeministische Theorien verbreiten, dessen nicht immer bewusst. Meistens gehe das diffus und chamäleonhaft vonstatten, die antifeministischen Codes seien im Denken internalisiert.
Weiterhin Gültigkeit
Heute ist Faludis Buch schwer zu lesen, da es sich in Detailfülle auf den US-amerikanischen Mainstream vor allem der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts bezieht, der mittlerweile eher wenig zugänglich ist. Ihre Analyse der subtilen Umkehr feministischer Errungenschaften aber hat weiter Gültigkeit. Nur deshalb werden Meinungen wie die, dass die Emanzipationsbewegung Mädchen heute aggressiver mache, oder dass die vielen Lehrerinnen schuld am schlechteren Abschneiden von Jungs in der Schule seien, wie Tatsachen gehandelt. Ein Artikel, der am 7. Februar 2023 in der Neuen Züricher Zeitung stand, zeigt die von Faludi untersuchten subtilen Umkehrungsmechanismen en detail: „Je freier Frauen bei der Partnerwahl werden, desto mehr Männer bleiben allein. Ist daran unsere Biologie schuld?“ lautet die Überschrift.
Im Klartext: Frauenbefreiung macht mehr Männer zu Singles. Das Wort „Schuld“ wird benutzt. Im Text geht die negative Wertung der Frauenemanzipation noch weiter, denn in biologistischer Camouflage, die evolutionäre Zusammenhänge aus dem Tierreich auf die Gegenwart überträgt, werden vermeintlich wissenschaftliche Begründungen für das Dilemma der Männer geliefert. Die blieben bei der Partnerwahl vermehrt auf der Strecke, wenn Frauen selbstbewusster und ökonomisch unabhängiger werden. Sexuell unerfüllte Männer aber seien potenzielle Gefährder. Fazit: Frauenemanzipation ist schlecht für Männer und Gesellschaft.
Der Artikel, der 32 Jahre nach dem Erscheinen von „Backlash“ veröffentlicht wurde, bedient, was Faludi anprangert. Sie hat das Handwerkszeug gezeigt, mit dem solche Texte decodiert werden können. Wir sollten es nutzen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Wahlkampf in Deutschland
Rotzlöffeldichte auf Rekordniveau
Regierungsbildung nach Österreich-Wahl
ÖVP, SPÖ und Neos wollen es jetzt miteinander versuchen
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA entwerfen UN-Resolution zum Krieg in der Ukraine ohne jede Kritik an Russland