Superreiche in Griechenland: Ein gemachtes Nest für Oligarchen
Schiffsunternehmer in Griechenland machen lukrative Geschäfte mit dem Staat. Ein aktuelles Luxus-Bauprojekt in Athen belegt ihren Einfluss.
Kirchliche Würdenträger gaben zum Auftakt ihren Segen, bevor endlich der ganz große Moment kam. Brav hörten die versammelten Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur ihrem Gastgeber Spiros Latsis zu, dem Mann des Tages, als er live von Genf zugeschaltet wurde.
Latsis' Baufirma Lamda errichtet auf dem alten Flughafengelände in Athen 9.000 Nobel-Wohnungen, laut Berichten mit Kaufpreisen von bis zu 30.000 Euro pro Quadratmeter. Nach zehn Jahren rigoroser Sparpakte können die meisten Griechen von so etwas nur träumen. Doch im Aushängeschild des Projekts, dem 200 Meter hohen „Riviera Tower“, zukünftig das höchste Gebäude Griechenlands, sind schon fast alle Apartments verkauft. Dabei stehen noch nicht einmal die Fundamente.
Gebaut werden zudem drei Luxushotels, Büros, Einkaufszentren, ein Jachthafen für 400 Boote, Strandbäder und ein Spielkasino. Insgesamt ist es ein in Europa einmaliges Bauprojekt, direkt am malerischen Saronischen Golf auf einer Fläche, die dreimal so groß ist wie das Fürstentum Monaco, nur acht Kilometer von der Akropolis entfernt.
Vor Steuern geschützt
Latsis kostet die Pacht des Staatsgeländes „Hellenikon“ für die kommenden 99 Jahre 915 Millionen Euro – ein Spottpreis. Durchaus verständlich, dass der Milliardär Latsis bei seiner Rede sichtlich gerührt war.
Er dankte gleich den drei griechischen Regierungen seit 2012, weil sie „das Projekt ‚Hellenikon‘ geeint“ haben: Zuerst der Regierung Samaras, die von Mitte 2012 bis Ende 2014 in einer Dreier-Koalition aus konservativer Nea Dimokratia (ND), den Pasok-Sozialisten und anfänglich der Demokratischen Linken („Dimar“), dann der Regierung unter Alexis Tsipras, vom „Bündnis der Radikalen Linken“ („Syriza“), die ab Anfang 2015 im Amt war sowie schließlich jener des seit Juli 2019 regierenden ND-Chefs Kyriakos Mitsotakis.
Deutlicher hätte man es nicht sehen können, von ND über die Pasok-Sozialisten bis zu Syriza: Keiner hat es bisher in Griechenland gewagt, die exorbitante Macht und die Privilegien der Superreichen auch nur ansatzweise zu beschneiden. Traditionell die wohl größten Nutznießer sind die hellenischen Schiffsunternehmer. Seit 1953 genießt ihr Metier mehrere Dutzend Steuerbefreiungen, die durch den Artikel 107 der griechischen Verfassung fest verankert sind. Keine Regierung, keine Verfassungsreform, kein Sparpaket hat daran gerüttelt.
So häufen sie Jahr für Jahr Milliarden an. Nicht nur die Flotten griechischer Reeder werden immer größer. Die Reederfamilien Alafouzos, Vardinogiannis, Kyriakou und Marinakis kontrollieren fünf von sechs privaten, landesweit ausstrahlenden Fernsehsendern in Griechenland. Dafür prahlen die „Taxifahrer der Meere“, wie sie sich selbst gerne nennen, medienwirksam damit, dass sie seit 2013 einen fixen Betrag zur „Stärkung“ des Staatshaushalts leisten: Bisher jährlich 40 Millionen, fortan sollen es für alle Reeder zusammen nur 60 Millionen Euro sein.
Die Nähe von Premier Kyriakos Mitsotakis zur Oligarchie in Griechenland ist nahezu greifbar: ob durch die Vergabe von Großaufträgen, aufgeschobene Zahlungsverpflichtungen oder großzügig erlassene Schulden. Kleine Unternehmen profitieren nicht von solchen Großzügigkeiten.
Kritik an Oligarchen
Auch familiäre Verflechtungen zwischen der konservativen Regierungspartei und Großfirmen zeigen: Der Schwiegervater von Georgios Gerapetritis, Staatsminister im Kabinett Mitsotakis, ist die Nummer zwei im Baukonzern GEK TERNA. Und siehe da: Ob Autobahnen, Windparks oder in der Müllverwertung: die GEK Terna erhält einen Auftrag nach dem nächsten.
Wenn Politiker hingegen aufmüpfig werden, lernen sie die Oligarchen ganz anders kennen. Das passierte jüngst Kleon Grigoriadis, seit 2019 Abgeordneter der kleinen oppositionellen Linkspartei „Mera25“ von Ex-Finanzminister Janis Varoufakis.
Bei einer Parlamentsrede griff er namentlich den Reeder Jannis Alafouzos an, dem auch der private Fernsehsender „Skai“ gehört. Während Alafouzos' Sender „Skai“ von früh bis spät den mörderischen Angriffskrieg von Russland in der Ukraine aufs Schärfste verurteile, verdiene sich Alafouzos selbst mit seinen Tankern und dem Transport von russischem Öl nachweislich dumm und dämlich, platzte Grigoriadis der Kragen. Alafouzos reagierte: Er erhob Klage gegen den Parlamentarier.
Doch Grigoriadis forderte vehement die Aufhebung seiner eigenen Immunität, um sich vor Gericht gegen den Tankerkönig zu verteidigen. Auf der Straße, im Parlament und vor Gericht wolle er gegen Oligarchie kämpfen. Nur: Eine Schwalbe macht keinen Sommer. In Griechenland schon gar nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen