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Südafrikas Umweltminister über G20„Ohne die USA fehlt auch eine große Handbremse“

Die G20 funktionieren auch ohne Trump, findet Südafrikas Umweltminister Dion George. Das Land hat die gerechte Energiewende erfunden – und nun?

Grüne Zukunft mit Wasserstoff: Solarpanele in Südafrika Foto: Esa Alexander/reuters
Jonas Waack
Interview von Jonas Waack

taz: Herr George, Südafrika hat in diesem Jahr die G20-Präsidentschaft inne. Der US-Finanzminister hat bereits ein Treffen ausgelassen, ebenso der Außenminister. Kann die G20 ohne die USA funktionieren?

Dion George: Es gab Gespräche mit den USA, und sie haben über ihre Prioritäten gesprochen. Sie nehmen also teil, wenn auch ohne Minister. Es bleibt abzuwarten, welche Positionen sie einnehmen werden. Die G20 ist eine starke Institution. Selbst für eine große Nation wie die USA ist es sehr schwer, ihren Kurs zu ändern.

taz: Wer tritt in die Lücke, die die USA hinterlassen?

George: Die Europäische Union hat sich etwas stärker engagiert, besonders gegenüber Südafrika, und China ebenfalls. Als die USA die Mittel für das Fusion Centre, das Daten zur Bekämpfung des illegalen Wildtierhandels sammelt, zurückgezogen haben, hat China seine Unterstützung angeboten.

Im Interview: Dion George

Dion George ist Umweltminister in Südafrika und Mitglied der liberalen Democratic Alliance. Er ist studierter Finanzwissenschaftler.

taz: Sie leiten die Arbeitsgruppe für Klima und Nachhaltigkeit der G20. Wie hat sich die US-Regierung bei den letzten Treffen verhalten?

George: Sie haben bisher nicht teilgenommen. Wir wissen, dass sie sich nicht auf das Klima konzentrieren werden.

taz: Erleichtert es die Abwesenheit der USA bei den Klimaverhandlungen den verbliebenen 19 Teilnehmern nicht sogar, einen Konsens zu finden?

George: Genau darum geht es: Wer nicht am Verhandlungstisch sitzt, kann nichts beeinflussen oder sagen. Ohne die USA verändert sich das Bild. Und es könnte den Wandel durchaus beschleunigen, weil es diese ziemlich große und einflussreiche Handbremse nicht mehr gibt.

taz: Südafrika ist immer noch sehr von Kohle abhängig, und das Energiesystem funktioniert nicht, Stromausfälle kommen häufig vor. Zu Ihren Aufgaben als Umweltminister gehört es, die Energiewende mitzugestalten. Ist das eine Chance, das Energiesystem zu verbessern und gleichzeitig zu dekarbonisieren?

George: Ja, aber das ist sehr schwierig. Unser Staatsunternehmen Eskom, das die Kohlekraftwerke betreibt, ist nicht funktionstüchtig. Es hat sich enorm viel Geld geliehen. Und das muss natürlich zurückgezahlt werden. Aber Eskom hat diese Anleihen zu einem besonders guten Preis angeboten, die Investoren haben sie gerne gekauft. Eskom und diese Investoren wollen also das Strommonopol behalten, das der Konzern noch immer weitgehend hat. So können sie die Preise so hoch wie möglich halten und Einnahmen erzielen, um die Schulden zu tilgen.

taz: Beeinflusst das die Energiewende?

George: Ja. Es gibt mehr als genug Interesse und Investitionen in grüne Energie und unabhängige Stromerzeugung. Aber sie kommen nicht in den Markt, weil Eskom auch die Regulierungsbehörde ist. Auch beim Bau neuer Übertragungsleitungen gab es praktisch keine Fortschritte, da Eskom kein Interesse daran hat, neue Stromerzeuger an das Netz anzuschließen. Viel zu lange wurde Eskom nicht ausreichend zur Rechenschaft gezogen. Das ist schwierig, weil sie alles kontrollieren. Wenn sie der Meinung sind, dass wir zu streng vorgehen, können sie Stromausfälle anordnen. Das ist die Komplexität, mit der wir umgehen müssen.

taz: Ein Teil dieser Komplexität liegt darin, dass die Gewerkschaften in Südafrika fossilen Brennstoffen gegenüber sehr positiv eingestellt sind.

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George: Die Gewerkschaften wollen grüne Energie. Sie wollen, dass Menschen im grünen Sektor arbeiten, und sie wollen gesunde Menschen. Aber die Schwierigkeit besteht darin: Wie bewältigt man diesen Übergang? Denn in der Kohleindustrie arbeiten viele Menschen, die nicht qualifiziert genug sind, um in andere Sektoren zu wechseln. Wir haben in Südafrika massive Arbeitslosigkeit. Die Gewerkschaften werden nichts unternehmen, das Menschen arbeitslos macht.

taz: Gleichzeitig gelten Gewerkschaften für eine gerechte Energiewende als unverzichtbar, um gute Arbeitsbedingungen und Löhne zu gewährleisten. Ist es möglich, diese Kluft zu schließen?

George: Der Wert der Gewerkschaften liegt darin, dass sie nach Wegen suchen, die Arbeiter mitzunehmen. Uns ist vollkommen klar, dass wir nicht Europa sind. Die Situation ist völlig anders. In Südafrika gibt es kein soziales Netz. Wenn man seinen Job verliert, kann der Staat nicht helfen. Deshalb war Südafrika von Anfang an einer der Hauptarchitekten der Just Energy Transition, der gerechten Energiewende.

taz: Die Just Energy Transition Partnerships (JET-P) in Südafrika sowie ähnliche Programme in Indonesien und Vietnam wollen öffentliche Mittel nutzen, um private Finanzmittel zu mobilisieren und dabei sozial gerechte Wege zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung zu fördern. 2022 haben die USA, Deutschland und Japan ein großes Bohei um JET-P gemacht. Bisher wurde jedoch deutlich weniger Geld mobilisiert als erwartet. Trotzdem gilt die Mobilisierung privater Finanzmittel immer noch als Schlüssel zur Finanzierung der Energiewende. Hat Ihre Erfahrung damit gezeigt, dass es nicht funktioniert?

George: Nein, ich finde, man kann sich auf die privaten Finanziers verlassen. Denken Sie daran: Der Privatsektor investiert nur, wenn er damit Geld verdient. Aus anderen Gründen investiert er nicht. Das Problem ist, dass Geld für Südafrika zu teuer ist. Kredite kosten für uns mehr Geld, weil die Investition als riskanter angesehen wird. Wir zahlen deutlich mehr als europäische Länder und Unternehmen. Warum? In Europa herrscht Krieg, und trotzdem bekommen sie billigere Kredite. Aber damit müssen wir leben. Es ist sogar die Aufgabe der Regierung, daran zu arbeiten.

taz: Aber Ihre Regierung hat finanzielle Probleme.

George: Schon, aber sie kann angemessen regulieren und es denjenigen, die investieren wollen, leichter machen. Deshalb sind wir sehr engagiert bei der Diskussion über Kapitalkosten und eine globale Finanzarchitektur. Es geht nicht nur um Südafrika, sondern um den gesamten Globalen Süden. Mitte März war das erste der G20-Treffen, dort haben wir uns damit befasst. Überall auf der Welt wollen Menschen investieren, aber sie schaffen es nicht wegen der Vorschriften. Sie können die Kraftwerke nicht bauen. Das Stromnetz fehlt. Wenn das alles klappt, kommen auch die Investitionen.

taz: Sie vertrauen also darauf, dass JET-P am Ende funktioniert?

George: Ich denke schon. Nun müssen wir uns vielleicht fragen: Was müssen wir von hier aus weiterentwickeln? Denn denken Sie daran, alles ändert sich ständig. Einige europäische Länder rücken nach rechts und sind deutlich weniger großzügig gegenüber anderen. Damit müssen wir leben. Aber Not macht erfinderisch. Deshalb glaube ich, dass Südafrika einen Weg finden wird. Das mag chaotisch und laut sein. Meine Aufgabe ist es, dabei zu helfen. Man will nichts kaputt machen, aber möglicherweise geht die Energiewende nicht, ohne Schaden anzurichten. Das ist schwierig zu lösen. Aber genau darum geht es bei der gerechten Energiewende.

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4 Kommentare

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  • Gibt es staatliche Garantien für die Kredite des Energieversorgers Escom, oder andere Schutzvorschriften für deren Absatzmarkt? Zölle auf Solaranlagenimporte nach Südafrika?

  • Sicherlich hat der Herr Umweltminister nur vergessen darauf hinzuweisen, dass das von ihm zurecht stark kritisierte Unternehmen Eskom in erster Linie von ANC-Leuten gesteuert wird. Und solange der ANC seine Leute aufhetzt, Solaranlagen zu zerstören oder Gesetze nicht ändert (Stromeinspeisung aus privaten Solaranlagen bringt kein Geld, nein, man zahlt Strafe dafür), wird die in diesem Interview beschworene Energiewende in Südafrika auf sich warten lassen. Aber solange man mit den USA einen Schuldigen hat, ist ja alles in Butter...

    • @Bommel:

      Also wenn ich nach: anc "south africa" destroying solar panels

      suche, finde ich keinen Hinweis darauf, dass "der ANC seine Leute aufhetzt, Solaranlagen zu zerstören".

      Ihre Quelle?

  • Ein interessanter Aspekt: "die große Handbremse ist weg". Jetzt müssten sich die USA als Staat nur noch mit einer Space X Rakete auf den Mars schießen, dann wären wir hier auch ihre Emissionen los, was einen großen Anteil ausmacht.