Subventionen für Mobilität: Ich liebe Elektroautos
Die Regierung fördert jetzt Elektroautos. Das ist sozial ungerecht, weil nur Besserverdiener was davon haben. Aber, ehrlich: Das ist in dem Fall egal.
Was haben Pop und umweltfreundliche Technik gemeinsam? Nun, beides ist nur so lange sexy, solange es Underground ist. Jeder Hit steht unter Plastiksoundverdacht. Und jedes Elektroauto unter dem Argwohn, die Technik bringe doch eh nichts. Zumindest seit die Dinger von großen Autokonzernen hergestellt werden.
Wir reden darüber, weil die Bundesregierung jetzt 2.000 Euro für reine Elektroautos und 1.500 für Hybridfahrzeuge zuschießt, für maximal 400.000 Autos. Bisher haben sich Daimler, VW und BMW bereiterklärt, die Kaufpreise nochmals um denselben Betrag zu senken. Den Rabatt verkaufen sie uns als Förderung, was offensichtlich Quatsch ist: Wenn ein Produkt, wie die E-Autos bisher, ein Ladenhüter ist, dann muss man eben mit dem Preis runter. Das ist Marktgesetz, keine Förderung. Aber egal, die Frage ist doch: Ergibt der staatliche Zuschuss Sinn?
Mein Reflex: Natürlich nicht. Da werden Autos für Besserverdiener subventioniert bei momentan noch wenig Nutzen für’s Klima. Aber das ist nur die halbe Geschichte.
Reflexartig bekomme ich auch einen Würgereiz bei dem Gedanken, dass die Konzerne, die uns gerade ein Jahrzehnt lang mit Abgaswerten verarscht haben, auch noch gefördert werden. Allerdings taugt das Argument nicht, um zu bewerten, wie sinnvoll die Förderung ist. Es ist eben so, dass wir keine anderen Autohersteller haben. Und verdammt viele Menschen gern Autos kaufen. Es bleibt nichts anderes, als die Hersteller dazu zu bringen, allmählich umzusteuern.
Kurzfristig soziale Ungerechtigkeit
Ökosubventionen helfen allzu oft zunächst nur Besserverdienern. Leider sind umweltfreundliche Technologien dadurch gekennzeichnet, dass sie zu Beginn teuer sind, hohe Investitionen erfordern und sich nur langfristig auszahlen. Das gilt, wenn Häuser gedämmt, das gilt auch, wenn Solaranlagen gefördert werden. Und das gilt für Elektroautos. Um den Markt anzuheizen und sie so irgendwann auch für Normalverdiener erschwinglich zu machen, verteilt jeder staatliche Zuschuss von unten nach oben. Das ist der Fluch des ökologischen Umbaus der Gesellschaft: Er schafft kurzfristig soziale Ungerechtigkeiten für ein relativ abstraktes langfristiges Ziel.
Im konkreten Fall allerdings relativ geringe: Die Milliarde Förderung einzusparen würde nicht die Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft lösen. Dazu kommt: Elektroautos lohnen sich ökologisch, man muss eben nur langfristig denken.
Kürzlich bin ich mit einem Tesla S gefahren, bezahlt von Tesla, war eine Pressefahrt. Zu Beginn hat das Ding, ein Viersitzer, 400 Kilometer Reichweite angezeigt und war nicht einmal ganz aufgeladen. Ich bin total unvernünftig gefahren, ständig Gaspedal durchgedrückt, am Ende hätte es nur für 300 gereicht. Um diese Reichweite zu haben, genügen übrigens 30 Minuten Ladezeit.
Wer heute noch schreibt, das mit den Elektroautos funktioniert eh niemals, weil die Batterien so schwer sind und man tagelang laden muss, der hat schlicht keine Ahnung. Die Akkus werden jährlich besser und billiger, es gibt einen Markt mit gewaltiger Nachfrage, funktionierende Lieferketten, kreditwürdige Großunternehmen und Produktionsanlagen, um die sich jeder Staat der Welt reißt. In einigen Jahren wird man über die Typen, die behaupten, Elektroautos funktionieren nicht, müde lächeln.
Die Elektroauto-Lüge
Der Text hier würde mehr Aufsehen erregen wenn darüber stehen würde: „Die Elektroauto-Lüge.“ Hab ich drauf, kein Problem: In den Dingern stecken viel mehr wertvolle Ressourcen als in Benzinern. Seltene Erden, wegen der Batterien, die kommen aus Bürgerkriegsländern. Ich ergoogel auch in zehn Sekunden eine Studie, die sagt, dass sparsame Benziner mit dem heutigen Strommix ökologischer sind als Elektroautos. Ich buddel einen Professor aus, der sagt, dass die Hälfte der Energie eines Autos bei seiner Herstellung draufgeht. Die Formulierung von „CO2-freiem Fahren“ mit E-Autos ist schlicht falsch. Selbst mit 100 Prozent Ökostrom ist nur die Hälfte gewonnen. Also fahr Fahrrad, liebe Menschheit, du schlimmste aller Plagen.
Das ist dann eben der übliche Ökopopulismus. Er ist dumm, weil er die gesellschaftliche Realitäten ignoriert: Wir, die immer mobiler werden wollen, brauchen Lösungen, keine Appelle. Elektroautos sind ein Teil davon. Ein Staat, der das subventioniert? Vor zehn Jahren hätte ich Freudentränen geweint.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau