Sturmfolgen im Berliner Nordwesten: Heftige Blase im Kochtopf
In Tegel und Spandau hat der Sturm am Donnerstagabend tausende Bäume entwurzelt oder umgeknickt, die Wälder bleiben wohl für Wochen gesperrt.
Die Straße von Tegel nach Heilgensee, die über zwei Kilometer durch den Forst führt, ist befahrbar, der ähnlich lange Abzweig nach Konradshöhe ist es mittlerweile wieder. Der Ortsteil im Bezirk Reinickendorf war in der Nacht von der Umgebung „komplett abgeschottet“, wie ein Sprecher der Berliner Feuerwehr es ausdrückt. Stadtweit, vor allem aber im Nordwesten, musste die Feuerwehr von Donnerstagabend bis Freitagmittag sturmbedingt rund 800 Einsätze fahren.
Für die Aufräumarbeiten auf den Waldflächen, wo laut Senatsumweltverwaltung „tausende Bäume“ entwurzelt wurden oder umgeknickt sind, sind allerdings die Berliner Forsten zuständig, ebenso für die Sicherung. An vielen Stellen markiert rotweißes Flatterband die Sperrung der Zugänge.
Bedingt freundliche Forstarbeiter
Nicht so am Schwarzen Weg, einem Sträßchen, das zum Tegeler Segelclub, zur Akademie des Auswärtigen Amts in der Villa Borsig und zur beliebten Badestelle Reiherwerder führt. Ab und zu fährt hier am Freitag ein Auto, vorsichtig zumeist, denn der Weg ist immer noch von kleineren herabgefallen Ästen und Laub übersät.
In einem Wagen sitzt eine ältere Dame, auf der Rückbank die Enkelin. Die beiden waren an die Badestelle gefahren, die sie verwaist vorfanden. „Und dann wurden wir von einem Forstarbeiter angeschrien, was wir denn hier machen“, berichtet die Frau. „Dabei war der Weg ja gar nicht abgesperrt.“ Auf dem Schwarzen Weg war beim Sturm „Xavier“ im Jahr 2017 eine Frau in ihrem Auto von einem Baum erschlagen worden.
Nur wenige Tage nach dem ersten Sturm in dieser Woche am Montag kam es am Donnerstagabend gegen 18 Uhr zu teils extremen Windgeschwindigkeiten. Auf Windkarten ist sichtbar, dass sich die bis zu 100 km/h schnellen Böen auf ein relativ kleines Gebiet rund um den Tegeler See konzentrierten.
Auch der Spandauer Forst ist tabu
Am Freitag entschieden die Berliner Forsten, auch das Betreten des Spandauer Forstes zu verbieten. Dort legte an einer Stelle ein mitsamt dem Wurzelteller umgefallener Baum eine Metallhülse frei, die zuerst für eine Weltkriegsbombe gehalten wurde. Am Nachmittag gab es hierzu Entwarnung.
So schnell werden die betroffenen Waldgebiete auch nicht wieder freigegeben: Neben drängenden Sicherungsarbeiten überall dort, wo Siedlungsgebiete an den Waldrand anschließen, muss sich die Behörde überhaupt erst ein umfassendes Bild der Lage verschaffen. Wohl erst gegen Ende kommender Woche werde man alle Schäden zumindest registriert haben, heißt es aus der Umweltverwaltung. Die Aufräumarbeiten würden „voraussichtlich Wochen“ in Anspruch nehmen.
Glück im Unglück für die Berliner Forsten: Während es auch im Zuständigkeit des Forstamts Pankow einige größere Schäden gegeben hat, ist im Bereich der Forstämter Grunewald und Köpenick bis auf „Einzelwürfe und -brüche“ wenig passiert. Deshalb können Mitarbeiter dieser Ämter nun in Tegel und Spandau aushelfen.
Bedingt vorhersagbar
Auf die Frage der taz, ob die Heftigkeit des Sturms dem Klimawandel geschuldet ist, antwortet der Deutsche Wetterdienst in Potsdam mit einem Jein: Außergewöhnliche Wetterlagen wie die vom Donnerstag gebe es nun mal im Sommer, wenn auch nicht häufig, sagt Meteorologin Helga Scheef. Man müsse aber damit rechnen, dass durch die steigenden Temperaturen auch Gewitter heftiger würden, weil mehr Energie in der Luft gespeichert werden könne.
Wo genau ein Unwetter zuschlägt, lässt sich laut Scheef auch nur bedingt vorhersagen. Am Tag des Gewitters selbst lasse sich das Gebiet auf einen Umkreis von 50 Kilometern eingrenzen. Was die einzelnen Gewitterzellen angeht, müsse man die Situation aber mit Wasser in einem Kochtopf vergleichen: „Da ist es auch schwierig zu sagen, wo die erste Blase aufploppt.“
Nach der aktuellen Abkühlung wird es in den kommenden Tagen wieder heiß in Berlin – am Dienstag und Mittwoch könnten sogar 35 Grad erreicht werden, so Scheef. Dann gebe es wieder Tiefdruckeinfluss, und auch mit Gewittern könne wieder zu rechnen sein. „Das ist zum jetzigen Zeitpunkt aber noch ein bisschen unsicher.“
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