piwik no script img

Studien zu Lausitz und VerkehrZu viel Kohle und Auto für 1,5 Grad

Der Verkehrssektor wird die Klimaziele reißen, und der Kohleausstieg in der Lausitz kommt zu spät. Das ist das Ergebnis zweier aktueller Studien.

LEAG-Kohlekraftwerk in Jänschwalde: Das Unternehmen plant, noch 700 Millionen Tonnen zu verbrennen Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz/epd | Eine Studie über den Kohleausstieg in der Lausitz lässt kein gutes Haar an der Klimapolitik der Ampelkoalition. Ihr Ergebnis: Zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels dürfen in der Lausitz noch 205 Millionen Tonnen Braunkohle verstromt werden. Das Energieunternehmen LEAG plant aber, noch 700 Millionen Tonnen zu verbrennen. Das Klimaziel könnte nur noch durch einen gedrosselten Betrieb und eine Abschaltung im Jahr 2030 gehalten werden, so die am Donnerstag veröffentlichte Studie der Forschungsgruppe Fossil Exit. Die Untersuchung war unter anderem von Fridays for ­Future in Auftrag gegeben worden.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlichte unterdessen eine Studie, der zufolge der Verkehrssektor das CO2-Restbudget bis 2030 so radikal wie kein anderer Sektor in Deutschland sprengt. Laut der in Berlin vorgestellten Berechnung des NewClimate Institute wird der Verkehr allein in diesem Jahrzehnt mehr als 1.100 Millionen Tonnen Treibhausgase verursachen. Das seien fast viermal so viel wie mit der 1,5-Grad-Grenze vereinbar, sagte Studienautor Niklas Höhne.

„Wenn alle Sektoren und Staaten ihre Emissionsreduktionen im selben Maß verschleppen wie der deutsche Verkehrssektor, erhitzt sich die Erde um mehr als 3 Grad“, warnte Höhne. Dann drohten globale Hungersnöte, tödliche Hitzewellen, Dürren und andere Extremwetterereignisse sowie kollabierende Ökosysteme.

Demnach werden die jüngeren Entscheidungen in der Verkehrspolitik zu der katas­tro­pha­len Bilanz führen. Darunter die Anhebung der Entfernungspauschale oder der beschleunigte Ausbau von Autobahnen. Gleichzeitig fehlt es an wirkungsvollen Gegenstrategien. Die Einführung des Deutschland-Tickets beispielsweise spart voraussichtlich weniger als ein Prozent der Emissionen im Verkehrssektor ein. Angesichts dieser Bilanz folgert Jürgen Resch von der DUH: „Porsche-Minister Wissing macht Politik für die Klimahölle“.

Mittel könnte man jetzt freisetzen, indem man klimaschädliche Emissionen wie die Pendlerpauschale und die Bezuschussung von spritschluckenden Dienstwagen abschafft.

Klimaaktivisten blockieren zeitweise an 15 Orten in Berlin

Klimaaktivisten haben am Donnerstag in Berlin erneut vorübergehend den Verkehr auf wichtigen Straßen und Kreuzungen behindert. Die Polizei sprach auf Twitter von 15 Blockaden, die sämtlich beseitigt worden seien. Am Hermannplatz hätten Passanten versucht, die Personen von der Straße zu ziehen. Die Angreifer seien umgehend festgenommen worden.

Die Initiative „Letzte Generation“ erklärte, der Pendelverkehr sei durch einen Ring an blockierten Hauptverkehrsadern stadteinwärts von den Blockaden betroffen gewesen. Gleichzeitig hätten Aktivisten Bundestagsabgeordnete am Reichstagsgebäude mit ihren Fragen nach einem Verfassungsbruch durch mangelnden Klimaschutz konfrontiert.

Der Mitgründer der „Letzten Generation“, Henning Jeschke, kritisierte, während Menschen auf den Straßen Berlins friedlich Widerstand gegen mangelnden Klimaschutz leisteten, berate der Bundestag über härtere Strafen für sie. Carla Rochel, Sprecherin der Initiative, kündigte an: „Wir werden unseren friedlichen Widerstand fortsetzen, solange die Vernichtung unserer Zivilisation durch die Klimakatastrophe vorangetrieben wird.“ Auch in den kommenden Tagen werde es Verkehrsblockaden und Protestmärsche geben.

Für den Nachmittag und für Freitag rief die Initiative zu einem Protestmarsch am Marx-Engels-Forum auf. Die „Letzte Generation“ fordert von der Bundesregierung eine entschiedenere Klimapolitik, unter anderem als Erstmaßnahmen die Einführung eines 9-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr und eines Tempolimits auf Autobahnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Ich nenne es Konsum- und Autofaschismus. Die Klimakatastrophe hat fuer viele Menschen im globalen Sueden schon lange begonnen. Aber dies ist leider einigen PolitikerInnen, Konsumentinnen und AutofahrerInnnen bei uns sch...egal, solange sie ihren sinnfreien und zerstoerischen Konsum ausleben koennen.

  • Ach, der Braunkohleausstieg lässt sich doch sicher ein bisschen beschleunigen, wenn wir E-Autos und Wärmepumpen fördern und Bioenergie einschränken... *facepalm*

  • schade, daß wir nur von lg was hören. fff ist irgendwie abgetaucht. neulich tobte eine kleine fahraddemo von fff hier durch (hh-emsbüttel), wenige menschen, viele alte dabei, übel laute musik warb um aufmekrsamkeit. war nicht der bringer.

  • Die alte Vorstellung man könne der Klimakatastrophe schon irgendwie beikommen, wenn man nur genug Erneuerbare Energien installiert, Häuser dämmt..und ansonsten einfach so weiter macht wie bisher, löst sich immer weiter auf.

    Ich gebe zu, das war auch meine Einschätzung bis vor 2-3 Jahren..

    Aber die Aktionen der LG haben sehr wohl etwas bewegt, nicht nur in meinem Verständnis. Sondern in weiten Teilen der Gesellschaft... Was unter anderem dazu führt, dass wir erstmalig den Ernst der Lage erkennen und Wettereignisse, wie etwa die große Trockenheit des letzten Sommers oder das Ahrtal in einem anderen Licht sehen.

    Und es ist ja auch nur eine Frage der Zeit, bis weitere, noch dramatischere Ereignisse uns vor Augen führen werden, dass wir nicht schon jetzt vor großen Herausforderungen stehen, sondern dass wir das Ausmass all dessen jeden Tag noch weiter befeuern..

    Woraus sich die Frage ableitet: schaffen wir es rechtzeitig die Weichen neu zu stellen und uns von Grund auf neu zu erfinden, oder übernimmt das am Ende die Geophysik für uns..bleiben wir "Herr der Lage" oder verlieren wir irgendwann die Kontrolle.?

    Wie das politisch gelöst wird, ist derzeit völlig unklar. Dafür wird aber mit jedem Ereignis und mit jeder Studie zu dem Thema immer klarer, dass wir nicht allein mit Technik aus der Patsche kommen. Da muss einfach noch viel mehr passieren, im Bewusstsein der Gesellschaft..vor allem aber der Politik...

    Ich in sehr gespannt, wie sich die politische Landschaft in den nächsten Jahren verändern wird. Denn im Moment scheinen nur die Grünen, zumindest teilweise verstanden zu haben. Alle Anderen Leugnen, Diffamieren oder Krminalisieren nur das was sich nicht mehr verbergen lässt...

    Bekommen wir also nach der nächsten Wahl eine Grün geführte Bundesegierung oder überlassen wir es den konservativ-liberalen Kräften das Problem weiter zu verharmlosen und der jungen Generation das Erbe eines kaputten Planeten zu hinterlassen..??

    • @Wunderwelt:

      Ich sehe das genau so. Ich frag mich, wo die Menschen sind, die etwas gegen die Klimakatastrophe tun wollen und wie wir sie erreichen können. Wir werden hier im Ort versuchen im Mai Menschen einzuladen, um über dieses Problem zu sprechen und nach Aktionsformen zu suchen, mit den wir die Menschen erreichen können. Von Seiten der Politik kommt ja derzeit nur Geschwafel und Hetze gegen die Menschen von der Letzten Generation. Dabei hat die "LG" Recht mit Ihren Forderungen und es wäre zumindest mal ein Anfang.

  • 6G
    675146 (Profil gelöscht)

    Nix Neues, LEIDER.

    So ist das wenn nur gelabbert und nicht gehandelt wird.

  • Nicht ständig auf der LG rumhacken sondern die Politik zum Handeln fordern und damit ist nicht die Kriminalisierung von Protest gemeint. Das es mit einem weiter so wohl kein gutes Ende nehmen wird sollte langsam jedem klar sein. Je länger Maßnahmen hinausgezögert werden umso schmerzhafter werden sie später werden.