Studie zur Unzufriedenheit von Eltern: Vielen Dank, das erste Kind reicht!
Wenn das erste Kind unglücklich macht, gibt es wahrscheinlich keine Geschwister. Wissenschafter haben Eltern zu ihrem Wohlbefinden befragt.
Eine Studie des Max-Planck-Instituts fand nun heraus, dass die Unzufriedenheit der Eltern in einigen Fällen sogar stärker ausfällt als durch Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Tod des Partners. Die Wissenschaftler zeigen außerdem: Die Erfahrungen während und nach der ersten Geburt bestimmen, wie groß die Familie wird. Je unzufriedener die Eltern mit dem Kind sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass noch ein zweites dazukommt.
Besonders ältere und gebildete Menschen entschieden sich gegen weitere Kinder, wenn nach dem ersten das Wohlbefinden sank. Denn diese seien gut in der Lage, ihre Familienplanung im Fall schlechter Erfahrung noch zu ändern, mutmaßt Mikka Myrskylä, Leiter der Studie.
Die Wissenschaftler glauben, dass die sinkenden Geburtenraten in Industrieländern nicht ausschließlich – wie oft suggeriert – mit der Zahl der Menschen erklärbar sind, die keine Kinder möchten, sondern mit der steigenden Zahl von Familien, die sich nach der ersten Schwangerschaft gegen weitere entscheiden. Über 30 Prozent der heute Mitte 40-jährigen Mütter in Deutschland haben nur ein Kind; das sei laut Studie ein vergleichsweise hoher Wert.
Angst als Rabeneltern dazustehen
„Dass in Deutschland die Geburtenrate so niedrig ist, hängt auch mit familienpolitischen Maßnahmen zusammen“, so Myrskylä. Wie die Betreuung von Kindern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geregelt sei, habe Einfluss auf das individuelle Glück.
Viele interessante Fragen klärt die Studie nicht: Warum die Eltern überhaupt unglücklich sind zum Beispiel. „Es gibt da einige kleine qualitative Studien“, so Myrskylä. Dort würden oft Schlafmangel, Probleme mit dem Partner und die schlechte Vereinbarkeit mit dem Beruf als Gründe genannt.
Dass solche Fragen höchstens flüsternd zwischen befreundeten Eltern besprochen werden, liegt auch daran, dass Mütter und Väter, die negative Gefühle mit ihrem Kind verbinden, noch immer als Rabeneltern verurteilt werden. So bekam auch die israelische Wissenschaftlerin Orna Donath auf ihre Studie über unglückliche Mütter in den sozialen Netzwerken harsches Feedback. 23 israelische Frauen hatte sie interviewt, die das Muttersein nicht als größte Erfüllung empfinden, sondern im Nachhinein lieber darauf verzichtet hätten. Eine 38-jährige Mutter dreier Kinder beispielsweise erzählte, sie würde auf ihre Kinder verzichten, „ohne mit der Wimper zu zucken“.
Unter #regrettingmotherhood wurde die Studie unter anderem als „Meilenstein auf dem Weg zur ideologischen Zerstörung der Familie“ betitelt. Die Entscheidung gegen Kinder sei in Deutschland stärker gesellschaftlich akzeptiert, sagte die Soziologin. Aber über Reue zu sprechen, wenn man bereits Kinder bekommen hat, sei offenbar ein sehr empfindlicher Punkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin